Klage wegen Datenschutz:Zu viel Geheimniskrämerei

Windows 10 reaches 270 million users: Microsoft

Ein Büro des Konzerns in New York. Microsoft bietet Programme über die Cloud an, für die US-Behörden ist der Zugang zu diesen Daten relativ leicht.

(Foto: Jewel Samad/AFP)

Microsoft verklagt die US-Regierung, weil sie sich sehr einfach Zugang zu Daten verschafft. Das betrifft auch deutsche Kunden.

Von J. Kuhn, H. Tanriverdi, New Orleans/New York

Der nächste Konflikt zwischen einem US-Technologiekonzern und der amerikanischen Regierung steht bevor. Microsoft hat in Seattle Klage gegen das US-Justizministerium eingereicht. Sie soll eine Grundsatzfrage klären: Wann dürfen die US-Strafermittler auf digitale Daten von Microsoft-Kunden zugreifen und die Firma dazu zwingen, Stillschweigen zu bewahren? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer ist betroffen?

Es geht um Kundendaten in Cloud-Diensten, zum Beispiel E-Mails, Office-Dokumente oder Daten von Firmen, die auf Microsoft-Servern gespeichert sind. Betroffen sind also alle Menschen, die diese Dienste nutzen, auch deutsche Kunden.

Was wollen die Ermittler, was fordert der Konzern?

Microsoft erhielt in den vergangenen 18 Monaten nach eigener Auskunft 5635 digitale Durchsuchungsanordnungen von Strafverfolgern wie dem FBI. Etwa die Hälfte davon enthielt eine Geheimhaltungsklausel: Microsoft durfte seinen Kunden also nicht verraten, dass es eine Anfrage erhalten hat. In 1752 Fällen gilt diese Geheimhaltung sogar zeitlich unbegrenzt: Microsoft kann also selbst nach Ende von Ermittlungen niemanden informieren. Der US-Konzern bezweifelt, dass diese Geheimhaltung immer notwendig ist und will mit der Klage eine Änderung der Praxis bewirken.

Warum gibt es die Geheimhaltung?

US-Gerichte können eine Geheimhaltungspflicht für die Anbieter digitaler Dienste erlassen. Voraussetzung ist, dass die Ermittlungen beeinträchtigt würden, wenn Nutzer von der Durchsuchung erfahren und etwa auf andere Dienste ausweichen oder Beweise vernichten. Microsoft argumentiert in der Klageschrift, dass diese Geheimhaltung zwar manchmal nötig sei, die Gerichte den Ermittlern jedoch häufig einen Blankoscheck ausstellen. Die Regierung habe "den Übergang zum Cloud-Computing als Möglichkeit missbraucht, die Fähigkeit zu geheimen Ermittlungen auszuweiten". Abhörmaßnahmen und Durchsuchungsbefehle sind in der physischen Welt an strenge Bedingungen geknüpft: Bürger und Firmen müssen über eine Durchsuchung ihres Eigentums informiert werden, so steht es in der Verfassung. Microsoft hält das Gesetz deshalb für verfassungswidrig.

Was steht in dem Gesetz?

Der "Electronic Communications Privacy Act" (ECPA) stammt aus dem Jahr 1986, aus einer Zeit, in der Internet noch nicht existierte. Im digitalen Zeitalter wird es so interpretiert: Ein Anbieter wie Microsoft verwaltet die Daten eines Nutzers wie der Betreiber einer Lagerhalle, der Akten aufbewahrt. Der Durchsuchungsbefehl betrifft also nur ihn, nicht den Kunden. Das Gegenargument: Cloud-Dienste ähneln einem persönlichen Aktenschrank eines Menschen. In der Praxis interpretiert die Regierung das Gesetz als Mischung aus Abhör- und Durchsuchungserlaubnis. Das ist umstritten. Daher wird seit Jahren über eine Reform diskutiert.

Was sind die wichtigsten Gründe dafür, dass Microsoft ausgerechnet jetzt klagt?

Erstens: In den USA wird kontrovers über das ECPA-Gesetz diskutiert. Das Weiße Haus hat sich dafür ausgesprochen, eine aktuellere Regelung zu finden. Ein Berufungsgericht hat 2010 entschieden, dass E-Mails einen vergleichbaren Schutz der Privatsphäre genießen wie reguläre Briefe, also nicht ohne einen richterlichen Beschluss gelesen werden dürfen. Über die Reform wird aktuell im Kongress verhandelt. Microsoft baut mit dieser Klage also weiteren Druck auf.

Zweitens: Nach den Snowden-Enthüllungen haben sich Technologie-Firmen öffentlichkeitswirksam über die Regierung und den Geheimdienst NSA beschwert. Seitdem wehren sich Firmen, wenn dies juristisch möglich ist. Wie harsch diese Kritik werden kann, zeigte sich am Fall von Apple. Das FBI versuchte über Monate, den Konzern zur Mithilfe zu zwingen, um die Sicherheitsvorkehrungen eines iPhones zu umgehen. Apple weigerte sich. Schließlich fand das FBI eine Firma, die den Zugang zum iPhone ermöglichte. Microsoft tritt der Regierung nicht nur in Einzelfällen entgegen, zum Beispiel, wenn die Geheimhaltung der Anfragen in den Augen der Firma unberechtigt ist: Die Anfragen an sich sind das Problem.

Drittens: Microsoft befindet sich noch in einem weiteren, ähnlichen Rechtsstreit mit der US-Regierung.

Worum geht es in diesem zweiten Rechtsstreit?

Die US-Regierung hat von Microsoft 2013 die Daten eines Nutzers verlangt, die in Irland gespeichert werden. Microsoft weigert sich, diese Informationen herauszugeben, da die Daten nicht im Rechtsgebiet der USA liegen. Die Regierung argumentiert, dass es irrelevant sei, wo die Daten gespeichert werden, da das Unternehmen US-Gesetzen folge. Zwei Mal haben Richter der Regierung Recht gegeben. Urteilen muss diesmal ein Berufungsgericht.

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