Kommentar:Der Roboter kann's auch

Wer sein Geld anlegen will, braucht keinen Bankberater mehr, er kann das auch einen Roboter erledigen lassen. Das ist vor allem gut für Kleinanleger. Sie können so mit geringeren Beträgen breit gestreut am Kapitalmarkt investieren.

Von Harald Freiberger

Wenn heute einer eine Reise tut, dann geht er vorher kaum mehr ins Reisebüro - er bucht den Urlaub über ein Reiseportal im Internet. Wenn er Musik hören will, kauft er sich kaum mehr eine CD - er lädt sich seine Lieblingslieder von einem Streamingdienst herunter. Die digitale Revolution hat viele Bereiche des Lebens schon erfasst, und sie ist gerade dabei, die nächste Stufe zu erklimmen: Wer sein Geld anlegen will, muss nicht mehr zu seinem Bankberater gehen - er kann das auch von einem Roboter erledigen lassen.

Robo-Advisors, die das Geld von Kunden über Algorithmen automatisiert auf den Kapitalmärkten anlegen, gibt es in Deutschland erst seit fünf Jahren. Dafür haben sie den Markt ziemlich aufgemischt. Mittlerweile gibt es mehr als 20 Anbieter. Keine größere Bank oder Bankengruppe kommt mehr ohne eigenen Robo-Advisor aus; zu groß ist die Furcht, Kunden an die Neulinge aus dem Fintech-Bereich zu verlieren. Jeder hat seine Strategie, das Geld der Kunden anzulegen. Der Markt ist inzwischen so vielfältig, dass es für Verbraucher schon wieder unübersichtlich wird. Davon sollten sie sich aber nicht abschrecken lassen.

Der erfolgreichste Robo-Advisor in Deutschland, Scalable Capital, hat in diesen Tagen für Aufsehen gesorgt: Er meldete, dass er beim verwalteten Kundengeld die Milliarden-Euro-Grenze durchbrochen hat. Es ist ein erstaunlicher Erfolg für eine Neugründung, die es erst seit gut zwei Jahren gibt. Zu verdanken ist er auch der Kooperation mit der Direktbank ING-Diba, über die etwa die Hälfte der 30 000 Kunden kamen.

Scalable dominiert damit geschätzt die Hälfte des Marktes, mit Abstand folgen Cominvest, der Robo-Adivsor der Commerzbank, Quirion von der Quirin-Bank und Anbieter wie Whitebox, Growney, Easyfolio oder Fintego. Es ist ein Zeichen für die Reife des Marktes, dass er stärker umkämpft wird. Dazu zählt auch die wachsende Kritik am Marktführer Scalable von Konkurrenten und aus der Fondsbranche.

Der neue Trend ist positiv für eine Branche, die bisher wenig verbraucherfreundlich war

Im Kern geht es dabei um die Risikostrategie der Anbieter, darum, nach welchem Modell sie das Geld der Anleger (meist über günstige Indexfonds) auf riskantere Aktien und sicherere Anleihen verteilen. Scalable steuert dies nach den aktuellen Schwankungen auf den Märkten und verspricht seinen Kunden, dass ihr Geld mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr als 15 bis 25 Prozent im Jahr verliert, je nach Risikobereitschaft. Fast alle anderen Anbieter halten sich an ein Modell, bei dem die Aktienquote auf eine bestimmte Größe festgelegt und dann regelmäßig, zum Beispiel einmal im Jahr, angepasst wird.

Welches dieser Modelle den Anleger besser vor Risiken schützt, darüber tobt in der Branche gerade ein Streit. Wer recht hat, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer sagen. Die meisten Anbieter sind erst ein bis drei Jahre auf dem Markt. Das ist zu kurz, um sinnvolle Vergleiche anzustellen. Wer in Aktien investiert, sollte mindestens fünf, besser zehn Jahre Zeit mitbringen, um Einbrüche aussitzen zu können, die immer vorkommen können. So lange sollte man auch abwarten, um seriös zu beurteilen, welcher Anbieter gut abschneidet und welcher weniger gut.

Solange das Ergebnis noch kein Indikator ist, können Anleger einen Anbieter aber nach anderen Kriterien auswählen. Sie können schauen, wer hinter einem Robo-Advisor steckt, ob es ein finanzkräftiger Investor oder ein kleines Start-up ist; sie können abschätzen, welche Anlagestrategie ihnen zusagt; und sie können auf Gebühren achten, günstige Anbieter verlangen nicht mehr als ein Prozent im Jahr. Anleger sollten auch nicht ihr gesamtes Geld so investieren. Sie können mit einem niedrigen Betrag anfangen und testen.

Robo-Advisor stehen erst am Anfang. Im Vergleich zu Banken, Fondsgesellschaften und Vermögensverwaltern sind die bei ihnen angelegten Beträge noch verschwindend gering. Doch sie bieten einen großen Vorteil: Sie ermöglichen es auch Menschen mit kleinem Geld, breit gestreut in die Kapitalmärkte zu investieren - und das zu vergleichsweise niedrigen Gebühren. Das ist ein Fortschritt in einem Land, in dem es schlecht um die Aktienkultur steht. Viele Menschen sorgen mit falschen Produkten und viel zu hohen Kosten für das Alter vor. Die nächste Stufe der Digitalisierung kann deshalb positive Wirkung entfalten in einer Branche, die bisher wenig verbraucherfreundlich war.

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