Kommentar:Der lange Weg nach Europa

Es zeigt sich immer wieder, dass es entscheidend ist, wo ein globales Unternehmen seinen Sitz hat. Da ist Airbus keine Ausnahme.

Von Marc Beise

Ein ganz normaler Konzern ist Airbus noch lange nicht, so viel Mühe sich Vorstandschef Tom Enders auch gegeben hat. Mit großem Einsatz hat er versucht, den politischen Einfluss im deutsch-französischen Konzern zurückzudrängen. Am Ende kostet ihn das nun seinen Job. Obwohl sich Enders eigentlich vorgenommen hat, Handelnder zu bleiben und Airbus auch über 2019 hinaus zu führen, ist das nun verbaut. Dass der Deutsche bei der Aufarbeitung der ernsten Korruptionsaffäre tief in das Abhängigkeitsgestrüpp französischer Manager geschnitten hat, ist ihm dort heftig verübelt worden. Am Ende dieser dramatischen Woche bleibt Enders nur die Genugtuung, dass sein französischer Rivale um den Spitzenposten noch vor ihm zu Fall gekommen ist.

Vor diesem Hintergrund wäre die Vermutung naiv, dass Nationalitätenfragen in Zukunft keine Rolle spielen werden und bei der Nachfolge nur Kompetenz zählt. Die beiden Staatenlenker Merkel und Macron machten umgehend klar, dass es anders läuft. Merkel verwies unverblümt auf "historische Regeln", und Macron pocht auf das "Gleichgewicht der verschiedenen Nationen".

In Sonntagsreden wird gerne behauptet, dass es grenzüberschreitende Firmenzusammenschlüsse "auf Augenhöhe" in Europa geben könne, erst recht zwischen Deutschland und Frankreich. Airbus ist das aktuelle Beispiel dafür, dass das (noch) nicht stimmt. Der Konzern, der lange gleichberechtigt in Deutschland und Frankreich organisiert wurde, ist durch den Umzug nach Toulouse französisch geworden.

Nicht nur bei Airbus, sondern auch in anderen Fällen zeigt sich, dass selbst bei globalen Unternehmen der Sitz der Zentrale starke Zugkraft hat. Ein deutsch-französischer Konzern, der aus Deutschland geführt wird, agiert anders, als einer, der aus Frankreich geführt wird. Und die Unternehmenskultur der beiden Länder ist bei aller Sympathie und allen Bemühungen um Gemeinsamkeiten am Ende noch sehr unterschiedlich.

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