Kommentar:Ausverkauf nach China

Lesezeit: 2 min

Osram ist ins Visier Chinas geraten. Damit könnte erneut europäische Technologie in chinesische Hände gelangen. Auch Siemens ist hier in der Pflicht.

Von Caspar Busse

In einigen unserer Geschäfte geht die Sonne unter", stellte Olaf Berlien im vergangenen Jahr nüchtern fest. Aus dieser Erkenntnis hat der Vorstandsvorsitzende der Münchner Lichtfirma Osram harte Konsequenzen gezogen. Er hat dem Traditionsunternehmen eine radikale (und durchaus umstrittene) Kur verordnet, das gesamte Geschäft mit Glühbirnen, Halogen- und Energiesparlampen - seit Jahrzehnten der Kernbereich von Osram - wurde ausgegliedert und abgestoßen. Zurück bleibt ein Unternehmen, das sich auf wichtige Zukunftsmärkte und die Fertigung von LED-Halbleitern konzentrieren soll.

Nun aber könnte über Osram insgesamt die Sonne untergehen. Das Unternehmen ist ins Visier von Investoren aus China geraten. Nicht ausgeschlossen ist, dass Osram am Ende seine Unabhängigkeit verliert. Es habe bereits erste Kontakte gegeben, um eine Übernahme oder eine Kooperation auszuloten, teilte das weitgehend unbekannte und vergleichsweise kleine Halbleiterunternehmen San'an mit. Nun wird damit gerechnet, dass irgendwann ein offizielles Kaufangebot folgt. Osram-Chef Berlien dürfte davon keineswegs begeistert sein, auch wenn er jede Offerte natürlich vorbehaltlos prüfen muss. Seine Strategie war bislang auf Unabhängigkeit ausgerichtet.

Siemens als Großaktionär ist durchaus in der Pflicht, auf die Zukunft Osrams zu achten

Würde mit Osram der Ausverkauf deutscher und damit europäischer Technologie nach China weitergehen? Das könnte durchaus sein. Osram hat sich zuletzt durchaus einen Namen mit innovativen Lichtkonzepten gemacht. Erst in der vergangenen Woche haben die Münchner zusammen mit Daimler und Infineon ein neuartiges LED-Fernlicht vorgestellt, das die Fahrbahn vollständig ausleuchten kann, ohne dabei den Gegenverkehr zu blenden. Außerdem bietet Osram beispielsweise Systeme zur Iriserkennung an, mit dem etwa PC-Nutzer zuverlässlich identifiziert werden können, oder Bauteile für Virtual-Reality-Brillen. Die Münchner sind darüber hinaus ein wichtiger, wenn auch nicht entscheidender Lieferant für die deutsche Autoindustrie.

Könnte eine Übernahme von Osram durch chinesische Investoren verhindert werden? Eine schnelle gesetzliche Handhabe dagegen gibt es derzeit zumindest nicht. Die Osram-Aktien werden an der Börse gehandelt und können von jedermann erworben werden - anders übrigens als etwa in China. Das Außenwirtschaftsgesetz greift wohl nicht, da Sicherheitsbelange der Bundesrepublik kaum betroffen sind. Deutschland ist ein Land, das seit jeher von der freien Weltwirtschaft lebt. Die Politik hat immer gut daran getan, sich zurückzuhalten und nicht direkt zu intervenieren, solange nicht grundsätzliche Interessen berührt sind.

Wenn aber Technologie-Unternehmen massenweise nach China gehen, sollte das nicht mit einem Achselzucken hingenommen werden, sondern durchaus Anlass zur Besorgnis sein. Schon seit Langem suchen chinesische Firmen gezielt nach deutschen Hightech-Unternehmen. Der Augsburger Roboterhersteller Kuka etwa wurde von Midea übernommen, der Anlagenbauer Aixtron soll von Grand Chip Investment gekauft werden. Jetzt Osram - das Unternehmen mit 33 000 Mitarbeitern ist an der Börse immerhin fast sechs Milliarden Euro wert. Dahinter steckt durchaus ein Plan der Chinesen, die dann geschickt, wie zuletzt bei Kuka, weitgehende Garantien geben. Gleichzeitig schirmen sie ihren eigenen Markt immer stärker ab und bestehen immer deutlicher darauf, dass wichtige Technologiegüter in China und unter chinesischer Regie produziert werden, seien es Medizintechnikgeräte, Elektrofahrzeuge, Hochgeschwindigkeitszüge oder Flugzeuge.

Hier ist durchaus auch Siemens in der (moralischen) Pflicht. Osram war jahrzehntelang bis zur Abtrennung vor drei Jahren ein Teil des Weltkonzerns, noch heute liegen knapp 18 Prozent der Aktien bei Siemens. Auch wenn das nun nur noch eine Finanzbeteiligung ist, die zum Verkauf ansteht, sollte Siemens-Chef Joe Kaeser (der zuletzt mit Osram-Chef Berlien manches Scharmützel austrug) doch auf eine gesunde Zukunft Osrams achten. Die Versuchung ist natürlich groß, die Beteiligung mit einem guten Aufschlag schnell an die Chinesen loszuschlagen und ihnen damit eine gute Ausgangsbasis im Kampf um Osram zu verschaffen. Doch dürfen über einen kurzfristigen Gewinn nicht die langfristigen Folgen für den Standort vergessen werden.

Die USA übrigens sind rigoroser. Der Verkauf des Lichtgeschäftes von Philips an Chinesen ist am Widerstand der Amerikaner gescheitert. Die nationale Sicherheit der USA sei in Gefahr, wurde behauptet. Da die Niederländer auch in den USA aktiv sind, mussten sie sich fügen.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: