Kommentar:Der starke Euro ist ein gutes Zeichen für Europa

EZB-Präsident Mario Draghi

EZB-Präsident Mario Draghi wünscht sich einen kraftloseren Euro.

(Foto: dpa)

Die teure Währung zeigt: Der Wirtschaftsraum ist wettbewerbsfähig und steht ökonomisch besser da als die USA.

Kommentar von Markus Zydra

Die Gründung der Währungsunion war ein riskantes Experiment. An den Finanzmärkten war die Skepsis damals groß. Der erste Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, musste für einen starken Euro sorgen. Im Januar 1999, als Europas Gemeinschaftswährung erstmals gehandelt wurde, lag der Kurs bei 1,13 Dollar. Doch dann fiel er bis auf 0,89 Dollar. Europa war schockiert. Der Wertverlust wurde als Schwäche interpretiert. Duisenberg intervenierte an den Devisenmärkten, um den Euro zu stützen. So verstand er seinen Job als Währungshüter.

In diesen Tagen notiert der Euro bei 1,20 Dollar. Er ist so stark wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr, das Plus seit Januar beträgt stolze 16 Prozent. Duisenberg hätte wohl vor Freude eine Zigarette geraucht. Doch Mario Draghi wünscht sich einen kraftloseren Euro. Der EZB-Präsident fürchtet, die neue Stärke der Währung schade Europas Wirtschaft.

Draghi senkte den Leitzins auf null Prozent und begann, Staatsanleihen zu kaufen

An den Devisenmärkten wird Tag und Nacht gehandelt. Es gibt dort keinen Preis, der auf einem bestimmten Niveau verharrt. Man erlebt dort über die Zeit markante Schwankungen. Im Mai 2014 notierte der Euro bei 1,39 Dollar. Europas junge Währung war stark wie selten in ihrer Geschichte, doch der harte Euro bremste den Aufschwung. Daher senkte Draghi den Leitzins auf null Prozent und begann, Staatsanleihen zu kaufen. Die Geldströme kehrten sich um - in den Dollarraum. Der Euro wurde schwächer und sank Ende 2016 bis auf 1,03 Dollar.

Die großen Zentralbanken haben die Macht, ihre Währungen zu manipulieren, und in der Finanzkrise haben sie den Wechselkurs nach unten gedrückt. Der schwache Dollar half den USA, ihre Wirtschaft nach der Finanzkrise anzukurbeln. Danach waren die Europäer dran. Der billige Euro stärkte den Exportsektor. Er war der Kickstart für Europas Wirtschaft. In diesem Jahr soll das Wachstum im Euro-Raum 2,2 Prozent betragen. Das wäre der höchste Wert seit 2007, dem Beginn der globalen Finanzkrise.

Die neue Stärke des Euro ist Ausdruck dieser gewachsenen Wirtschaftskraft. Die Welt will mit Europa Geschäfte machen. Der Wirtschaftsraum ist wettbewerbsfähig und steht ökonomisch stärker da als die USA, wo Präsident Donald Trump mehr redet denn regiert.

Die teure Währung ist schlecht für manchen Exporteur - doch längst nicht für alle

Man hört immer wieder, dass ein starker Euro in Ordnung sei, er dürfe nur nicht zu stark sein. Doch was heißt das? Wenn man die Devisenprofis fragt, sagt jeder etwas anderes. Es gibt Modelle, mit denen man den "fairen" Wert einer Währung berechnen kann. Doch die Krux ist: Den Devisenhändlern ist das in der Regel völlig egal. Sie handeln Währungen, weil sie Geld verdienen möchten. Die Spekulanten profitieren am meisten, wenn die Preise stark schwanken. Die Preisunruhe wächst, wenn man nicht weiß, wie es in wichtigen Dingen weitergeht. Wie beendet Draghi die lockere Geldpolitik? Was macht Trump als nächstes? Auch diese offenen Fragen finden in der abrupten Euro-Aufwertung ihren Ausdruck. Es ist das Spiel der Börsen.

Für Touristen, die sich eine Reise in die USA leisten können, ist der starke Euro eine gute Nachricht. Die Aufwertung nützt auch Europas Importeuren, denn sie bekommen jetzt mehr Waren für ihr Geld. Der starke Euro ist schlecht für manchen Exporteur - doch längst nicht für alle, weil in vielen Exportprodukten einige, nun günstigere Importteile verbaut sind.

Die Finanzmärkte sind zappelig und gierig. Deshalb kommt es dort auch immer wieder zu Exzessen und Übertreibungen. Doch das gilt bislang nicht in diesem Fall: Der starke Euro ist ein gutes Zeichen. Europa hat ihn sich verdient.

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