Koalition verständigt sich:Bahn wird ohne Schienennetz privatisiert

Das Staatsunternehmen Deutsche Bahn soll spätestens 2009 teilweise privatisiert werden. Der Bund bleibt Eigentümer des Schienennetzes und der Bahnhöfe, um deren Betrieb kümmert sich weiterhin die DB.

Michael Bauchmüller und Klaus Ott

"Manchmal geschehen noch Zeichen und Wunder, das war der Durchbruch." Mit diesem Satz kommentierte der SPD-Bundestagsabgeordnete und Finanzpolitiker Claas Hübner das Ergebnis einer Koalitionsrunde zur Bahn am Mittwochabend in Berlin. Nach monatelangen Debatten einigten sich die Verkehrs- und Haushaltsexperten von CDU/CSU und SPD auf Eckpunkte für eine teilweise Privatisierung der Bahn, des letzten großen Staatsunternehmens in Deutschland. Noch in dieser Legislaturperiode, also spätestens bis zum Herbst 2009, sollen ein Anteil von maximal 49,9 Prozent an der DB AG an private Investoren verkauft oder an der Börse platziert werden.

Koalition verständigt sich: In der unendlichen Geschichte der Bahn-Privatisierung hat es endlich einen Durchbruch gegeben.

In der unendlichen Geschichte der Bahn-Privatisierung hat es endlich einen Durchbruch gegeben.

(Foto: Foto: ddp)

Zuvor wird das 34000 Kilometer lange Schienennetz rechtlich aus der DB AG herausgelöst. Es verbleibt laut Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) im Eigentum des Bundes. Das gelte "ohne wenn und aber", ergänzte der CDU-Abgeordnete Dirk Fischer. Der Bund werde zudem die Bahnhöfe und wahrscheinlich noch weitere Unternehmensteile wie die Energieversorgung und die Telekommunikation behalten. Um einen ungehinderten Zugang von DB-Konkurrenten zum Gleisnetz zu sichern, soll die Bundesnetzagentur gestärkt werden. Die Agentur, sie überwacht die Trassenvergabe, soll so den Wettbewerb auf der Schiene forcieren.

Minister Tiefensee erklärte, das Streckennetz werde ebenso wie die Stationen jedoch weiterhin von der DB AG betrieben. Außerdem solle die Bahn das Netz weiterhin in ihrer Bilanz ausweisen können. Die Diskussion um das richtige Modell für eine Privatisierung der Bahn sei nun zu Ende, sagte Tiefensee. Das Schienennetz war der größte Streitpunkt bei der jahrelangen Diskussion über die Zukunft der Bahn gewesen. Vorstandschef Hartmut Mehdorn hatte vehement dafür gekämpft, die Strecken und die Stationen in der DB AG behalten und einen "integrierten Konzern" an die Börse bringen zu können.

Die vorherige, von SPD und Grünen gestellte Bundesregierung hatte die seit langem geplante Privatisierung im Herbst 2004 verschoben, was damals bereits ein erheblicher Rückschlag für Mehdorn war. Nun ist der Einstieg privater Aktionäre zwar beschlossene Sache, das wird aber voraussichtlich nicht mehr in Mehdorns verbleibender Amtszeit bis Mitte 2008 geschehen; außerdem erwerben die Investoren keine Anteile am Schienennetz. Der CDU-Abgeordnete Fischer sagte, vor 2008 werde es "mit Sicherheit" keinen Verkauf von Anteilen geben, "eher etwas später". Viele Details seien noch zu klären. Das ist laut Koalitionsbeschluss jetzt Aufgabe des Verkehrsministerium, das bis Ende März 2007 einen mit den anderen Ressorts abgestimmten Entwurf für ein Privatisierungsgesetz vorlegen soll. Danach sind Bundestag und Bundesrat an der Reihe.

Kaum Geld für Expansion

Der geplante Bewirtschaftungsvertrag des Bundes mit der DB AG für die Strecken und die Stationen wird laut Beschluss zeitlich befristet. Zu klären ist außerdem noch, wie es möglich sein soll, dass die Bahn das Netz weiterhin in ihrer Bilanz ausweist. Vom Verkehrsministerium zu Rate gezogene Fachleute haben bereits auf erhebliche Probleme hingewiesen. Auch die Opposition im Bundestag hat Bedenken. Das Bundeskanzleramt hatte vor der Koalitionsrunde vehement auf eine Einigung gedrängt. Offenbar sollte vermieden werden, dass die Koalition sich ähnlich wie bei der Gesundheitsreform verzettelt.

Für Bahnchef Mehdorn kommt das Ergebnis einem erheblichen Rückschlag gleich. Er muss auf das Eigentum am Netz verzichten, die darauf lastenden Schulden sollen aber bei der Bahn bleiben. Außerdem vereinbarten Union und SPD, dass "neue Schuldenrisiken" für den Bundeshaushalt ausgeschlossen werden sollen. Nach Angaben aus Koalitionskreisen muss sich Mehdorn auch darauf einstellen, dass er keine Privatisierungserlöse für seine Expansionspläne bekommt. Ein Teil der Einnahmen solle in das Schienennetz fließen, den anderen Teil reklamiere Finanzminister Peer Steinbrück für den Bund, hieß es. Mehdorn hatte in einem Brief an Uwe Beckmeyer, SPD-Abgeordneter und Verkehrsexperte seiner Fraktion, zwei bis drei Milliarden Euro gefordert. Damit solle eine Lücke bei den Investitionen in den Ausbau des internationalen Geschäfts geschlossen werden.

Mehdorn will bis zu 12,5 Milliarden Euro für die Übernahme osteuropäischer Staatsbahnen, den Kauf von Transport- und Logistikunternehmen und weitere Vorhaben ausgeben. In Bahnkreisen ist von Anfragen aus Estland, Lettland und Slowenien die Rede.

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