Kommentar:Das Schlimmste kommt noch

Die größte Bedrohung für die Banken hat der Stresstest zudem gar nicht getestet. Es führt kein Weg daran vorbei: Es gibt zu viele Finanzinstitute und zu viele Filialen. Manche werden schließen müssen.

Von Harald Freiberger

Die Geschichte von Banken-Stresstests in Europa ist noch jung, aber schon sehr bewegt. Der Bilanz-Check wurde nach Ausbruch der Finanzkrise eingeführt und sollte Transparenz in eine Branche bringen, die mit ihren riskanten Geschäften die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds gebracht hatte. Doch mit der Transparenz ist es so eine Sache: Am liebsten pflegen sie jene, die nichts zu verbergen haben. Die Banken in Europa aber haben noch eklatante Schwächen, die sie am liebsten verbergen würden.

Vier Stresstests gab es seit 2011, von Mal zu Mal wurde ihr Zuschnitt geändert, weil man Lehren daraus zog, was vorher falsch gelaufen war.

Die wichtigste Neuerung diesmal war, dass die Europäische Zentralbank (EZB) darauf verzichtete, eine feste Quote für das harte Kernkapital vorzugeben. Diese sagt aus, wie groß der Puffer an Eigenkapital einer Bank im Verhältnis zu den Risiken ist, die sie eingegangen ist. Beim Stresstest vor zwei Jahren gab es eine solche Vorgabe, folglich gab es auch Banken, die sie verfehlten und beim Stresstest durchfielen.

Die EZB wollte diesmal die negative öffentliche Wirkung vermeiden, die vom Wort "durchgefallen" ausgeht. Also machte sie es so wie die Schulen bei Erstklässlern, die noch keine harten Noten bekommen, sondern nur Beurteilungen.

Ganz vermeiden ließ es sich trotzdem nicht, dass der Stresstest jene Banken offenbarte, die noch große, teils sogar existenzielle Probleme haben. Denn auch wenn die EZB keine feste Hürde für eine Kapitalquote festlegte, so existiert diese dennoch in der Praxis. Aufseher und Analysten wissen, dass es unter einer harten Kernkapital-Quote von 7,5 bis 7,0 Prozent für eine Bank eng wird. Fällt die Quote unter 4,5 Prozent, gilt ein Institut aufsichtsrechtlich sogar als Pleite und muss geschlossen werden.

Die deutsche Wirtschaft ist stark. Warum sind deutsche Banken dann so schwach?

Gemessen daran liegt im europäischen Bankensystem noch vieles im Argen: Eine italienische Großbank weist im harten Stress-Szenario, das einen Einbruch der Wirtschaft bis 2018 zugrunde legt, sogar negatives Kernkapital aus, zwei irische und eine österreichische liegen unter der Sieben-Prozent-Marke, die beiden größten deutschen Institute, Commerzbank und Deutsche Bank, nur knapp darüber. Besonders das schlechte Abschneiden der deutschen Großbanken muss nachdenklich stimmen. Sie betonen, dass es am speziellen Zuschnitt des Tests lag, dass das Ergebnis eigentlich besser ausfiel als erwartet, dass sie sich insgesamt als widerstandsfähig erwiesen hätten. Tatsache aber bleibt, dass sie zu den zehn schlechtesten unter 51 getesteten Instituten gehören. Und das in einer Volkswirtschaft, die zu den erfolgreichsten der Welt gehört, respektiert und beneidet für ihre Exportstärke. Deutsche Bank und Commerzbank konnten die Stärke der einheimischen Unternehmen nicht für sich nutzen, sie haben sich stattdessen im riskanten Investmentbanking und im gewinnarmen Privatkundengeschäft verzettelt und beim Onlinebanking den Anschluss verloren.

Auch acht Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise wirkt der gesamte europäische Bankensektor noch wie eine Baustelle, gerade im Vergleich zu den amerikanischen Großbanken. Das hat vor allem politische Gründe: Die US-Regierung unterzog ihre Kreditwirtschaft gleich nach Ausbruch der Finanzkrise einem harten Stresstest und zwang schwache Banken, Geld vom Staat aufzunehmen. Sie konnten schnell gesunden und machen inzwischen wieder hohe Gewinne.

In Europa kam zur Finanzkrise die Staatsschuldenkrise hinzu, die Banken zusätzlich belastete und die Aufräumarbeiten behinderte. Schuld daran sind auch die unterschiedlichen Interessen der europäischen Regierungen, die im Zweifelsfall die eigenen Banken schützen und so ihre Gesundung verhindern.

In erster Linie leidet der europäische Bankensektor darunter, dass er zu groß ist. Es gibt zu viele Institute, zu üppige Zentralen, zu viele Filialen, zu viele Mitarbeiter. Die Kosten sind zu hoch, gleichzeitig werden Einnahmemöglichkeiten immer geringer. Im Investmentbanking rentieren sich viele Geschäfte nicht mehr, weil sie zu viel Kapital verschlingen. Die Zinsen werden auf Jahre niedrig bleiben, sodass für die Banken eine wichtige Einnahmequelle wegfällt, gleichzeitig machen ihnen junge Firmen im Basisgeschäft zunehmend Konkurrenz.

Die größte Bedrohung für Europas Banken hat der Stresstest gar nicht getestet: Es ist der Mangel an aussichtsreichen Geschäftsmodellen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass es zu einer großen Bereinigung kommt. Die größten Veränderungen stehen der Branche erst bevor.

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