Klimaschutzplan:Unternehmen fordern mehr Klimaschutz

Europas Endspurt vor der Weltklimakonferenz

Rauch und Dampf steigen aus den Kühltürmen und Schornsteinen des RWE-Braunkohlekraftwerks Neurath bei Grevenbroich (Nordrhein-Westfalen) auf.

(Foto: dpa)
  • Erstmals melden sich im zähen Ringen um einen Klimavertrag Firmen zu Wort - und das pro Klimaschutz.
  • Hundert Prozent erneuerbare Energien könnten, glauben die Unternehmen, eine weltweite Ausstrahlung entfalten
  • Bislang hatten sich aus der Wirtschaft vor allem Kritiker geäußert, der Wirtschaftsrat der Union warnte zwischenzeitlich vor einem "Horrorkatalog"

Von Michael Bauchmüller, Berlin

In Marokko stehen die Zeichen dieser Tage ganz auf Grün. Auf einem Hügel der Hauptstadt Rabat, gleich beim Königs-Mausoleum, wird der Hassan-Turm abends grün angestrahlt. In Marrakesch lädt die Regierung für diesen Montag zum Flashmob mit anschließender Lichtshow: als bunter Auftakt zum zweiwöchigen Klimagipfel. Im grauen Berlin brüten zur gleichen Zeit Staatssekretäre über Deutschlands Beitrag zu der Klimakonferenz: den "Klimaschutzplan 2050".

Er soll den Abschied von fossilen Energien vorbereiten, ganz im Sinne des Klimavertrags von Paris. Ein zähes Ringen ist entbrannt, seit Wochen wird verhandelt. Erstmals melden sich aber nun Firmen zu Wort - und das pro Klimaschutz. "Für Unternehmen und Investoren ist von hoher Bedeutung, dass der Klimaschutzplan eindeutige Signale gibt, dass die in Paris gemachten Zusagen umgesetzt werden", heißt es in einem Aufruf von knapp 40 Firmen, der der Süddeutschen Zeitung  vorliegt.

Bislang hatten sich aus der Wirtschaft vor allem Kritiker geäußert. Der Wirtschaftsrat der Union warnte zwischenzeitlich vor einem "Horrorkatalog", der Industrieverband BDI sprach von "überhasteten Vorschlägen". Zuletzt machte der Wirtschaftsflügel der Union "grundsätzliche Vorbehalte" geltend und verschickte gleich eine 58-seitige Tabelle mit Änderungsvorschlägen ans Kanzleramt.

Der Aufruf der Unternehmer dagegen stellt nun die Chancen in den Vordergrund. So brauche es für die einzelnen Wirtschaftsbereiche, etwa Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und den Baubereich, jeweils klare Klimaziele. Diese müssten vorgeben, wie viel Kohlendioxid dort bis 2030 noch ausgestoßen werden darf. "Nur so können neue Geschäftsmodelle und konkrete Pläne zur Dekarbonisierung entwickelt werden", heißt es in dem Aufruf. Klare Signale seien entscheidend, "damit sich Unternehmen auf die Zukunft vorbereiten können".

Auf den letzten Metern wird der Streit um den Plan schärfer

Zu den Unterzeichnern zählen die Commerzbank und der Baukonzern Hochtief, die Energieversorger EnBW und MVV Energie, aber auch der Händler Metro, die Deutsche Telekom und die Sportartikler Adidas und Puma. Ziel müsse der "zügige Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien" sein, fordern die Unternehmen. Ein solcher Plan könne "weltweit Ausstrahlung entfalten und wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands in den nächsten Jahrzehnten beitragen".

Doch auf den letzten Metern wird der Streit um den Plan schärfer. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) bezeichnete ihn am Wochenende als "katastrophale Fehlentscheidung". "Wenn die Energieproduktion aus Braunkohle zerstört wird, ist das Scheitern der Energiewende garantiert." Hintergrund ist ein neuer Entwurf des Plans, der am Freitag bekannt geworden war - und der vor allem die Vorgaben für die Kohle verschärft. Erstmals ist darin von einem "Mindestpreis" für den Ausstoß klimaschädlicher Gase die Rede - er träfe vor allem Braunkohlekraftwerke. Sie stoßen besonders viel CO₂ aus.

Auch die Ziele für einzelne Wirtschaftsbereiche, für die der Unternehmeraufruf wirbt, finden sich im neuen Entwurf wieder. Die allerersten internen Papiere des Umweltministeriums sahen sie schon vor - doch dann verschwanden sie stillschweigend. "Es braucht genau solche konkreten Vorgaben, damit Branchen wie die Autoindustrie endlich ernsthaft den Kurswechsel einleiten", sagt Christoph Bals, Chef der Entwicklungsorganisation Germanwatch. "Für die deutsche Wirtschaft ist das wichtig.

Sonst verschläft sie den Wandel." Experten sehen das ähnlich. Am Sonntag meldete sich aus London Lord Nicholas Stern zum deutschen Klimaplan zu Wort, einer der weltweit führenden Klima-Ökonomen. "Das Gebot der Stunde ist ein klarer Pfad für den Umbau und ein starkes Bekenntnis dazu." Die nötigen Investitionen seien "die Wachstumsstory der Zukunft", die Chancen "enorm". Sich dafür einzusetzen, sagte Stern, könne man von einem Klimavorreiter wie Deutschland ja wohl erwarten.

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