Kommentar:Die Macht der Kunden

Die Transparenz und Grenzenlosigkeit des Internets, die manche Unternehmen erst möglich machte, kann für sie auch eine große Gefahr sein. Mitarbeiter und Verbraucher nutzen den Kanal, um Druck auf die Unternehmen zu machen.

Von Caspar Busse

In der digitalen Welt steht jeder mit jedem in Verbindung. Bei Facebook kann man, wenn man will, sein Privatleben ausbreiten, bei Snapchat Fotos und bei Whatsapp Filmchen verschicken. Und bei Twitter Ideen, politische Ansichten und vieles andere, was einem vielleicht gerade in den Sinn kommt, mitteilen. Das Publikum jedenfalls ist immer da und reagiert gegebenenfalls sofort. "Gefällt mir" ist schnell angeklickt, eine Nachricht sofort mit seinen "Freunden" geteilt. Jeder ist per Smartphone immer online und erreichbar. So können kleine Dinge schnell zu großen Themen werden, Winzigkeiten in Windeseile zu einer Kampagne.

Soziale Netzwerke sind zweifellos zu eine großen Macht geworden. Parteien nutzen die digitalen Medien für Wahlkämpfe, Unternehmen für die Verbreitung ihrer positiven Nachrichten. Virales Marketing steht hoch im Kurs. Bürger, Wähler und Kunden können beeinflusst oder in eine bestimmte Richtung gedrängt werden, manchmal sogar, ohne dass sie es merken. Der neue amerikanische Präsident Donald Trump versucht gerade, Weltpolitik mit 140-Zeichen-Nachrichten auf Twitter zu machen.

Firmenchef Travis Kalanick war bislang viel egal, die Arroganz könnte sich jetzt rächen

Aber es gibt auch eine andere Seite: Denn gleichzeitig ist auch die Macht der Konsumenten enorm gestiegen. Nutzen Kunden die sozialen Netzwerke geschickt als Plattform, können sie schnell enormen öffentlichen Druck aufbauen und am Ende selbst große Unternehmen zu Verhaltensänderungen zwingen.

Was heißt das für die Unternehmen?

Der aktuelle Fall des Fahrdienstvermittlers Uber zeigt, was Firmenchefs dabei richtig und vor allem falsch machen können. Eine ehemalige Uber-Mitarbeiterin hatte am vergangenen Sonntag per Internet öffentlich gemacht, dass sie von ihrem Vorgesetzten sexuell bedrängt worden sei. Und die Personalabteilung des Unternehmens habe sie keineswegs unterstützt, sondern sie abblitzen lassen. Die Verantwortlichen hätten deutlich gemacht, dass möglicherweise die Beschäftigte selbst das Problem sei. Die Ingenieurin berichtete am Sonntag weiter, dass Kolleginnen ähnliche Erfahrungen gemacht hätten.

Natürlich ist noch nicht erwiesen, dass die Vorwürfe auch stimmen. Aber die Anschuldigungen sind heftig, denn träfen sie zu, würde es sich nicht nur um ein schlimmes Vergehen handeln, sondern: Die Personalabteilung hätte das Verhalten sogar gedeckt. Kein Wunder, dass Uber-Chef Travis Kalanick, als nicht gerade zimperlich bekannt, ungewöhnlich schnell reagierte und eine Aufklärung der Sexismus-Vorwürfe angekündigte.

Die bekannte Autorin und Online-Gründerin Arianna Huffington, die auch Mitglied im Uber-Verwaltungsrat ist, soll sich um den Fall kümmern. Außerdem wurde der frühere US-Justizminister Eric Holder engagiert. Ziel: die Affäre möglichst bald aus den Schlagzeilen zu bringen. Denn für die Firma, die mit der Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten der Taxibranche heftige Konkurrenz macht, steht viel auf dem Spiel. Uber wird bereits mit bis zu 70 Milliarden Dollar bewertet und peilt möglicherweise einen Börsengang an. Da braucht es ein gutes Image in der Öffentlichkeit.

Die von Kalanick versprochene Aufklärung der Vorwürfe wird aber sicher nicht reichen. Denn Uber hat schon viele negative Schlagzeilen gemacht - und dabei bislang offenbar die Macht der Kunden unterschätzt. Gründer Travis Kalanick war einer von mehreren Unternehmern, die US-Präsident Trump beraten haben. Er hat das Gremium erst widerwillig verlassen, als der Druck nach den beschlossenen Einreisebeschränkungen zu groß wurde. Uber beschäftigt zahlreiche Einwanderer als Fahrer. Kunden protestierten und gaben scharenweise ihre Kundenregistrierung auf. Unter dem Stichwort #DeleteUber kursiert in sozialen Netzwerken die Aufforderung, Uber jetzt zu boykottieren - mit Anleitungen, wie die Uber-App schnell vom Smartphone gelöscht werden kann.

Die Arroganz, mit der Kalanick bislang auf Kritik reagierte, rächt sich nun. Er bezeichnete die Konkurrenz als ein "Arschloch namens Taxi", er ging rabiat vor und gefiel sich in der Rolle des Bad Boy. Gleichzeitig betrieb er seine Geschäfte, wie so manches anderes Silicon-Valley-Unternehmen, unter dem Deckmantel des Weltverbesserers. Wenn genügend Menschen sich zu einer Fahrgemeinschaft zusammenfinden, wäre das das Ende des Verkehrschaos in vielen Städten, schwärmte er. Dabei will auch Uber vor allem Geld verdienen. Die Transparenz und Grenzenlosigkeit des Internets, die Uber erst möglich machte, kann nun eine große Gefahr sein.

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