Kommentar:Die verschobene Revolution

Der Börsengang der Internet-Firma Google ist voller Pannen - und könnte doch zum Vorbild werden.

Von Antonie Bauer

Fast kann man sich darauf verlassen - auf die tägliche Panne beim Börsengang von Google. Die weltberühmte Suchmaschine hat ihren Weg an die amerikanische Computerbörse Nasdaq noch immer nicht gefunden; kurz vor dem geplanten Handelsbeginn hat die Börsenaufsicht SEC in New York dem Unternehmen die Registrierung verweigert; normalerweise ist dies eine reine Formalie.

Doch bei Google ist eben vieles nicht normal. Vor allem der Dilettantismus der jugendlichen Firmengründer Larry Page und Sergey Brin sucht seinesgleichen.

Lachnummer

Mal gefährdeten sie durch ein Interview im Playboy die Börsenzulassung, mal vergaßen sie jahrelang, Aktien ordnungsgemäß zu registrieren, mal hakt es bei der Anmeldung der institutionellen Bieter. Der ambitionierteste Börsengang der Internet-Ära wird zur Lachnummer, bespöttelt von vielen Großinvestoren, die lauthals verkünden, dass sie ihre Finger von Google lassen.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Nichts würde institutionelle Anleger und Investmentbanken mehr freuen als ein Scheitern des Milliarden-Experiments.

Schließlich sind die Finanzhäuser die Herren über das Verfahren, wenn sie, wie allgemein üblich, die Firmen an die Börse bringen: Sie halten den Ausgabepreis oft künstlich niedrig, wodurch die Nachfrage das Angebot weit übersteigt.

Gutsherrenart

Das erlaubt es ihnen, die begehrten Papiere nach Gutsherrenart zuzuteilen, vorzugsweise an ihnen genehme institutionelle Anleger. Diese können sich dann freuen, wenn der Kurs bei der Erstnotiz nach oben schnellt; auch die Banken profitieren, denn sie nehmen neben einer üppigen Provision Geld aus dem Verkauf der Zeichnungsreserve ein.

Den Schaden haben die Kleinanleger, die meist leer ausgehen - und die Börsenkandidaten selbst, die sich zu schlecht bewertet sehen. Ganz anders, wenn die Aktien, wie im Falle Google, versteigert werden. Hier wechseln die Aktien den Besitzer zum Marktpreis; wer ihn zahlen will, bekommt die gewünschten Papiere. Deshalb ist eine Versteigerung viel fairer und Kleinanleger-freundlicher.

Mit mehr Geschick hätte Google den Boden für eine Börsen-Revolution bereiten können. Wäre alles glatt gegangen, hätten sich vielleicht auch andere Börsenkandidaten gegen den Widerstand der Banken für eine Aktienversteigerung stark gemacht.

Kartell der Finanzprofis

Doch der kuriose Hindernislauf an die Nasdaq taugt nicht als Vorbild. Schade. Eine Auktion ist zwar, vor allem beim ersten Großversuch, ein organisatorischer Alptraum, sie passt aber viel besser in eine Marktwirtschaft als das alte Kartell der Finanzprofis.

Und sie muss auch nicht schief gehen - nicht einmal bei Google. Die Suchmaschine hat nun offenbar einen markträumenden Preis zwischen 85 und 95 Dollar gefunden ; das scheint im Vergleich zu anderen Internet-Firmen ein angemessener Wert. Wenn die Börse das genauso sieht und der Kurs nicht am ersten Tag abstürzt, dann ist das milliardenschwere Experiment trotz aller Pannen geglückt.

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