Klimaschutz:Treibhauseffekt

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Wie sich ein Notfallplan der Regierungt als Konjunkturpaket erweisen könnte.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wenn Wolfgang Frey seine Botschaft unters Volk bringen will, dann ist ihm nichts zu teuer. Auf offener Bühne setzt er notfalls auch einen Geldschein in Flammen. "Wir verbrennen jeden Tag Geld", sagt er dann. In Gebäuden. Frey ist Architekt in Freiburg, rastlos zeichnet sein Büro umweltfreundliche Häuser. Gerade entsteht auf dem Gelände eines ehemaligen Güterbahnhofs in Freiburg der "Smart Green Tower", ein 51 Meter hohes Gebäude, das mit Solarzellen mehr Energie erzeugt, als es verbraucht. "Wir werden das Klima bestimmt nicht retten, wenn wir so weiterbauen wie bisher", sagt Frey.

Im "Klimaaktionsplan" der Bundesregierung fiele dieses Projekt wohl unter Rubrik IV: "Klimafreundliches Bauen und Wohnen". Eines jener Programme, die anfangs viel kosten, aber später viel bringen.

Seit Ende 2014 gibt es diesen Aktionsplan, er sollte eine Art Notbremse in Sachen klimaschädliche Emissionen werden. Schon seinerzeit zeichnete sich ab, dass die deutschen Klimaziele nur noch schwer würden zu erreichen sein. Dutzende Ideen sollten helfen, bis 2020 doch noch auf ein Minus von 40 Prozent Kohlendioxid zu kommen, verglichen mit 1990. Mehr als 100 Ideen stehen dahinter, vom klimafreundlichen Bauen über Netzwerke von besonders effizienten Firmen bis hin zu Kampagnen für umweltfreundliche Fortbewegung. Auch die Stilllegung alter Braunkohlemeiler zählt dazu. Insgesamt mindestens 62 Millionen Tonnen Kohlendioxid wollte die Bundesregierung so bis 2020 sparen. Nur: Was kostet der Spaß?

Das Bundesumweltministerium hat die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) die Gesamtkosten mal nachrechnen lassen. Ergebnis: kleiner als null, jedenfalls gesamtwirtschaftlich gesehen.

2020 könnten Haushalte und Industrie mehr als 3,5 Milliarden Euro sparen

Weil etwa grüne Gebäude und effiziente Maschinen weniger Energie brauchen, muss Deutschland weniger Brennstoffe importieren. 2020 sparen Haushalte und Industrie so mehr als 3,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig entsteht neue Arbeit, nach PwC-Berechnungen genug für 430 000 Beschäftigte. Das Bruttoinlandsprodukt wachse durch die Klimaaktion um 30 Milliarden Euro, also ein Prozent. Indirekte Wirkungen sind dabei noch gar nicht einkalkuliert - etwa, dass sich die bei Kohle und Öl gesparten Euro nun anderweitig verkonsumieren lassen. Glaubt man der Studie, dann ist das Aktionsprogramm, das eigentlich doch dem Klima helfen sollte, in Wahrheit ein dickes Konjunkturpaket.

Ganz umsonst ist dieses Paket freilich auch nicht. Die Kosten taxieren die PwC-Leute für die Jahre 2015 bis 2020 auf insgesamt 120 Milliarden Euro. Den größte Batzen davon schultern private Haushalte, nämlich knapp die Hälfte. "Aber die Ausgaben relativieren sich, wenn man sieht, was man über die gesamte Lebensdauer einspart", sagt Borge Hess, einer der Autoren der Studie. Dann stehen den 120 Milliarden Einsparungen von 274 Milliarden Euro gegenüber. Private Haushalte etwa sparen unter dem Strich 25 Milliarden Euro mehr, als sie zuvor investieren müssten. Jedenfalls ganz grob gerechnet.

Allein klimafreundliche Gebäude sparen danach alles in allem 62 Milliarden Euro ein. Auch der effiziente Einsatz von Energie rechnet sich, etwa in der Industrie: Kosten von 11,5 Milliarden Euro stehen hier Einsparungen in dreifacher Höhe gegenüber. Im Verkehr lässt sich mit 8,5 Milliarden Euro, etwa für die Stärkung umweltfreundlicher Verkehrsmittel und Elektroantriebe, 61 Milliarden Euro Ersparnis erreichen, rechnet die Studie vor. Zugrunde liegt dabei jeweils, wie viel eine effiziente Maschine, ein sauberes Auto oder ein klimafreundliches Gebäude über seine Nutzungsdauer hinweg weniger verbraucht. Einzig in der Energiewirtschaft überwiegen die Kosten den Nutzen. Diesen Mittwoch wird die Studie in Berlin vorgestellt.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die zuletzt um eine Langfrist-Strategie gegen die Erderwärmung ringen musste, kommt der Befund gerade recht. "Die Studie zeigt: Klimaschutz rechnet sich", sagt sie. Neben den gesparten Energiekosten führe das Aktionsprogramm auch zu mehr heimischer Wertschöpfung und damit auch zu Jobs. "Das gilt umso mehr, wenn wir auch über 2020 hinausschauen", sagt Hendricks. Dann soll schließlich auch besagte Langfrist-Strategie der Bundesregierung greifen, der "Klimaschutzplan 2050". Vor allem für Gebäude und Verkehr werden die Vorgaben dann noch einmal deutlich strenger als bisher.

Architekt Frey freut sich schon darauf. "Oft ist es ganz einfach, Energie vernünftig auszunutzen", sagt er. 35 Leute arbeiten in seinem Büro mittlerweile daran, der Smart Green Tower ist nur ein Projekt von vielen. Auf Förderung hatte er übrigens bewusst verzichtet. "So ein Ding", sagt Frey, "muss sich ganz souverän rechnen."

© SZ vom 23.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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