Kommentar:Denkpause!

Die Fusion der Börsen in London und Frankfurt ist schlecht vorbereitet. Mit dem Brexit hatten die Manager nicht gerechnet. Sie sollten neu nachdenken.

Von Karl-Heinz Büschemann

Das war holprig, von Eleganz keine Spur. Die Deutsche Börse AG hat es nach vielen Mühen geschafft, die nötige Mehrheit ihrer Aktionäre für die Idee zu gewinnen, mit der Börse in London zu fusionieren. Das wäre für das Management eine gute Nachricht, hätte es nicht selbst für so viele Fragezeichen und Unklarheiten gesorgt.

Die Idee, Handelsplätze zusammenzuspannen, ist Jahrzehnte alt. Es gab sogar schon einen Versuch, London und New York zu vereinen. Das scheiterte aus kartellrechtlichen Gründen. Es ist daher verständlich, wenn die Deutsche Börse die Idee weiterverfolgt, um die Zukunft mit einem Partner gemeinsam anzugehen. Nach Monaten der Planung deutet aber einiges darauf hin, dass die London-Idee besser auf Eis gelegt werden sollte. Zu vieles ist unklar, zu vieles ist nicht vorhersehbar. Die Risiken für die Aktionäre sind hoch.

Es mag betriebswirtschaftlich richtig sein, aus zwei Börsen eine zu machen und Kostenvorteile zu schaffen. Auch Börsengesellschaften sind normale Unternehmen, sie haben Aktionäre, die sich möglichst hohe Gewinne erhoffen. Im Zeitalter der Globalisierung und der Internationalisierung der Finanzmärkte könnte der Bankenplatz Frankfurt davon profitieren, mit dem wichtigsten Finanzzentrum in Europa, der Londoner City, enger verknüpft zu sein.

Die Fusion der Börsen in London und Frankfurt ist schlecht vorbereitet

Doch diese Fusion ist schlecht vorbereitet. Das ist kaum verständlich bei einem Deal, der mit 25 Milliarden Euro beziffert und von fast einem Dutzend Investmentbanken begleitet wird. Wie kann es sein, dass Carsten Kengeter, der Chef der Deutschen Börse, keinen Plan hatte für den Fall, dass die Briten sich aus der Europäischen Union verabschieden? Nun ist genau das eingetreten. Der bevorstehende Brexit verändert die Rahmenbedingungen für die Partner erheblich. Beide Seiten hatten sich darauf verständigt, den Sitz der gemeinsamen Gesellschaft in London anzusiedeln. Das ist nach dem Brexit-Beschluss aber nicht mehr sinnvoll. Wenn internationale Geschäftsbanken Teile ihres Wertpapiergeschäfts wegen des Brexit aus London abziehen, kann nicht eine europäische Superbörse ihren Firmensitz außerhalb der Europäischen Union einrichten.

Zudem hat Kengeter vor wenigen Wochen einen Schachzug gemacht, der seinem Ansinnen erheblichen Schaden zugefügt hat. Er wirkte gar unseriös, und das sollte einer Börsengesellschaft auf keinen Fall passieren. Ursprünglich hatte die Deutsche Börse eine Zustimmungsquote von 75 Prozent des Aktienkapitals für die Fusion vorgesehen. Der ehemalige Investmentbanker Kengeter hatte sogar behauptet, er schaffe 90 Prozent. Als er jedoch erkannte, dass er die Unterstützung der Eigentümer viel zu optimistisch eingeschätzt hatte und die Gefahr bestand, das Quorum zu verfehlen, senkte er die Quote kurzerhand auf 60 Prozent. Auch die Frist zur Zustimmung verlängerte er. Doch damit hat Kengeter etliche Investoren verärgert und für Verunsicherung gesorgt. Jetzt hat er die nötige Mehrheit, aber auch nur knapp. Das Ergebnis ist wenig überzeugend. Dazu haben sicher auch die taktischen Spielchen der Deutschen Börse beigetragen.

Dabei beginnt die harte Arbeit der Zusammenführung erst, und das liegt nicht zuletzt am Brexit. In Deutschland bekommen jetzt diejenigen die Oberhand, die mitzureden haben und für die London als Zentrale nicht akzeptabel ist. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat sich schon klar dagegengestellt. Sein Wort hat Gewicht, weil die Frankfurter Wertpapierbörse eine öffentlich-rechtliche Einrichtung ist, die der Aufsicht des hessischen Wirtschaftsministeriums unterliegt und von der Deutschen Börse AG nur betrieben wird.

Wenn die Londoner und die Frankfurter Börse ihren Fusionsplan retten wollen, sollten sie sich eine Denkpause gönnen. Es gilt, mit Ruhe zu prüfen, wo der Sitz der Gesellschaft liegen könnte. Das ist zwar für das normale Geschäft ein unwichtiger Punkt. Für die Politiker in Großbritannien und Deutschland dagegen ist er von großer psychologischer Bedeutung. Wenn London wegen deutscher Bedenken nicht geht, wird Frankfurt aus britischer Sicht nicht durchzusetzen sein. Es muss ein Kompromiss gefunden werden. Ein Doppelsitz wäre eine diplomatische Lösung, aber sie hätte unsinnigen Verwaltungsaufwand zur Folge. Bleibt ein neutraler Ort, vielleicht in Amsterdam.

Die Beteiligten haben in der Vergangenheit genügend Fehler gemacht. Eine Phase des Nachdenkens könnte helfen, weitere Pannen zu vermeiden. Nicht alles, was wirtschaftlich sinnvoll erscheint, muss sofort gemacht werden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: