Kommentar:Alles, was Spaß macht

Dunja Ramadan

Dunja Ramadan hat die ausgelassensten Feiern im Nahen Osten erlebt.

(Foto: Bernd Schifferdecker)

Saudi-Arabien will zum Unterhaltungsmekka werden. Doch die Modernisierung ist auch eine Mogelpackung - denn sie ist ausschließlich wirtschaftlich begründet.

Von Dunja Ramadan

Schon davon gehört: ein Elektrofestival in Saudi-Arabien? Eigentlich eine dieser Meldungen, von denen man dachte, man würde sie nicht mehr lesen. Doch im September vergangenen Jahres wanderten am saudischen Nationalfeiertag bunte Lichtkegel über die Menge wippender Männer in weißem Gewand und filmender Frauen in schwarzem Überkleid, dazu ohrenbetäubender Elektro-Beat. Die Al-Tahlia Straße in der Hauptstadt Riad sah fast so aus wie eine Hochburg der Raver-Szene. Gerade noch war es Frauen im ultrakonservativen Königreich verboten, Auto zu fahren und jetzt durften sie in aller Öffentlichkeit von einem Bein aufs andere tapsen? Verrückt, aber wahr. Riad will sein eigenes Unterhaltungs-Mekka - und zwar möglichst schnell.

Das Königreich plant, binnen eines Jahrzehnts 52 Milliarden Euro in einen bislang nicht vorhandenen Unterhaltungssektor zu investieren. Damit wollen die Herrscher in Riad die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Öl durchbrechen. Allein in diesem Jahr sollen 5000 Veranstaltungen im Land stattfinden: Die britische Band Maroon 5, der italienische Tenor Andrea Bocelli und der kanadische Zirkus Cirque du Soleil sind eingeladen. Auch ein Opernhaus soll gebaut werden. "Wir reden nicht über Pläne", sagte der Chef der Unterhaltungsbehörde, Ahmad Bin Aqeel Al Khatib, vollmundig bei einer pompösen Konferenz am Donnerstag in Riad. "Die Umsetzung hat begonnen, und wir werden weitermachen, bis wir das erhoffte Niveau und die höchsten internationalen Standards erreicht haben."

Saudi-Arabien als neuer place to be? Bislang gibt es noch nicht einmal die üblichen Reiseführer. Warum auch, erst seit Anfang des Jahres gibt es Touristenvisa. Doch die Herrscher, allen voran der Kronprinz Mohamed bin Salman, blicken missgünstig nach Bahrain und in die Vereinigten Arabischen Emirate, in denen sich die saudische Jugend am Wochenende regelmäßig vergnügt. Damit soll jetzt Schluss sein: Auch in Saudi-Arabien soll man künftig Spaß haben dürfen - und dabei bitte vor allem sein Geld dalassen.

Doch diese Modernisierung ist auch eine Mogelpackung, denn sie ist äußeren Umständen geschuldet: allen voran dem sinkenden Ölpreis. Sie ist eben nicht aus religiösem Reformwillen, sondern aus wirtschaftlicher Notwendigkeit entstanden. Kein innerer Prozess, angekurbelt aus der Mitte der Gesellschaft, den die Herrscher zur Kenntnis genommen haben. Und hier liegt das Problem: Zwar verliert der Wahhabismus seine Wirkung zunehmend in der Öffentlichkeit, so wurde auch die Macht der religiösen Sittenwächter auf der Straße beschränkt, doch wie sieht es in den eigenen vier Wänden aus?

Zwar haben Frauen nun mehr Freiheiten: Mädchen dürfen am Sportunterricht teilnehmen, Frauen dürfen ins Stadion, ins Kino und bald Auto fahren. Aber sie benötigen immer noch die Erlaubnis eines männlichen Verwandten, um zu studieren oder zu reisen. All das zeigt, dass die Saudis nur dann modernisieren, wenn etwas dabei herumkommt. Nichts weiter als eine Kosten-Nutzen-Analyse. Springen dabei Arbeitsplätze raus? Nein, dann ab zum nächsten Thema. Es gibt keine Modernisierung der Werte, sondern nur der Rahmenbedingungen.

Was aber passieren kann: dass die Öffnung von außen ein Vorbote für die Öffnung von innen ist. Wenn ein neues kulturelles Leben entsteht, wenn sich das Land für Touristen öffnet, dann besteht auch die Chance einer gesellschaftlichen Öffnung. Ein Schreckensgespenst für konservative Kleriker. Und ein Hoffnungsschimmer für all die saudischen Männer und Frauen, die an den Wochenenden sowieso schon machen, was sie wollen: auch Spaß haben. An diesem Wochenende sind sie vielleicht in der Heimat geblieben. In Riad gibt's das erste Jazz-Festival.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: