Kommentar:Beton mit Zucker

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Der Bund gibt denen, die ohnehin Wohnungen bauen, noch etwas obendrauf: eine Sonderabschreibung. Dabei gäbe es einen viel besseren Weg, um Mietern zu helfen.

Von Michael Bauchmüller

Was den Wohnungsbau angeht, ist Deutschland ein ziemlich merkwürdiges Land. Da schwingen mancherorts die Abrissbirnen, um bei alten Wohnblocks ganze Stockwerke mit überflüssigen Wohnungen abzurasieren. Die öffentliche Hand gibt Millionen dazu, "Stadtumbau" nennt sich das. Und da soll es, bleibt es bei den Plänen von Bund und Ländern, andernorts milliardenschwere Steueranreize geben, damit Zigtausende neue Wohnungen errichtet werden. Je nach Schätzungen müssten jährlich zwischen 300 000 und 400 000 neue Wohnungen entstehen - nur eben nicht da, wo Bagger die Wohnblocks rasieren. Leerstand und Wohnungsnot hausen in Deutschland Tür an Tür.

Die Lage ist Spiegel der Wanderungen im Land. Abgesehen von Großstädten im Ruhrgebiet verzeichneten in den letzten Jahren alle größeren Städte Zuwächse. München, Frankfurt, Leipzig, Münster - sie alle wuchsen allein zwischen 2008 und 2013 um mehr als sieben Prozent. Und solange es gute Jobs gibt, wird dieser Trend anhalten. Nur die Wohnungen werden dort knapp - während sie in ländlichen Regionen leer stehen. Denn von dort wandern nach wie vor Menschen ab, vor allem aus Ostdeutschland.

Abhilfe soll nun ein Steueranreiz bringen, die beliebte Sonderabschreibung. Wer eine neue Wohnung errichtet, kann damit 35 Prozent der Baukosten steuerlich geltend machen. Auf diesem Wege, so argumentiert das Bauministerium, lasse sich am ehesten privates Geld mobilisieren; an die 100 000 zusätzliche Wohnungen könnten so entstehen. Und weil in den Ballungsräumen die Not am größten ist, soll es die Förderung nur in Gegenden mit "angespanntem Mietmarkt" geben.

Fragt sich nur, ob es sie dort braucht.

An Bautätigkeit herrscht nämlich schon jetzt kein Mangel. Als das Statistische Bundesamt jüngst den Auftragseingang im Bauhauptgewerbe für den November erhob, stellte es die höchste Steigerungsrate seit Beginn der Aufzeichnungen 1991 fest: plus 15 Prozent. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres wurden hierzulande mehr als 220 000 neue Wohnungen genehmigt, ein Plus von 4,8 Prozent. Steuerliche Anreize gab es da noch nicht, wohl aber rekordverdächtig niedrige Zinsen - sie allein lassen den Bau schon seit Jahren boomen.

Der Staat hilft denen, die ohnehin Wohnungen bauen wollen, mit üppigen Sonderabschreibungen

Es liegt in der Natur der Dinge, dass Regionen mit großer Nachfrage dabei die beste Rendite versprechen: Die reinen Baukosten unterscheiden sich regional weit weniger als die Mieterlöse. Schon deshalb lohnt es sich für Investoren, neue Wohnungen in Ballungsräumen zu planen. Die Sonderabschreibung ist für sie wie Zucker auf Beton: eine öffentliche Dreingabe, die jeder gern nimmt.

Scheinbar hat die Förderung aber immerhin noch eine soziale Komponente, denn gefördert werden maximal Baukosten von 2000 Euro je Quadratmeter. Luxuswohnungen, die mehr als 3000 Euro je Quadratmeter kosten, fallen damit raus. Vor allem das "untere und mittlere Preissegment" werde so gefördert, wirbt die Bundesregierung. Allerdings kommen die Grundstückskosten noch obendrauf, denn die Fördergrenze bezieht sich allein auf die reinen Bau- und Herstellungskosten. Schon jetzt kostet in Ballungsräumen und Großstädten der Quadratmeter baureifer Grund 800 Euro und mehr, eine wachsende Nachfrage wird die Preise weiter steigen lassen. Ergo sagt die "soziale" Komponente noch lange nichts über die Höhe der Mieten. Das entscheidet ganz allein der Markt - und zwar wirklich ganz allein: Die Mietpreisbremse gilt nämlich nicht für Neubauten.

Investoren haben so doppelten Anreiz, in Großstädten zu bauen: Alle Prognosen sagen dort wachsende Nachfrage nach Wohnraum voraus, sowohl durch Zuzug aus dem Umland als auch durch Flüchtlinge, die in diesem Land Schutz suchen. Und der deutsche Staat macht daraus sogar noch ein Steuersparmodell. Wird das Gesetz, dürfen sich Bau- und Immobilienwirtschaft herzlich bedanken.

Nur denen ist nicht geholfen, die mit geringen Einkommen auf derlei angespannten Wohnungsmärkten ein Zuhause finden wollen. Denn auf eine Gegenleistung für den Steuerbonus, etwa in Form fixer Obergrenzen für die Mieten, wollen Bund und Länder verzichten. Schon jetzt hat in vielen Großstädten jeder zweite Haushalt Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein - nur mangelt es an den entsprechenden Wohnungen. Insofern war es richtig, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau im vorigen Jahr zu verdoppeln, und es wäre richtig, die Summe in diesem Jahr noch einmal ordentlich aufzustocken. In der Not hilft das allemal mehr als ein Steueranreiz für Wohnungen, die so oder so gebaut worden wären.

© SZ vom 09.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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