Klimawandel:Große Ziele

Die Norweger sollen sich im Jahr 2025 nur noch emissionsfreie Autos und Hybride neu anschaffen. Wie sie das erreichen wollen, ist bisher noch offen. Das Land müsste noch mehr als 20 000 Elektrotankstellen bauen, um seine Ziele zu erreichen.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Zuerst gab es diese Schlagzeile. Die Regierungsparteien in Oslo hätten sich geeinigt, schrieb die norwegische Tageszeitung Dagens Næringsliv im Juni: "Stoppt den Verkauf von Diesel- und Benzinautos bis 2025."Der Satz nahm die halbe Titelseite ein. Dann schickte Elon Musk, Chef des Elektroauto-Herstellers Tesla, noch ein Foto von dieser Titelseite über Twitter. "Gerade gehört, dass Norwegen den Verkauf von Kraftstoff-Autos 2025 verbietet", übersetzte er nicht ganz richtig. "Was für ein unglaublich großartiges Land." Das Märchen vom Auto-Verbot ging um die Welt. Kurz darauf kam die Richtigstellung aus Oslo.

Was die Norweger tatsächlich planen, ist in der Aufregung etwas untergangen. Das norwegische Parlament hat sich nicht auf ein Verbot, dafür aber auf ein anderes ehrgeiziges Ziel geeinigt: Die Norweger sollen sich im Jahr 2025 nur noch emissionsfreie Autos und Hybride neu anschaffen. Wie sie das erreichen wollen, ist offen.

Zu den Missverständnissen kam es auch, weil verschiedene Pläne zusammenkommen. Der wortwörtliche Beschluss des Parlaments lautet eigentlich anders: Darin wird die Regierung aufgefordert, verbindliche Zahlen für emissionsfreie und emissionsarme Autos, Lastwagen und Busse im nationalen Verkehrsplan festzulegen, über den die Parlamentarier abstimmen müssen. Es sollen Zahlen sein, mit denen Norwegen seine Klimaziele erreicht. Die Zahlen stammen von den vier norwegischen Transportbehörden für Luft, See, Schiene und Straße, die den Verkehrsplan mit entworfen und errechnet haben: Damit die Norweger ihre Klimaziele erreichen, müssten laut dieser Berechnungen 100 Prozent aller Privatwagen, die sie 2025 kaufen, Elektro- oder Wasserstoffautos sein. Außerdem müssten beispielsweise alle neu angeschafften Lkw bis 2030 emissionsfrei sein.

NOR NORWEGEN AKSDAL 2016 6 11 Elektrofahrzeuge auftanken Elektro Tankstellen Im Areal des Aksd

Für jeden was dabei: Tankstelle für E-Autos und Benziner in Südnorwegen.

(Foto: Ludwig Heimrath/imago)

"Das Ziel ist entschieden. Wie wir es erreichen, muss noch diskutiert werden", sagt Tina Bru von der konservativen Regierungspartei Høyre und Vize-Chefin des Energie- und Umweltausschuss. Die Regierung arbeitet bereits an einer Steuerreform für den Transportsektor. Es soll "ökologisch immer schlauer ist, den grünen Weg zu wählen", erklärt Bru. Für Autofahrer heißt das wohl, dass Wagen mit Verbrennungsmotoren werden deutlich teuer werden. Bru sagt, ein Verbot werde hoffentlich nie notwendig, "weil es so unattraktiv wird, einen Benziner zu kaufen, dass das sowieso niemand tun möchte".

Norwegens Regierung fördert Elektroautos bereits seit Jahren massiv. Beim Kauf erlässt sie die Mehrwertsteuer komplett. Auch die hohe Registrierungssteuer, im Schnitt umgerechnet knapp 11 000 Euro, fällt bei emissionsfreien Wagen weg. Das Elektroauto ist dadurch oft mehrere tausend Euro billiger als ein vergleichbares Modell mit Benzin- oder Dieselmotor.

Deswegen ist bereits heute fast jedes fünfte Auto, das die Norweger kaufen, ein Elektroauto. Eigentlich wollte die Regierung diese so lange fördern, bis 50 000 E-Mobile registriert sind. Nun fahren in Norwegen bereits mehr als 90 000, zehn mal so viele wie vor vier Jahren. Zählt man die Steckdosenhybride dazu, sind es sogar fast 120 000. Ein großer Erfolg, aber auch eine große Einnahmelücke für die Regierung. Die Steuervorteile für E-Autos sollten deswegen 2018 reformiert werden.

Leerstelle

Wie sich mit Elektroautos die Klimabilanz aufbessern lässt, treibt auch die deutsche Bundesregierung um. Schließlich feilt sie gerade an einem "Klimaschutzplan 2050", der das Land von nahezu allen Treibhausgasen entwöhnen soll. Allerdings hat sie bisher schon so tüchtig an dem Plan gefeilt, dass von den E-Auto-Ideen kaum noch etwas übrig ist. Weit mehr als sechs Millionen strombetriebene Autos, so hieß es in ersten Entwürfen, sollten im Jahr 2030 hierzulande unterwegs sein. "Dies bedeutet, dass bis 2030 der weit überwiegende Teil der neuzugelassenen Pkw über einen elektrischen Antrieb verfügt." Diesen Satz sucht man mittlerweile vergeblich. Stattdessen strebt die Regierung im aktuellen Entwurf für den Plan nur noch eine "signifikante Absenkung" der Auto-Emissionen an. "Die Elektrifizierung der Neuwagenflotte wird dabei einen maßgeblichen Beitrag leisten." Ein interner Plan aus dem Umweltministerium wird da deutlicher: "Im Jahr 2030 neu verkaufte Pkw", so heißt es dort, "sollten emissionsfrei betrieben werden können." Selbst eine "Weiterentwicklung" der Ökosteuer ist dort nicht tabu - wohl aber ist sie das in dem Klimaschutzplan, den das Kabinett im November verabschieden will. Allerdings war das mit den Zielen beim Elektroauto schon immer so eine Sache. Sechs Millionen Autos bis 2030 wollte schon die schwarz-gelbe Koalition 2010. Aus jenem Jahr stammt auch die Idee, bis 2020 mindestens eine Million E-Autos auf die Straße zu bringen. Inzwischen gibt es zwar eine Kaufprämie und ein Programm zur Förderung von Ladesäulen, von der Million aber spricht im Spätsommer 2016 keiner mehr. Im August gab es unter 245 000 neuen Autos ganze 856 elektrische Neuzulassungen. Das informelle Ziel für 2020 heißt jetzt: 500 000 Autos. Michael Bauchmüller

"Es gibt keinen Zweifel, dass emissionsfreie Autos eine viel geringere Besteuerung haben sollten als normale Autos", sagt Ola Elvestuen von den Liberalen, Leiter des Energie- und Umweltausschuss im Parlament. Weil es aber mehr und mehr E-Autos würden, müssten sie irgendwann ins System einzahlen. Genau das ist eine der Schwierigkeiten. Wann ist die Technologie, die Batterie, die Reichweite so gut, dass sie ohne Förderung attraktiv sind? Elvestuen weiß, dass neun Jahre nicht viel Zeit sind, um alle Auto-Käufer vom E-Auto zu überzeugen. "Aber wir können zeigen, dass es in so kurzer Zeit möglich ist und dass die Autoindustrie sich diese Entwicklung genau anschauen muss."

Wichtig ist vor allem die Infrastruktur. Der Norsk elbilforening, eine Art norwegischer ADAC für E-Mobile, möchte bis 2020 für jedes zehnte Elektroautos eine öffentliche Ladestation haben. Bei 250 000 möglichen norwegischen E-Autos bis 2020 wären das 25 000 Ladestationen. Im Jahr 2015 gab es allerdings erst etwa 1350. Auch Tankstellen für Wasserstoff-Autos fehlten, sagt Nils Sødal vom Automobilclub NAF. Es gebe sie eigentlich nur in und um Oslo, und auch dort viel zu wenige. Das neue Ziel des Parlaments hält Nils Sødal zwar für machbar, "aber dann müssen noch einige Dinge getan werden, und es ist nicht mehr viel Zeit". Die Hauptsorge der norwegischen Autofahrer sei aber eine andere: Sei fragten sich, ob sie ihren gebrauchten Benziner nun überhaupt noch loswerden.

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