Klimaschutz:Kluge Metropolen

Railway industry seen as China's next major economic driver

Nahverkehr wie in Lanzhou/China soll die Klimabilanz verbessern.

(Foto: Imaginechina)

Ökonomen fordern: Städte in Entwicklungsländern sollen der Umwelt zuliebe auf Nahverkehr statt aufs Auto setzen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Auf dem Papier scheint die Welt dieser Tage in Ordnung. Im Rekordtempo ratifizierten die Staaten den Weltklimavertrag von Paris, einer Trendwende bei den globalen Treibhausgasemissionen steht damit formal nichts mehr im Weg. Wären da nicht all die Menschen, die in Städte strömen, die neue Häuser, neue Straßen, neue Autos wollen. Zwei bis drei Jahre, so warnt die Weltkommission zu Wirtschaft und Klima, bleiben noch für eine rechtzeitige Umkehr bei Städtebau und Infrastrukturen.

Die Kommission legt seit 2014 in jedem Jahr Berichte über die Ökonomie des Klimaschutzes vor. Ihr gehören Finanzexperten, Konzernchefs, Präsidenten von Entwicklungsbanken und einige ehemalige Staatschefs und Minister an. Geleitet wird sie vom einstigen Präsidenten Mexikos, Felipe Calderón und dem britischen Klimaökonomen Sir Nicholas Stern.

An diesem Donnerstag erscheint ihr dritter Bericht. Er geht vor allem der Frage nach, wie sich Investitionen in saubere Bahnen lenken lassen. Ihren Schätzungen zufolge fließen in den nächsten 15 Jahren etwa 80 Billionen Euro in die Erneuerung oder den Neubau von Infrastrukturen. "Damit werden wir in den nächsten 15 bis 20 Jahren die globale Infrastruktur mehr als verdoppeln", sagt Stern. "Aber wir müssen rasch unsere Gewohnheiten ändern, denn neue Infrastruktur braucht Zeit."

Wohin unüberlegte Stadtentwicklung führt, lässt sich derzeit in nahezu allen Megastädten der Welt beobachten. Anstatt in die Höhe, wachsen die meisten von ihnen in die Breite. Neue Stadtviertel schießen stets am bisherigen Stadtrand aus dem Boden. Die Folge sind neue Straßen und mehr Verkehr. Metropolen wie Kairo, Lima oder Mumbai ersticken jetzt schon im Verkehr. Ein öffentlicher Nahverkehr wird in den seltensten Fällen mit geplant; nicht selten wachsen die Städte auch wild. Derzeit lebt etwa die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Bis 2050, so schätzen Experten, könnten es zwei Drittel sein.

Vor allem in den Entwicklungsländern werden so neue Infrastrukturen nötig. Zwei Drittel der 80 Billionen Euro, so schätzt die Kommission, fließen auf der Südhalbkugel. Dort biete eine neue Infrastruktur die "großartige Gelegenheit, die ineffizienten, weitläufigen und schmutzigen Systeme der Vergangenheit zu überspringen", heißt es in dem Bericht.

Wehe aber, die Gelegenheit verstreicht. Infrastrukturen zeichnen, einmal gebaut, auch die weitere Entwicklung vor. Wo Straßen liegen anstatt Straßenbahnschienen, fahren die Menschen mit Autos statt mit der Tram. "Infrastruktur kann die tragende Säule für den Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft sein", sagt Co-Chef Calderón, "Oder sie kann zu brüchig dafür sein." Und es sei nicht teurer, gleich in klimafreundliche Systeme zu investieren.

Um das Geld in eine saubere Zukunft zu lenken, fordert das 23-köpfige Gremium nun ein rasches Ende aller Preisverzerrungen zugunsten fossiler Rohstoffe. Subventionen dafür müssten abgeschafft werden, der Verbrauch der endlichen Ressourcen verteuert werden, etwa durch einen Preis auf Kohlendioxid oder den Handel mit Emissionsrechten. Planer, aber auch staatliche Förderbanken müssten künftig grünen Projekten den Vorzug geben, heißt es im Bericht.

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