Kommentar:Der Preis der Härte

Es wäre falsch, wenn Lufthansa-Chef Spohr jetzt im Arbeitskampf nachgeben würde. Es geht hier nicht um ein paar Prozente, sondern um Grundsätzliches.

Von Caspar Busse

Es ist in diesen Wochen wirklich nicht leicht, ein treuer Lufthansa-Kunde zu bleiben. Erst vor ein paar Wochen hat Deutschlands führende Fluggesellschaft das Tarifsystem umgestellt. Koffer, die aufgegeben werden sollen, kosten nun, das Umbuchen von Flügen ist bei den billigen Tickets kaum noch möglich. Viele langjährige Passagiere müssen plötzlich mit den Billigablegern Germanwings und Eurowings vorliebnehmen. Jets mit dem Lufthansa-Logo heben nur noch auf Verbindungen von und zu den Drehkreuzen Frankfurt und München ab - wenn überhaupt, muss man mittlerweile sagen. Allein an diesem Montag wurden wegen des Streiks der Flugbegleiter 929 Flüge gestrichen, rund 110 000 Passagiere waren davon betroffen. Von diesem Dienstag an will das Kabinenpersonal auch auf der Langstrecke die Arbeit niederlegen.

So entsteht fast der Eindruck, Mitarbeiter und Management wollten das ohnehin in Turbulenzen steckende Unternehmen in kürzestmöglicher Zeit vollständig ruinieren. Der Schaden ist jedenfalls immens, der Streik kostet einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag - am Tag. Dazu dürfte ein beträchtlicher Imageschaden kommen, viele Passagiere weichen auf andere Fluggesellschaften oder andere Verkehrsmittel aus, kommen möglicherweise nicht so schnell oder gar nicht mehr wieder. Dabei müssten die Beschäftigten eigentlich ein vitales Interesse daran haben, dass es der eigenen Firma gut geht, damit ihre Jobs sicher sind. Doch bei Lufthansa gilt das offenbar nicht.

Lufthansa-Kunden sind immer genervter von den Streiks, zumal da die Konflikte zwischen Arbeitnehmern und ihrem Unternehmen undurchschaubar sind. Die Kunden können sich kaum noch darauf verlassen, dass sie auch wirklich ans Ziel kommen, wenn sie einen Lufthansa-Flug buchen. Die Piloten haben bereits 13-mal die Arbeit niedergelegt - eine Lösung in der Auseinandersetzung mit den Flugzeugführern ist trotzdem nicht in Sicht. Jetzt kommt das Kabinenpersonal hinzu, diejenigen also, die bisher einen eher gemäßigten Kurs verfolgt haben.

Es wäre falsch, wenn Konzernchef Spohr jetzt seine Linie verlassen würde

Konzernchef Carsten Spohr, selbst ein gelernter Pilot, ist in einer schwierigen Position. Eigentlich kann er sich diese Streiks gar nicht leisten. Trotzdem wäre es falsch, wenn er jetzt einknicken und die harte Linie verlassen würde. Es geht bei dieser Tarifauseinandersetzung nicht um ein paar Prozent mehr Lohn, sondern um Grundsätzliches, um langjährige Besitzstände. Fest steht: Die Kosten bei Lufthansa, jahrzehntelang in aller Welt ein Zeichen deutscher Solidität, sind einfach zu hoch. Darüber können auch die jüngsten guten Quartalszahlen nicht hinwegtäuschen. Ein Weiter-so darf es nicht geben. Alleine die Pensionslasten steigen ins Unermessliche, sollte bei den Ruhestandsregelungen nichts passieren. Schon seit Langem gibt es kein echtes Wachstum mehr im Konzern.

Will die Airline überleben, muss sie wettbewerbsfähig werden, die Kosten müssen runter, so bitter das für die Angestellten auch sein mag. Denn der Druck ist gewaltig: Auf der einen Seite bedrängen die arabischen Fluggesellschaften mit ihrem guten (teilweise staatlich subventionierten) Angebot die Deutschen auf lukrativen Langstreckenflügen, vor allem nach Asien. Auf der anderen Seite nehmen in Europa die Billig-Fluglinien Lufthansa immer mehr Passagiere ab. Ryanair beispielsweise verfolgt einen aggressiven Kurs und hat gerade eine neue Deutschland-Offensive angekündigt. Das Besondere bei Lufthansa ist, dass zu lange zu wenig passiert ist. Auch deshalb ist der Druck jetzt so groß. Jetzt rächt sich, dass viele Jahre lang darauf vertraut wurde, dass es schon irgendwie weiter- geht, dass grundsätzliche Reformen nicht in Angriff genommen wurden. Vor mehr als 23 Jahren stand das ehemalige Staatsunternehmen schon einmal vor Existenz-Problemen, machte hohe Verluste. Damals erreichte der damalige Konzernchef Jürgen Weber Zugeständnisse der Piloten, allerdings zu einem sehr hohen Preis. Die weitreichenden Zusagen von damals, die im Konzerntarifvertrag vereinbart wurden, sicherten den Piloten überdurchschnittliche Arbeitsbedingungen, jetzt stehen sie zur Disposition.

Die Beispiele Deutsche Post und Deutsche Bahn zeigen übrigens, dass sich ein konsequenter Kurs auszahlen kann. Beide Unternehmen hatten ebenfalls harte Auseinandersetzungen mit den Arbeitnehmervertretern zu bestehen, es gab lange Arbeitsniederlegungen, öffentliche Schuldzuweisungen, hohe Schäden, die Kunden mussten leiden. Am Ende setzten sich die beiden Unternehmen größtenteils durch. Lufthansa-Chef Spohr wird das genau verfolgt haben.

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