Kommentar:Der lange Kampf gegen Steuerschlupflöcher

Lesezeit: 2 min

Es klingt gut, wenn 60 Staaten nun ein Abkommen unterzeichnen, mit dem sie vereint gegen aggressive Steuersparer vorgehen wollen. Doch die Freude über diese Kooperation zum Wohle der Gesellschaft ist getrübt.

Von Cerstin Gammelin

Seit Donald Trump mit seiner America-First-Politik die Welt deutlich nationalistischer gemacht hat, werden schon kleine gemeinsame Schritte mehrerer Staaten als beachtlicher internationaler Erfolg gefeiert. In diesem Sinne kann die Tatsache, dass an diesem Mittwoch mehr als 60 Staaten ein Abkommen unterzeichnet haben, mit dem sie grenzüberschreitende Steuerhinterziehung erschweren, als geradezu herausragender Beweis dafür gewertet werden, dass die internationale Staatengemeinschaft trotz Trump-Doktrin weiter handlungsfähig ist. Sie lebt noch, die internationale Kooperation. Grund zum Jubeln besteht trotzdem nicht, im Gegenteil.

Denn die Bereitschaft von Regierungen, internationale Regeln zur fairen Besteuerung von Konzernen und Personen zu vereinbaren, schwindet zusehends. Vor Jahresfrist waren es um die einhundert Staaten, die zusammen gegen aggressive Steuervermeidung vorangehen wollten. Sie vereinbarten 15 gemeinsame Aktionen, zusammengefasst in der sogenannten Beps-Initiative gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung, getragen von der Organisation der Industriestaaten OECD und der G20-Staatengruppe. Inzwischen ist die Zahl der Willigen um ein Drittel geschrumpft. Der völkerrechtliche Vertrag gegen aggressive Steuergestaltung über Doppelbesteuerungsabkommen, der auf der Aktionsliste ganz hinten steht, mit der Nummer 15, hat nur knapp über sechzig Unterschriften. Besonders bedauerlich ist, dass die der USA nicht darunter ist. Auch die Europäische Union ist nicht komplett vertreten. Ebenso wenig das Steuerparadies Panama.

100 Staaten wollten aggressive Steuersparmodelle bekämpfen. Ein Drittel knickte ein

Wenn wichtige Akteure fehlen, stellt sich natürlich die Frage, ob die Vereinbarung überhaupt das Papier wert ist, auf dem sie steht. Und es erscheint naheliegend, die Schuld für die Abwesenheit der Vereinigten Staaten dem üblichen Verdächtigen anzulasten, also US-Präsident Trump. Das allerdings greift zu kurz.

Sicher, Trump hält nicht viel von internationalen Abkommen oder länderübergreifender Kooperation. Der Präsident regiert die Vereinigten Staaten wie ein Familienunternehmen, wo er in bilateralen Deals stets Sieger sein will. Warum sollte er also ein internationales Abkommen gegen Steuerhinterziehung unterschreiben, wenn seinem Land dadurch Einnahmen entgehen?

Trump wird sich dem Sog des Steuergeldes, das von den USA angezogen wird, nicht entgegenstellen - genauso wenig wie es sein Amtsvorgänger getan hat. Auch Barack Obama war niemals ein Vorkämpfer gegen Steuersparmodelle. Im Gegenteil. Obama willigte erst nach langem Zögern ein, die Beps-Initiative zu unterschreiben. Dabei stimmte der frühere Präsident nur dem absoluten Minimum an gemeinsamen Maßnahmen zu, etwa abgestimmten Streitschlichtungsverfahren. Unangetastet ließ er die nationalen Steueroasen. Amerikaner, die Steuersparmodelle suchen, müssen nicht ins Ausland schauen. Es reicht, wenn sie nach Delaware, Nevada oder auch Süd-Dakota fahren.

Erst in ein paar Jahren wird sich zeigen, ob das Abkommen mit der Listennummer 15 helfen kann, das Steueraufkommen weltweit gerechter zu verteilen, obwohl die USA, die EU teilweise oder Steuerparadiese wie Panama fehlen. Die Erwartungen sind eher niedrig. Die Bundesregierung beschränkt sich auf den Verweis, dass das Abkommen vor allem helfen soll, den jetzigen Zustand zu erhalten. Das heißt, es soll verhindern, dass Unternehmen wie Privatpersonen noch mehr Steuern als bisher hinterziehen.

Dieses Ziel kann freilich nur erreicht werden, wenn die Lust der internationalen Staatengemeinschaft, konsequent gegen aggressive Steuersparmodelle vorzugehen, nicht weiter abnimmt. Dazu braucht es mindestens zweierlei: den nicht nachlassenden Druck aus der Bevölkerung und alternative Geschäftsmodelle für kleinere Staaten, die bisher vom Ruf als Steuerparadies leben.

Auf die USA als Partner sollten sich die willigen Staaten dagegen nicht verlassen. Es ist unwahrscheinlich, dass das Land plötzlich zu einer Wende in Sachen Steuertransparenz bereit sein wird. Das zeigt schon ein Blick auf das Steuergesetz Fatca oder den automatischen Informationsaustausch. Die US-Steuerbehörde fordert zwar Informationen über Bank- oder Anlagekonten aus anderen Ländern an, liefert aber selbst keine Daten. Und solange die USA dem Abkommen der OECD zum Informationsaustausch nicht beitreten, muss auch kein US-Finanzinstitut irgendwelche Informationen zu Kunden ohne US-Bezug herausgeben. Dass ausgerechnet Trump dies ändert, ist nicht zu erwarten.

© SZ vom 08.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: