Kommentar:Die Steuertrickser

Es gibt Dinge im Wirtschaftsleben, die sind erlaubt - und trotzdem unanständig.

Von Ulrich Schäfer

Gerade in einer Marktwirtschaft, die nicht nur frei, sondern auch sozial sein will, müssen sich Konzernlenker fragen lassen, ob sie ihr Handeln bloß am kurzfristigen Profitstreben und an kurzatmigen Börsenentwicklungen orientieren - oder auch am Postulat des Grundgesetzes, wonach Eigentum verpflichtet.

Erlaubt ist es wohl - diesen Eindruck hinterlässt das laufende Verfahren in Düsseldorf -, wenn der Vorstandschef von Mannesmann, der sich einem britischen Telefonkonzern ausgeliefert hat, eine Abfindung in zweistelliger Millionenhöhe erhält. Aber ist das auch anständig? Selbst wenn Klaus Esser und seine Kollegen deswegen nicht verurteilt werden sollten, worauf einiges hindeutet, bleibt ein fader Beigeschmack.

Wie kann es angehen, dass jemand, der nur ein Jahr seinen Job gemacht hat, zum Abschied derart viel Geld bekommt? Hatte dies wirklich keinen Einfluss auf die Fusion?

Dieser Tage erklärte ein Ex-Vorstandskollege von Esser, der von den Abfindungszahlungen erst aus der Presse erfuhr, er hätte in Kenntnis des goldenen Handschlags womöglich gegen die Übernahme votiert.

Erlaubt ist es, wenn Vodafone nun einen Teil des überteuerten Kaufpreises für Mannesmann nachträglich beim deutschen Fiskus absetzen will. 50 Milliarden Euro möchten die Briten abschreiben, ein Viertel dessen, was sie im Börsenhype des Jahres 2000 bezahlt haben; sie verhandeln darüber mit dem Düsseldorfer Finanzamt und werden aller Voraussicht nach Erfolg haben.

Ganz legales Steuersparmodell

Vodafone nutzt ein ganz legales Steuersparmodell. Doch ist das auch anständig?

Die öffentliche Aufregung ist jedenfalls verständlich. Es geht schließlich um ein Geschäft, das derzeit wie kein anderes das Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft prägt. Mannesmann und Vodafone: Das ist die größte Fusion, die die Bundesrepublik je erlebt hat; das ist das Synonym für eine Übernahmeschlacht, wie man sie bis dahin nur aus dem amerikanischen Kapitalismus kannte.

Durch diese Fusion, so rechtfertigen sich die Angeklagten im Mannesmann-Prozess, seien riesige Werte geschaffen worden. Deutschland sei das einzige Land, wo jene, die dies tun, vor Gericht kommen, klagt Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Diese Verteidigungsstrategie erhält nun einen Schlag.

Die Steuerabteilung von Vodafone dokumentiert, dass Ackermanns und Essers Werte nur auf dem Papier bestanden - als Resultat einer wilden Börsenspekulation. Die virtuellen Verluste, die seither entstanden sind, möchte Vodafone nun in einen ganz realen Steuervorteil ummünzen und letztlich sozialisieren.

Man darf spekulieren, ob kluge Buchhalter diesen Steuertrick bereits vor der Übernahme bedacht und die Konzernlenker darauf aufmerksam gemacht haben. Die Details des Mannesmann-Deals deuten darauf hin.

Die Fusion wurde zunächst über das Steuerparadies Luxemburg abgewickelt. Die dortige Tochtergesellschaft von Vodafone wiederum schob die Mannesmann-Aktien nach einer Schamfrist zu einer weiteren Tochterfirma nach Deutschland zurück, wo sich das Abschreiben von Verlusten wegen hoher Steuersätze besonders lohnt.

Am Ende könnte man fast meinen, Mannesmann habe sich selber gekauft, bezahlt womöglich mit Hilfsgeldern des deutschen Fiskus.

Die steuerrechtlichen Winkelzüge der Vodafone-Manager fallen aber auch auf jene zurück, die das Unternehmen jetzt so heftig schelten: auf die Politiker. Weil es im Wahlvolk gut ankommt, spricht die Regierung von einem "befremdlichen" Verhalten, die Opposition beklagt gar einen "steuerlichen Beutezug".

Wer duldet denn die Schlupflöcher?

Nur: Wer hat denn all die Gesetze geschaffen, die solch einen Beutezug zulassen? Und wer duldet denn seit Jahren all die Schlupflöcher, die das deutsche Abgabenrecht gerade für trickreiche Steuerzahler parat hält? Und dass die Konzerne besonders trickreich sind, ist spätestens seit Hans Eichels vermurkster Unternehmenssteuerreform aus dem Jahr 2000 bekannt. Die Körperschaftsteuer, die vor allem von großen Aktiengesellschaften bezahlt wird, brach binnen eines Jahres völlig weg.

Es nützt deshalb wenig, wenn manche Politiker nun Unsinniges fordern wie eine "Lex Vodafone", eine rückwirkende Steuerrechtsänderung speziell für diesen Einzelfall. Es hilft auch nichts, Firmen wie die Deutsche Bank vorsorglich vor einer Abwanderung ins steuergünstige Ausland zu warnen. Die Unternehmen können nicht anders, sie müssen steuerlich alle Möglichkeiten nutzen, die sie haben; andernfalls drohen Klagen der Aktionäre.

Die bittere Wahrheit ist: Wenn der deutsche Steuerstaat im globalen Wettbewerb eine Chance haben will, muss er die Steuersätze für Unternehmen nochmals deutlich senken. Und er muss, auch wenn die Unternehmenslobbyisten sich dagegen sperren werden, im Gegenzug wirklich alle Schlupflöcher beseitigen.

Selbst dann würden die Konzerne niemals mehr so viel zur Finanzierung der Gesellschaft beitragen wie noch vor dreißig oder vierzig Jahren. Die Lücke werden am Ende die Bürger ausgleichen müssen - im Zweifel durch eine höhere Mehrwertsteuer.

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