Gesundheit:Schafft die private Krankenversicherung ab

Es gibt viele Argumente gegen eine Zwei-Klassen-Medizin. Das drängendste: Sie ist sozial ungerecht. Auch für diejenigen, die auf privater Seite im System gefangen sind.

Kommentar von Katharina Kutsche

Wann immer es um die private Krankenversicherung geht, ihre Abschaffung gefordert wird, bemühen Kritiker die gleichen Bilder: das des Arztes, der sich mit Hilfe seiner Privatpatienten die Taschen vollpackt. Und das des privilegiert Versicherten, der sich ob seiner Chefarztbehandlung und des stationären Einzelzimmers über seine Rundum-sorglos-Versorgung freut. Dabei gerät oft aus dem Blick, dass es nicht wenige Menschen in Deutschland gibt, die ihre private Versicherung als große Last empfinden.

Zu Recht fordern Bürger und Politiker, dass es keine Zwei-Klassen-Medizin geben darf. Dass Privatpatienten nicht bevorzugt und umfänglicher behandelt werden dürfen als gesetzlich Versicherte. Wer aber die Krankenversicherung für alle Bürger gerechter machen will, sollte nicht nur von denen ausgehen, die im jetzigen System auf Händen getragen werden, sondern auch an die denken, die darin gefangen sind.

Die medizinische Überversorgung trifft auch jene, die sie sich nicht leisten können

Viele Privatpatienten kennen eher Argumente gegen als für ihre Versicherung. Da ist etwa der hohe Verwaltungsaufwand, der entsteht, wenn jede Arztrechnung geprüft, gegebenenfalls in der Arztpraxis reklamiert werden muss, die Leistungen aufgerechnet und mit Belegen bei der Versicherung eingereicht werden müssen. Ist jemand chronisch oder schwer erkrankt oder hat er etwa seine Kinder privat mitversichert, kann er mit der Abrechnung Stunden zubringen - und hat zu dem Zeitpunkt schon Tausende Euro ausgelegt. Ein Beispiel: Eine MRT-Untersuchung des Beckens kostet 800 Euro, für eine Mammografie werden rund 300 Euro beim Radiologen fällig. Da ist der überweisende Arzt mit seinen Leistungen nicht eingerechnet. Manche Patienten umgehen das, indem sie sich erst die Kosten erstatten lassen und dann den Arzt zahlen, Wochen später. Das ist eine unfaire Folge eines Systemfehlers.

Immer wieder berichten Privatversicherte, die eine Behandlung mit ihrer Versicherung abgestimmt haben, dass vorher getroffene Kostenzusagen zurückgenommen werden. Was die Versicherung nicht zahlt, müssen sie dann selbst tragen. Privilegien fühlen sich anders an.

Beamte, die knapp die Hälfte der Privatpatienten ausmachen, sind über die Beihilfe zwar tatsächlich bessergestellt als gesetzlich Versicherte, ihre Beiträge geringer. Doch auch sie trifft der zeitliche und finanzielle Aufwand, denn nicht alle Staatsdiener sind Studienräte mit Bezügen jenseits von A12. Auch die vielen Beamten im einfachen und mittleren Dienst müssen die teils hohen Beträge in Arztrechnungen zunächst auslegen, bevor sie sie zurückerstattet bekommen. Und auch da ist nicht gewährleistet, dass Beihilfe oder Versicherung nicht doch einen Anteil einbehalten.

Mehr als 103 000 Menschen werden im Notlagentarif der Privatkassen geführt, weil sie ihre Beiträge nicht mehr zahlen können, die private Versicherung aber nicht verlassen dürfen. Sie sind oft Patienten dritter Klasse, können bestimmte Behandlungen nicht in Anspruch nehmen. Dazu kommen rund 30 000 Menschen, die im Basistarif privat versichert sind. Der ist ein gesetzlich definiertes Produkt, das den Leistungskatalog nachbilden muss, den auch ein gesetzlich Versicherter bekommt. Das beinhaltet jedoch je nach Anbieter und Tarif oft hohe Selbstbeteiligungen von mehreren Tausend Euro im Jahr, das heißt, bis zu diesem Betrag zahlt der Versicherte seine Arztrechnungen ohnehin aus der Privatschatulle. Wer als Basistarifler stationär ins Krankenhaus muss, liegt nicht im Zweibettzimmer und bekommt die Chefärzte nicht zu Gesicht. Abgerechnet wird die DRG-Fallpauschale, die auch gesetzlich Versicherten zusteht. Mehr nicht.

Ebenfalls zu Recht weisen Experten daraufhin, dass die Versorgung von Privatpatienten oft eine Überversorgung ist, die medizinisch nicht notwendig ist, Geld verbrennt und eher schadet als hilft. Doch diese Überversorgung trifft eben nicht nur den Patienten, der sich eine private Krankenversicherung mit Zusatzleistungen gönnt, weil sein Gehalt so hoch ist, dass er es kann. Sondern sie ist auch ein Angstfaktor für all jene, die ihre Absicherung knapper kalkuliert haben, weil sie es müssen, Selbständige und Freiberufler etwa. Da kann schon im Wartezimmer Unsicherheit entstehen: Rechnet der Arzt richtig ab? Kann ich das beurteilen und reklamieren? Gerade wenn Mediziner einen höheren Satz wegen zusätzlichem Aufwand anlegen, wird es für Laien schwer, dagegen zu argumentieren. Auch das kann teuer werden. Es ist richtig, dass die private Krankenversicherung abgeschafft gehört. Aber eben nicht nur, um Privilegien zu nehmen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: