Klimapolitik:Die große Schwester aller Probleme

An aircraft flies overhead as a person rummages for recyclables at a garbage dumpsite in Paranaque city

Es wird eng in den Weltmeeren, bei sauberem Wasser und der Artenvielfalt: Ein philippinischer Junge durchsucht den Müll nach Recycling-Ware.

(Foto: REUTERS)

Klimapolitik ist mehr als Kohle und CO₂, auch die Überfischung der Meere und das Verschwinden der Arten können Staaten nur gemeinsam lösen. Es ist der Test darauf, ob die Welt sich selber Grenzen setzen kann - bevor sie schmerzhaft an ihre Grenzen stößt.

Ein Kommentar von Michael Bauchmüller

Zum Beispiel Phosphor. Der menschliche Körper braucht es, die Landwirtschaft auch: Als Dünger ist Phosphor unverzichtbar. Zu dumm, dass die globalen Vorkommen begrenzt sind, künstlich herstellen lässt er sich nicht. Die Forscher streiten, ob der Höhepunkt der Förderung seit Jahren überschritten ist oder bald bevorsteht. Klar ist nur, dass die Welt in einen gefährlichen Phosphor-Engpass steuert. Das nur mal als Beispiel.

Denn eng wird es allenthalben: bei brauchbaren Böden, bei Rohstoffen, in den Weltmeeren, bei sauberem Wasser und der Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten. Seit einem guten Jahrhundert haust die Menschheit, oder zumindest ihr wohlhabender Teil, wie ein Lotto-Millionär, der jedes Maß verloren hat - und irgendwann verdutzt feststellen muss, dass alles Geld weg ist.

Mit dem Unterschied, dass es an Wissen um die Folgen des Raubbaus nicht mangelt; dass es oftmals auch an Alternativen nicht fehlt, sei es eine sorgsame Landwirtschaft, der Aufbau von Rohstoff-Kreisläufen oder schlicht erneuerbare Energie. Nur lebt es sich so bequem, wenn alles weitergeht wie gehabt.

Es geht um mehr als Kohle und CO₂ - es geht um globales Maßhalten. Überall

Nirgends lässt sich der Zusammenhang zwischen aktuellem Wachstum und künftigen Problemen so eindrucksvoll ablesen wie am Klimawandel. Bis zum heutigen Tage beruht das Erfolgsmodell alter wie neuer Wirtschaftsmächte in erster Linie auf der Verbrennung fossiler Rohstoffe.

Ungeachtet aller Erkenntnisse über den Zusammenhang von Kohlendioxid und Klimawandel, ungeachtet aller Bekenntnisse zur Umkehr - und auch ungeachtet aller Alternativen zu fossiler Energie. Bei der Ausbeutung begrenzter Ressourcen steckt keiner gern zurück. Sonst könnten ja andere danach greifen.

Umso bemerkenswerter sind die jüngsten Signale aus den Vereinigten Staaten. Traditionell eher unbekümmert im Umgang mit begrenzten Ressourcen, will die amerikanische Umweltbehörde EPA erstmals die Emissionen der Kraftwerke senken - zwangsweise. Vor allem ältere Kohlekraftwerke dürften den neuen Regeln zum Opfer fallen, die Chancen für erneuerbare Energien steigen. Derweil schwingt sich Präsident Barack Obama gegen Ende seiner Amtszeit doch noch zum Kämpfer für den Klimaschutz auf.

2015 könnte sich die Zukunft globaler Gerechtigkeit entscheiden

Auch aus China kommen vorsichtige Signale der Umkehr. "So schnell wir können" wolle sein Land die Treibhausgas-Emissionen senken, erklärte dieser Tage Pekings Chefunterhändler Xie Zhenhua bei einer Klimakonferenz in Bonn. Die USA und China - gerade jene beiden Länder, die bislang zuverlässig jeden Fortschritt im globalen Klimaschutz vereitelten.

Klimapolitik ist mehr als Kohle und CO₂ , sie ist auch mehr als nur der Kampf gegen die Erderwärmung. Sie ist die große Schwester aller Probleme, derer sich die Staaten nur gemeinsam annehmen können, sei es der drohende Phosphor-Mangel, die Überfischung der Weltmeere oder das Verschwinden von Arten.

Stets geht es um die Bereicherung gegenwärtiger Generationen auf Kosten der folgenden, stets treffen die Folgen die Ärmsten zuerst. Immer auch trägt die Lösung - eine Art globales Maßhalten - ihr Scheitern schon in sich: Halten sich ein paar Staaten nicht an die Regeln, weil sie auf Kosten aller anderen an ihrem Wachstumsmodell festhalten wollen, dann bricht jede Vereinbarung in sich zusammen.

Klimapolitik ist damit nicht weniger als der Test darauf, ob sich die Welt selber Grenzen setzen kann - ehe sie schmerzhaft an Grenzen stößt. Unter denen der Klimawandel eine besonders schmerzhafte sein wird.

Die jüngsten Signale aus Washington und Peking machen Hoffnung, dass eine globale Antwort doch noch möglich wird. Zu geben wäre sie Ende 2015 in Paris. Dort wollen die Staaten ein neues Klimaabkommen verabschieden - jenes Abkommen, das 2009 in Kopenhagen so grandios scheiterte. Zu geben wäre eine solche Antwort aber auch in New York, wo die Staaten im nächsten Jahr neue Ziele für Entwicklung und Nachhaltigkeit festzurren wollen.

Schließlich laufen dann die Millenniumsziele aus, die sich die Vereinten Nationen 2000 gegeben haben. 2015 könnte damit zu jenem Jahr werden, in dem sich die Zukunft globaler Gerechtigkeit ein Stück weit entscheidet - zwischen den Generationen, aber auch zwischen den Kontinenten, zwischen Arm und Reich.

Wie diese Entscheidung ausgeht, ist völlig offen. Nicht offen ist hingegen, wohin eine Welt steuert, die keine gemeinsamen Mechanismen und Instrumente für den Umgang mit ihrer eigenen Begrenztheit entwickelt. Dann hinterlässt, zumal bei einer wachsenden Weltbevölkerung, jede Generation ihren Kindern und Enkeln etwas weniger, als sie selbst vorfand. Und irgendwann, wie beim maßlosen Millionär, ist einfach nichts mehr da.

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