Klaeden-Wechsel zu Daimler:Der Stern und die Politik

Gestern Kabinettsmitglied, heute Cheflobbyist - die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Eckart von Klaeden. Zwar sind die Beziehungen zwischen Politikern und Automobilindustrie traditionell eng. Doch der nahtlose Wechsel des früheren Staatsministers aus dem Kanzleramt zu Daimler ist ziemlich beispiellos.

Von Thomas Fromm

Schon in den frühen Jahren der Republik waren sie ein Paar - der Stern und die Politik. Wo der Kanzler war, war der Stern nicht weit. Sogar bei Auslandsreisen. Und wer an den Stern dachte, dachte immer auch an diesen ersten deutschen Bundeskanzler mit dem rheinischen Akzent, der mit ihm chauffiert wurde. Wahrscheinlich wäre der große, schwarze Mercedes 300 von 1951 auch nie im Bonner Haus der Geschichte gelandet ohne den CDU-Kanzler Konrad Adenauer. Dieses Auto, das man damals "Adenauer-Mercedes" nannte. So einfach ging das in den 50ern. Ein Auto namens Adenauer - ein Traum für jeden PR-Strategen.

Seitdem sind Politiker und Autoindustrie häufig zusammen gefahren, es musste nicht gleich ein Kanzler sein. Zuletzt war es der ehemalige Kanzleramts-Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU). Offiziell trat er sein neues Amt bei Daimler am 1. November an, wo er nun den Bereich Politik und Außenbeziehungen leitet. Das klingt ein wenig theoretisch, aber im Grunde ist Klaeden, 47, damit Cheflobbyist der Stuttgarter. Er vertritt also die Interessen des Automobilherstellers gegenüber den Politikern, die anders als er immer noch in der Politik arbeiten.

Solche Wechsel hat es immer wieder gegeben, in diesem Fall aber hat die Berliner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den CDU-Mann eingeleitet. Es geht um einen Anfangsverdachts der Vorteilsnahme - er hatte schon im Mai offiziell gemacht, das Kanzleramt zu verlassen und zu Daimler zu wechseln. Er schied erst nach der Bundestagswahl im September aus der Regierung aus.

Und was geschah in der Zwischenzeit?

Sensible Themen gab es reichlich. Zum Beispiel der Streit in der EU über Grenzwerte für den CO2-Ausstoß von Neuwagen - Themen, über die in politischen Kreisen entsprechende Papiere und Vorlagen kursieren. Kritiker monieren einen veritablen Interessenkonflikt. Es könne nicht sein, "dass man an einem Tag noch Einsicht in Regierungsunterlagen zu Verhandlungen um CO2-Grenzen hat und am nächsten Cheflobbyist von Daimler wird", sagt Grünen-Chefin Simone Peter.

Frappierende Konstellationen

Die Bundesregierung weist das zurück. Eckart von Klaeden habe niemals Entscheidungsbefugnisse bei Fragen der Automobilindustrie gehabt. Es habe nicht zu seinen Aufgaben gehört, "Entscheidungen mit Bezug auf die Automobilindustrie einzuleiten, vorzubereiten oder gar zu treffen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag.

Trotz der Ermittlungen soll Klaeden bei dem Stuttgarter Konzern bleiben. Ob der Mann, der erst seit vergangenem Freitag in Amt und Würden ist, nicht von Anfang an geschwächt sei? "Nein, das ist er auf keinen Fall", heißt es in Stuttgart. Man sehe den Untersuchungen gelassen entgegen.

Nun ist Klaeden nicht der erste Politiker, der sich für die Arbeit auf der anderen Seite interessiert. Und manchmal ergeben sich hierbei frappierende Konstellationen, die man so vorher vielleicht nicht erwartet hätte. Der frühere Grünen-Politiker Joschka Fischer kam 2009 zu einem lukrativen Nebenjob - ausgerechnet als Berater beim Münchner Autokonzern BMW.

Und der Ex-Regierungssprecher und Gerhard-Schröder-Vertraute Thomas Steg heuerte Anfang 2012 bei VW an. Offizieller Titel: "Generalbevollmächtigter und Leiter Außen- und Regierungsbeziehungen." Anders gesagt: Der Mann mit den vielen politischen Kontakten ist Cheflobbyist in Wolfsburg. Bei einem Konzern, an dem das Land Niedersachsen mit seinem Anteil von 20 Prozent kräftig mitregiert. Für großes Aufsehen sorgte das nicht.

Immerhin ist der frühere Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) seit 2007 Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) - als oberster Auto-Lobbyist sozusagen. So geht das in der Autoindustrie, aber nicht nur dort. Kurt Beck, der frühere rheinland-pfälzische Regierungschef, berät das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim. Roland Koch, einst Ministerpräsident in Hessen, saniert seit zwei Jahren den Baukonzern Bilfinger.

Es geht um Kontakte

Politik und Wirtschaft: Eine unheilige Allianz, sagen die Kritiker. Eine für beide Seiten lohnenswerte Symbiose, sagen diejenigen, die da zusammen arbeiten. Es geht um Kontakte. Man sieht sich, man kennt sich, man versteht sich. In jedem Fall: Es ist eine Symbiose, die schnell zu einem pikanten Politikum werden kann. Oder, wie der Fall Klaeden: plötzlich auf den Schreibtischen der Ermittler landet.

Daimler ist ein besonders gutes Beispiel dafür, wie nah sich Politik und Wirtschaft, Staat und Konzern, kommen können. Nicht nur wegen der Adenauer-Limousine. Immer wieder kamen Männer aus der Politik in den Konzern. Seiteneinsteiger, wie es in der Sprache der Unternehmen heißt.

Dieter Spöri war so einer. Der SPD-Politiker, frühere Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident von Baden-Württemberg, wechselte 1999 zu Daimler - als sogenannter Chef-Repräsentant für Bundesangelegenheiten. Man kann es so sagen: Es geht bei dieser Art von Jobs nicht nur darum, einen Autohersteller zu repräsentieren, sondern auch und vor allem darum, die Interessen des Auftraggebers zu vertreten.

Der CDU-Politiker Matthias Kleinert war enger Vertrauter von Lothar Späth, seinerzeit Fraktionsvorsitzender der CDU und arbeitete als dessen Pressesprecher. Dann der Wechsel zu Daimler. Wer Politiker verkaufen kann, kann auch etwas für's Image eines Autokonzerns tun, so die Logik. Immerhin: Auf ihn soll die Umbenennung des Stuttgarter Neckarstadions in Gottlieb-Daimler-Stadion zurückzuführen sein. Ein gigantischer PR-Coup.

Jetzt also Klaeden. "Er hat alles transparent und öffentlich gemacht", heißt es bei Daimler. Das klingt so, als würde man alles jederzeit wieder genauso machen. Vielleicht hätte man sich schon eine Menge Ärger erspart, wenn Klaeden einfach nur ein bisschen gewartet hätte zwischen dem einen und dem anderen Job.

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