Kirche: Probleme mit Weltbild:Sparen auf Teufel komm raus

Zum Teufel mit der Nächstenliebe: Änderungskündigungen bringen zahlreiche Mitarbeiter der Buchhandelskette Weltbild in Existenznot. Eigentümer des Unternehmens: die katholische Kirche.

Angelika Slavik

Die Kirche spart in diesen Tagen nicht mit Kritik an Managern und Unternehmen. Von Gier und Verantwortungslosigkeit ist da die Rede, der Augsburger Bischof Walter Mixa kritisierte im Spiegel-Interview den "überzogenen Kapitalismus", der zur Folge habe, "dass viele Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren". Die Kirche, sagte Mixa, "kann hier nicht schweigen".

Weltbild, Stellenabbau, Änderungskündigungen, dpa

Wasser predigen, Wein trinken: Bei der christlichen Buchhandelskette Weltbild plus werden 322 Stellen gestrichen, weitere 300 Mitarbeiter sind von Änderungskündigungen betroffen.

(Foto: Foto: dpa)

Doch die katholische Kirche ist nicht nur Mahner in der Krise. Sie ist auch Arbeitgeber. Zu den zahlreichen Unternehmen in ihrem Eigentum gehört unter anderem die Buchhandelskette Weltbild und deren 50-Prozent-Tochter Weltbild plus - und dort ist seit Wochen sprichwörtlich die Hölle los. Ende Mai gab der Konzern den Abbau von 322 Stellen bekannt - eine Folge der Wirtschaftskrise und der zunehmenden Verlagerung des Buchverkaufs ins Internet, hieß es.

Erhebliche finanzielle Einbußen

Doch das war noch längst nicht alles: Nach Informationen von sueddeutsche.de sind zusätzlich noch 300 Mitarbeiter von Änderungskündigungen betroffen. So werden etwa Vollzeitstellen in 25-Stunden-Jobs umgewandelt, die betroffenen Mitarbeiter müssen erhebliche finanzielle Einschnitte hinnehmen. Einigen blieben am Monatsende nur noch 700 Euro übrig, heiß es aus Mitarbeiterkreisen.

Besuch an der Basis: In der Filiale von Weltbild plus in der Münchner Innenstadt ist an diesem Vormittag von all der Aufregung um den Jobabbau nichts zu spüren. Im Laden drängen sich die Menschen, viele Mütter mit Kinderwagen sind darunter. Aber für die Bücher, DVDs und Kalender, die so akkurat in die Regale einsortiert sind, interessiert sich kaum jemand: Draußen regnet es in Strömen. Viele wollen hier offenbar nur den Regenschauer abwarten.

Es ist gar nicht lange her, da galt Weltbild als katholische Erfolgsgeschichte. Nach dem Krieg als Verlag für die religiöse Publikation Mann in der Zeit in Augsburg gegründet, entwickelt sich das Unternehmen in den folgenden Jahrzehnten zu einem Versandhaus mit Millionenumsatz, es wird fleißig ins Ausland expandiert. Gemeinsam mit der Bild-Zeitung legt Weltbild eine "Volksbibel" auf - ein Riesenerfolg, genau wie die "Hundertwasser-Bibel", eine vom österreichischen Künstler Friedensreich Hundertwasser gestaltete Sonderausgabe: 30.000 Exemplare werden verkauft, zum stolzen Preis von 1000 Mark das Stück. Christliche Botschaft und modernes Marketing, aufs Schönste vereint.

Die Kapitulation vor dem Kapitalismus

Auf die christlichen Werte ist man stolz in diesem Unternehmen. Aber irgendwann scheinen die Ansprüche des Wirtschaftslebens und die religiösen Überzeugungen der 13 katholischen Diözesen, denen das Unternehmen zusammen mit der Berliner Soldatenseelsorge gehört, auseinander zu driften.

Weltbild steigt ins Internetgeschäft ein, dort können plötzlich alle lieferbaren Bücher rund um die Uhr bestellt werden, auch gewaltverherrlichende oder pornographische, die sonst niemals ihren Weg in den Weltbild-Katalog gefunden hätten. Parallel gehen die Augsburger ins Filialgeschäft und gründen gemeinsam mit Hugendubel das Tochterunternehmen Weltbild plus. Es ist eine Billig-Kette: Neonlicht, Linoleumböden, quietschgelbe Sofas in der Ladenmitte.

Die Geschäfte laufen gut, noch im Geschäftsjahr 2007/2008 meldet das Unternehmen 1,94 Milliarden Euro Umsatz, ein Fünftel mehr als zwölf Monate zuvor. Doch in Zeiten der Wirtschaftskrise soll jetzt auf Teufel komm raus in dem katholischen Unternehmen gespart werden - auch bei den Mitarbeitern. Ist das die endgültige Kapitulation vor dem Kapitalismus?

Von den christlichen Werten sei ohnehin schon lange nichts mehr zu spüren gewesen, schreibt einer auf einer Website, auf der sich angeblich viele Weltbild-Mitarbeiter austauschen. Wie viele der Einträge authentisch sind, lässt sich nicht eruieren, aber es wird eifrig diskutiert - etwa über mögliche Maßnahmen gegen die Kündigungen. Es sind Diskussionen, die eigentlich in ein Betriebsratsbüro gehören. Aber bei Weltbild plus, der christlichen Buchhandelskette, gibt es keine Arbeitnehmervertretung.

Kein Betriebsrat, aber viele Vorwürfe

Im Internet jedenfalls hagelt es Vorwürfe. Nicht die Wirtschaftskrise und auch nicht der Buchhandel im Internet seien schuld an der Misere, sondern das chaotische Management - dabei galt Weltbildchef Carel Halff lange als Superstar der Medienszene, eine Art Erlöser, der immer die richtige Antwort hat.

Doch jetzt heißt es, die Lage in den Filialen sei völlig unübersichtlich, die Kündigungen wären überstürzt erfolgt. Von Juli an, so wird auf der Website geunkt, müssten einige Filialen ihre Öffnungszeiten einschränken. Wegen Personalmangels.

Die Geschäftsführung will auf Anfrage von sueddeutsche.de all diese Vorwürfe nicht kommentieren. Man bedaure persönliche Härten infolge der Sparmaßnahmen heißt es lediglich in einer Pressemitteilung zum Abbau der offiziell 322 Stellen.

Die Schweigsamkeit der Unternehmensleitung passt damit gut zur Strategie der Eigentümer. Auch Augsburgs Bischof Walter Mixa, der im Spiegel noch so streng war mit den Managern und den Kapitalisten, will auf Anfrage lieber nichts zu Weltbild plus sagen. Dabei ist seine Diözese drittgrößter Anteilseigner des Unternehmens, ein beträchtlicher Teil der gekündigten Mitarbeiter wohnt im Augsburger Einzugsgebiet, hier ist auch die Zentrale des Unternehmens. Aber diesmal kann die Kirche schweigen.

Vielleicht erleichtern die Sparmaßnahmen ja die Suche nach einem neuen Eigentümer für Weltbild. Die Kirche nämlich möchte sich seit geraumer Zeit von dem Unternehmen trennen - und damit vielleicht auch von einer ganzen Reihe an Glaubenskonflikten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: