Kolumne:Was kommt

Was immer politisch in Athen passiert, die Türme der Großbanken am Main werden zu Wochenbeginn nicht wackeln.

Von Marc Beise

Wie geht es weiter mit Griechenland? Das ist die 300-Milliarden-Euro-Schulden-Frage, und sie wird auch am kommenden Montag nicht beantwortet sein. Wie auch immer das Referendum am späten Sonntagabend ausgehen wird, ob die Mehrheit der abstimmenden Griechen der Syriza-Regierung für deren "Nein" zum EU-Rettungsplan Unterstützung geben oder nicht - die Turbulenzen in der Euro-Zone werden weiter die Schlagzeilen bestimmen. Aus Athen und der griechischen Provinz, aus Berlin, Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten berichten SZ-Korrespondenten - und natürlich auch aus der Finanzhauptstadt Europas, aus Frankfurt am Main.

Die gute Nachricht: Was immer politisch in Athen passiert, die Türme der Großbanken am Main werden auch am Montag nicht wackeln (dort gibt es ganz andere Probleme, für die man ausnahmsweise nicht die Griechen verantwortlich machen kann - etwa den Kulturkampf in der Deutschen Bank, die sich seit Jahren müht, ihr Raubrittertum aus der Zeit der Finanzkrise glaubwürdig hinter sich zu lassen). Die Türme also werden nicht wackeln, dafür - und das ist die schlechte Nachricht - könnte sich der Machtkampf in der Europäischen Zentralbank (EZB) zuspitzen zwischen den geduldigen Euro-Rettern um den Präsidenten Mario Draghi und den Hütern der Prinzipien um Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Die EZB dehnt bei ihrer Unterstützung des griechischen Bankwesens ihr verfassungsrechtliches Mandat gerade bis zum Äußersten. So sehr, dass man mit fürchten muss, dass es reißt. Dann wäre das Vertrauen, das einflussreichste Kapital aller Kapitalorganisationen, endgültig dahin.

Eine offizielle Terminlage für den Machtkampf gibt es nicht. Eine EZB-Ratssitzung steht für nächste Woche nicht im Kalender - eine mögliche Notsitzung nach dem Hellas-Referendum aber ist immer drin. Und eine besondere Delikatesse könnte eine Konferenz am Donnerstag werden. Auf Einladung der Bundesbank diskutieren unter dem Titel "Turning points in history: How crises have changed the tasks and practice of central banks" namhafte Vertreter aus Politik, Notenbanken und Wissenschaft darüber, wie Wirtschaftskrisen die Rolle der Zentralbanken verändert haben. Mit dabei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und sein französischer Amtskollege Michel Sapin. Von wegen historisch. Topaktuell!

Andere Banker, andere Probleme: Am kommenden Donnerstag wird das Kölner Landgericht das Urteil in einem spektakulären Prozess fällen: Den Ex-Chefs der Privatbank Sal. Oppenheim drohen mehrjährige Haftstrafen. Einst waren sie vornehme Privatbankiers, die großen Wert auf das "i" in ihrer Berufsbezeichnung legten - im Prozess entpuppten sie sich als eher hemdsärmelige Geschäftsleute. So kann man vielleicht - wenn überhaupt - im Bereich Im- und Export erfolgreich sein, in der seriösen Kreditwirtschaft sind da - hoffentlich - die Bankenaufsicht und das Strafrecht vor. Das nennt sich dann zum Beispiel "gemeinschaftlich begangene Untreue in besonders schwerem Fall" - und genau über diesen Vorwurf haben die Richter in Köln in der kommenden Woche zu entscheiden.

Was noch? Der Kapitalismus ist tot, es lebe der Kapitalismus. Eine Woche lang waren wir in der gedruckten Zeitung und mit noch mehr Beiträgen im Netz dem herrschenden Wirtschaftssystem auf der Spur, das seine Kritiker mit pejorativem Tonfall gerne "Kapitalismus" nennen, während die Anhänger umgekehrt mit erkennbarer Sympathie lieber von "Marktwirtschaft" reden. Die Redaktion hat dabei ihre Pluralität unter Beweis gestellt: Viele teilweise sehr kritische Beiträge haben die Schwächen dieses Wirtschaftssystems aufgezeigt, Nikolaus Piper betont heute auf dieser Seite noch einmal seine Stärken. Und wie auch immer man es selbst sieht, an einem Umstand kommt niemand vorbei: Der Kapitalismus ist fast überall auf der Welt ziemlich lebendig.

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