Klimaschutz:Tue Gutes und rede darüber

Lesezeit: 4 min

Frankreichs Präsident veranstaltet seinen eigenen Gipfel: Investoren sollen Milliarden bereitstellen, um nach dem US-Ausstieg das Abkommen gegen die Erderwärmung zu retten. Das ist gut fürs Image.

Von Michael Bauchmüller und Leo Klimm, Berlin/Paris

In Grönland erkundet die US-Regierung seit neun Jahren, wie sich das arktische Eis verändert. Die Arktis ist eine der Regionen, die am härtesten vom Klimawandel getroffen sind. (Foto: Mario Tama/AFP)

Der erhabene Moment, er liegt an diesem 12. Dezember genau zwei Jahre zurück. Mit einem grünen Holzhammer hatte Frankreichs damaliger Außenminister Laurent Fabius das Pariser Klimaabkommen besiegelt. Es war der Durchbruch - eine Chance, den Planeten vor der Überhitzung zu retten. Seitdem ist "Douze Douze", Französisch für den Zwölften Zwölften, im Klimaschutz-Jargon zur feststehenden Wendung geworden für ein Datum, an dem Großes gelingen kann.

Zwei Jahre nach dem Gipfel sind die Dinge allerdings längst nicht mehr so groß, wie viele hofften. Donald Trump hat angekündigt, dass die USA das Abkommen verlassen. Die klimaschädlichen Emissionen steigen wieder anstatt zu sinken. Bei den versprochenen Finanzhilfen der reichen Staaten klafft ein Loch. Das Ziel, die Erderwärmung womöglich bei 1,5 Grad Celsius, höchstens aber bei zwei Grad zu stoppen, liegt in weiter Ferne. Zeit für den nächsten Pariser Gipfel, Zeit für ein neues "Douze Douze".

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lädt dazu an diesem Dienstag nach Paris und stellt die alles entscheidende Frage der Finanzierung in den Mittelpunkt: Staaten, Unternehmen und Stiftungen sollen freiwillig - also ohne den zwischenstaatlichen Vertrag einer Uno-Konferenz - vorangehen und sich zu klimafreundlichen Investitionen und zum Ausstieg aus umweltschädlichen Anlagen verpflichten. So will Macron das Pariser Abkommen doch noch retten.

Es geht um viel Geld - und um die Zukunft des Klimaabkommens

"Auch nach Trumps Abkehr ist der Wille bei vielen US-Akteuren ungebrochen", heißt es trotzig im Umfeld des französischen Präsidenten. Natürlich geht es ganz nebenbei auch um Macron selbst: Der inszeniert sich seit Trumps Ausstieg als eine Art Welt-Klima-Präsident und bedient sich ironisch der Diktion des US-Kollegen. "Make our planet great again!", lautet Macrons Slogan. Beim "One Planet Summit" diesen Dienstag in einem nagelneuen Konzerthaus auf einer Seine-Insel geht es auch um das Image des Präsidenten und der beteiligten Unternehmen und Institutionen.

Formale Beschlüsse werden dort dagegen nicht gefasst. Dennoch ist der Gipfel hochkarätig besetzt, rund 50 Staats- und Regierungschefs haben sich angesagt - allerdings nicht die deutsche Kanzlerin, die sich von Umweltministerin Barbara Hendricks vertreten lässt. Zu den Teilnehmern gehören Bankchefs, Industriebosse, Bürgermeister von Großstädten in aller Welt und der umweltbewegte Hollywood-Star Leonardo DiCaprio.

"Das ist nicht nur eines von den üblichen hochkarätigen Treffen", sagt Weltbank-Präsident Jim Yong Kim, der als Mitveranstalter auftritt. "Sondern es versammelt Leute, die normalerweise nicht zusammenkommen, erst recht nicht zur Klimapolitik." Man wolle endlich das nötige Geld aufbringen. "Bisher reicht das Geld nicht im Entferntesten, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen", sagt Kim.

Welche Summen nötig wären, um die Welt auf einen klimafreundlichen Kurs zu bringen, darüber kursieren wilde Zahlen. Gängige Maßeinheit sind Billionen Dollar pro Jahr. Doch schon beim offiziellen Ziel, jährlich 100 Milliarden Dollar aus öffentlichen und privaten Mitteln zusammenzubringen, bekommt die Staatengemeinschaft Probleme. Trump hat alle weiteren US-Mittel gestrichen. So richtet sich das Augenmerk auf private Geldgeber.

Das liegt auch daran, dass etwa Investitionen in erneuerbare Energien nicht mehr nur ein Marketing-Instrument sind - mittlerweile rechnen sie sich durchaus. Weil die Preise für Windräder, Solarzellen oder Batteriespeicher seit Jahren fallen, werden Investitionen zunehmend auch für Unternehmen attraktiv, die über viel Kapital verfügen und dafür gute Rendite suchen. Können sie die Risiken von Projekten in Entwicklungsländern senken, ließen sich etwa mit Hilfe der Entwicklungsbanken Milliarden in saubere Kanäle lenken. Und die Billionen, sagt Weltbank-Chef Kim, sähen dann gar nicht mehr so unerreichbar aus. "Es gibt da riesige Geschäftsmöglichkeiten", wirbt er.

Es bahnen sich schon viele Initiativen an: In der Gruppe "Climate Action 100+" formieren sich Großaktionäre mit dem Ziel, die klimaschädlichsten Unternehmen zum Kurswechsel zu drängen. Auch große Stiftungen wie die von Bill und Melinda Gates planen Ankündigungen. Der neue "Douze Douze" wird so zu einem Jahrmarkt des grünen Geldes. "Im internationalen Klimaregime sind Finanzmittel die Vertrauens-Basis Nummer eins", sagt Lucile Dufour, die für das Umwelt-Netzwerk CAN France den Gipfel verfolgt. "Wir erwarten, das Frankreich da eine Führungsrolle übernimmt."

Die französische Regierung formuliert ohnehin den Anspruch, Paris "zur Hauptstadt des Klimas, der Forschung und der grünen Finanzgeschäfte" machen. Wichtige Finanzkonzerne folgen Macrons Drängen bereits. BNP Paribas, die größte Bank der Euro-Zone, verkündete etwa kürzlich, keine Schieferöl-Unternehmen mehr zu finanzieren. Auch mit Kohlekraftwerken und Kohleminen macht BNP kein Geschäft mehr. Dafür investiert das Geldhaus bis 2020 15 Milliarden Euro in erneuerbare Energien. Ankündigungen in ähnlicher Größenordnung werden am Dienstag von Axa erwartet, neben der Allianz der größte Versicherer der Welt. Fast hundert französische Konzerne - darunter die Autohersteller PSA und Renault oder der Pharmakonzern Sanofi - erhöhten am Montag ihre CO₂-Einsparziele und kündigten an, in den nächsten drei Jahren 60 Milliarden Euro in erneuerbare Energien zu investieren.

Aber auch für Atomkraft und für Gaskraftwerke wird der Pariser Unternehmensverbund Milliarden ausgeben. Und das Geschäft mit den großen Mineralölkonzernen bleibt von all diesen Initiativen sowieso weitgehend unberührt. Nicht nur deshalb warnen manche Nichtregierungsorganisationen, es dürfe am Dienstag nicht bloß um Imagepflege gehen: "Unsere Botschaft für diesen Gipfel ist, dass unsere Regierung aufhören muss, so viel Theater um das Klima zu machen", heißt es bei Greenpeace.

Für Macron dürfte das politische Kalkül dennoch aufgehen. Wie weiland Helmut Kohl hat er erkannt, welchen Glanz die Klimadiplomatie auf der internationalen Bühne verschaffen kann. Nicht von ungefähr kündigte Macron den "One-Planet"-Gipfel just nach dem G-20-Gipfel in Hamburg an - gerade dann, als sich die USA abermals beim Klimaschutz isoliert hatten.

In Paris versteht man sich eben durchaus auf vollmundige Ankündigungen. Nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber. Beim UN-Klimagipfel in Bonn vor wenigen Wochen versprach Macron denn auch feierlich den Abschied Frankreichs von Kohlekraftwerken - in einem Land, in dem die Kohle gut ein Prozent zum Strom beiträgt. Und unter großem Beifall kündigte der junge französische Präsident an, den amerikanischen Finanzierungsanteil am Weltklimarat IPCC zu übernehmen. "Ihnen wird kein einzelner Euro fehlen", rief Macron.

Das Symbol war groß, der Preis dafür klein: Es geht um zwei Millionen Euro. Und zahlen soll nicht Frankreich allein, sondern die gesamte EU. Das aber ging im Applaus unter.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: