Umwelt:Deutschland spart beim Wasserschutz - auf Kosten aller

Salzabwasser in Werra und Weser

Ein Einleitungsrohr für Salzabwasser am Ufer der Werra

(Foto: dpa)

Die Landwirtschaft gilt als einer der größten Wasserverschmutzer in Deutschland. Die Bundesregierung tut kaum etwas dagegen. Es drohen EU-Strafen in Milliardenhöhe.

Kommentar von Silvia Liebrich

Hausfrauen mit revolutionären Ambitionen, das ist ein eher seltenes Phänomen. Dass sie gemeinsam in Streik treten, kommt noch seltener vor. Tritt dieser unwahrscheinliche Fall ein, kann es selbst für große Konzerne eng werden. Wie vor gut 40 Jahren, als sich viele Hausfrauen plötzlich weigerten, bekannte Waschmittelmarken zu kaufen. Der Grund dafür war offensichtlich, und er stank zum Himmel. Viele Flüsse in Deutschland glichen zu jener Zeit stinkenden und schäumenden Kloaken. Als einer der Hauptverursacher galten Phosphate in Waschmitteln. Proteste und Kaufboykotte von Verbrauchern zeigten Wirkung, Hersteller reduzierten innerhalb kürzester Zeit den Phosphatanteil.

Seit damals hat sich der Zustand der Gewässer wieder deutlich verbessert. Deutsche Flüsse und Seen gelten als so sauber, dass man darin baden kann. Einst verschwundene Fischarten wie der Lachs schwimmen wieder den Rhein hinauf, und Trinkwasser aus der Leitung weist mancherorts eine höhere Qualität auf als Mineralwasser aus der Flasche.

Das alles ist jedoch kein Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Viele der alten Probleme sind längst nicht gelöst, neue kommen hinzu. Mehr als tausend chemische Wirkstoffe, auch Spuren von Medikamenten, lassen sich inzwischen in Gewässern nachweisen. Viele davon bauen sich nicht auf natürliche Weise ab und können zu einem unkalkulierbaren Risiko für Mensch und Umwelt werden.

Die Wasserversorger bekommen das unmittelbar zu spüren. Sie müssen immer mehr Aufwand betreiben, um den unverzichtbaren Rohstoff zu reinigen. Und sie fühlen sich dabei von der Politik im Stich gelassen. Völlig zu Recht, denn der Gewässerschutz gehört zu den Themen, die die CDU/CSU-dominierte Bundesregierung in den vergangenen Jahren völlig vernachlässigt hat.

Tierhaltung und Pestizideinsatz müssen begrenzt werden

Das Problem dabei ist, dass manche Einträge, etwa Arzneimittelrückstände, nur schwer vermeidbar sind, andere dagegen schon. Beispiel Landwirtschaft. Sie gilt derzeit als einer der größten Wasserverschmutzer. Während die Industrie in den vergangenen Jahrzehnten mit strengen Auflagen belegt wurde, blieben Agrarbetriebe weitgehend verschont. Zeichen dafür sind auch die steigenden Mengen an Gülle und der hohe Einsatz von Pestiziden.

Hier helfen nur Obergrenzen für Tierzahlen in Ställen und beim Pestizideinsatz. Doch die dringend notwendigen Vorgaben werden von konservativen Politikern gemeinsam mit einer mächtigen Agrarlobby seit Jahren blockiert, weil man die treue Wählerschaft der Bauern nicht vergrätzen will.

Nach langem Zögern hat die EU Deutschland verklagt

Zahlen müssen für diese Versäumnisse am Ende die Verbraucher, während die Verursacher in der Landwirtschaft weitgehend verschont bleiben - und zudem noch mit hohen Subventionen bedacht werden. An dem Missstand wird auch die neue Düngeverordnung nichts ändern. Sie lässt so viele Ausnahmen zu, dass sie ungeeignet ist, die Mengen an Gülle auf Äckern und Wiesen zu verringern. Dabei wäre genau das notwendig, um die hohe Nitratbelastung zu senken, die viele Brunnen für die Trinkwassergewinnung inzwischen aufweisen.

Die EU hat Deutschland erst nach langem Zögern verklagt, obwohl die Grenzwerte für Nitrat seit Jahren überschritten werden. Meint es die Kommission ernst, dann wird sie weiter an ihrer Klage festhalten. Die Blockadehaltung der Bundesregierung in Sachen Nitrat könnte also auch in dieser Hinsicht für Deutschland teuer werden. Es drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Sollte es tatsächlich so weit kommen, werden auch diese Kosten einer verfehlten Politik der Allgemeinheit aufgebürdet und nicht jenen, die sie verursacht haben.

Wasser ist eine lebenswichtige Ressource, deren Schutz vor Einzelinteressen Vorrang haben muss. Sich darauf zu verlassen, dass es die gut 6000 kommunalen Wasserversorger schon richten werden, ist fahrlässig und falsch. Was Deutschland braucht, ist eine umfassende Strategie zum Schutz von Wasser, die alle Bereiche umfasst. Ausnahmen und halbherzige Vorgaben für einzelne Wirtschaftszweige wie die Landwirtschaft haben einen hohen Preis, den sich Deutschland auf Dauer nicht leisten kann.

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