Klimaschutz:Vorbei die Pause

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Forscher haben erhoben, wie viel schädliche Treibhausgase in diesem Jahr weltweit wohl emittiert werden. Das Ergebnis ist ernüchternd.

Von Michael Bauchmüller, Bonn

Xie Zhenhua ist ein freundlicher, mächtiger Mann. Wenn er lächelt, strahlt das ganze Gesicht - und doch wissen seine Gesprächspartner nie, was hinter dem Lächeln steckt. Xie ist Chinas Chefdiplomat bei den Klimagipfeln, er gilt als harter Hund. Am Montag aber ist er mal wieder Klimaschützer. Der Kampf gegen die Erderwärmung sei auch beim 19. Parteitag der Kommunistischen Partei ein Riesenthema gewesen, erzählt er. "Damit werden wir auch die Entwicklung Chinas stärken." Mehr noch: Peking wolle eine "grüne Politik". "Das muss zur Leitlinie unseres politischen Handelns werden."

Und da bleibt noch einiges zu tun.

Ebenfalls am Montag hat das Global Carbon Project, eine Vereinigung von 76 Wissenschaftlern aus aller Welt, neue Zahlen zu den globalen Emissionen vorgelegt. Nach einer ersten Schätzung könnten die im laufenden Jahr um zwei Prozent zulegen. Hauptgrund für das Wachstum: China. "Und verschiedene Faktoren weisen drauf hin, dass sich dies im nächsten Jahr fortsetzt", sagt Robert Jackson, einer der Autoren des Reports.

Die schlechte Luft macht immer mehr Menschen zu schaffen, etwa in Indien. Als Hauptverursacher gelten neben dem Verkehr vor allem die noch immer steigende Zahl von Kohlekraftwerken. (Foto: imago/Hindustan Times)

Die Prognose lässt eine Hoffnung vieler Klimaschützer jäh zerplatzen. Drei Jahre lang hatten die globalen Emissionen zuletzt stagniert - auch wegen des gesunkenen Kohlekonsums in China. Viele sahen darin schon das erste Anzeichen einer globalen Trendwende, hin zu schrumpfenden Emissionen. "Das ist sehr enttäuschend", sagt Corinne Le Quéré, Direktorin des britischen Tindall Centers für Klima-Forschung. "Die Zeit, um die Temperatur unter zwei Grad zu halten, läuft ab. Geschweige denn, unter 1,5 Grad Celsius."

Für die Verhandler beim Klimagipfel in Bonn sind diese Zahlen der Maßstab. 2015 hatten sich die Staaten im Klimaabkommen von Paris darauf verpflichtet, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad zu begrenzen - nach Möglichkeit aber auf 1,5 Grad. Darauf pochen vor allem kleine Inselstaaten, die am stärksten unter steigenden Meeresspiegeln zu leiden haben. Einer von ihnen, die Fidschi-Inseln, leitet auch die Konferenz in Bonn.

Nach Berechnungen der Klimaforscher werden 2017 durch menschliche Aktivitäten rund 41 Milliarden Tonnen Kohlendioxid verursacht. Zum Vergleich: Nach Berechnungen des Berliner Mercator-Instituts für globale Gemeingüter bleiben derzeit vom globalen Kohlenstoff-Budget noch 725 Milliarden Tonnen übrig. So viel könnte die Menschheit im Laufe dieses Jahrhunderts noch emittieren, ohne das Zwei-Grad-Ziel zu verfehlen. Mit Emissionen wie in diesem Jahr wäre dieses Budget allerdings schon im Jahr 2035 aufgebraucht. "Wir müssen den Höhepunkt der globalen Emissionen in ein paar Jahren erreichen", sagt Tindall-Forscherin Le Quéré, "und sie danach rapide senken."

Auch in Europa, wie hier in Spanien, leiden die Menschen unter schlechter Luft. (Foto: David Ramos/Getty Images)

Vor allem auf China ruhen dabei große Hoffnungen - und damit in Bonn auf Xie. Doch bisher hat China nur versprochen, bis 2030 den Gipfel seiner Emissionen zu erreichen, erst danach sollen sie sinken. "Wir können sagen, dass wir dieses Ziel sehr wohl erreichen werden", verspricht Xie. Womit der freundliche Diplomat die aktuellen Schätzungen bestätigt: Denn 2017 könnte Chinas Ausstoß an Treibhausgasen wieder um 3,5 Prozent steigen, errechneten die Forscher. Grund dafür sei eine höhere Industrieproduktion und damit der wieder wachsende Einsatz von Kohle. Auch in Indien wachsen die Emissionen um zwei Prozent - damit allerdings weit weniger als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre, in denen der Ausstoß jährlich um sechs Prozent zulegte.

In der EU gingen die Emissionen zwar zurück - aber deutlich langsamer als zuvor

In den USA hingegen dürften die Emissionen schrumpfen, ungeachtet aller Ankündigungen von Präsident Donald Trump. Die Forscher gehen von einem Minus von 0,4 Prozent aus; was allerdings deutlich schwächer ist als in den zehn Jahren davor, als die Emissionen im Schnitt um 1,2 Prozent sanken. Auch in der EU gingen die Emissionen nur um 0,2 Prozent zurück - nach 2,2 Prozent in den zehn Jahren zuvor. Zwar wuchs die Wirtschaft überall schneller als die Emissionen. Aber die Vollbremsung bei den Treibhausgasen wirkt plötzlich wieder weit, weit weg.

Für Umweltschützer sind das Alarmsignale. "Klimaschutz braucht jetzt kein weiteres Bekenntnis, sondern endlich effektive Maßnahmen und zu allererst den Kohleausstieg", sagt Ann-Kathrin Schneider, die für den Umweltverband BUND die Verhandlungen in Bonn verfolgt. "Nur mit der Abkehr von Kohle, dann Öl und Gas kann der globale CO₂-Ausstoß schnell und radikal gesenkt werden." Industriestaaten wie Deutschland seien da besonders gefordert.

Immerhin sehen aber auch die Forscher vom Global Carbon Project ein paar Hoffnungszeichen. So sei es in 22 Ländern weltweit gelungen, mit weniger Kohlendioxid ein höheres Bruttosozialprodukt einzufahren. Die Länder umfassen ein Fünftel der globalen Treibhausgas-Emissionen. Die erneuerbaren Energien wüchsen mittlerweile mit jährlich 14 Prozent - und verdrängten so auch Kohlestrom.

Unterhändler Xi wiederum bedankte sich am Montag herzlich bei Deutschland. "Wir haben von Ihrem Land sehr viel lernen können", sagte er freundlich. "Auch bei den Sachen, die nicht so gut gelaufen sind."

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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