Kinowelt:Cash nach Leipzig

Gegen Kinowelt-Gründer Michael Kölmel und seine Frau Doris besteht der Verdacht, Geld zu Lasten der Firmengläubiger von München über die Schweiz nach Leipzig verschoben zu haben. Die Staatsanwälte dehnten die Ermittlungen aus.

Von Klaus Ott

(SZ vom 22.12.03) - Sommer 2006, Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Stolz sitzt Michael Kölmel in einer VIP-Loge der neuen Leipziger Arena und genießt die fünf WM-Spiele, die dort ausgetragen werden. Es ist sein Werk. Für den Bau und Betrieb des futuristisch wirkenden Stadions mit einem verschließbaren Metall-Glas-Dach ist die ihm gehörende Emka Beteiligungs GmbH zuständig.

Michael Koelmel Dpa

Michael Kölmel

(Foto: Foto: dpa)

So könnte es, im günstigsten Fall, kommen für den Medienunternehmer, der in einer noblen Villa in Leipzig mit Filmrechten handelt. Nach vielen Irrungen und Wirrungen wäre Kölmel, dessen Kinowelt Medien AG in München insolvent ging und in der Messestadt an der Pleiße neu entstand, bei dem Fußball-Fest auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt. Eine wunderbare Geschichte.

Vielleicht aber wird der studierte Mathematiker bis zur Fußball-WM auch von seiner Vergangenheit eingeholt.

Ermittlungen seit über einem Jahr

Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt seit über einem Jahr wegen der Insolvenz der Kinowelt, die einst beim Vertrieb von Filmen und Sportrechten die Kirch-Gruppe befehden wollte, dann aber schon vor dem Großkonzern pleite ging.

Zuerst untersuchten die Strafverfolger, ob sich Kölmel bei der Kinowelt und deren Tochterfirma Sportwelt der Untreue und Insolvenzverschleppung schuldig gemacht hat. Eine Nacht lang saß der Filmhändler sogar im Gefängnis, gegen eine Millionen-Kaution kam er wieder frei.

Inzwischen hat die Behörde ihre Nachforschungen auf einen zusätzlichen Komplex und auf insgesamt fünf Personen ausgeweitet, darunter auch Kölmels Frau Doris.

Das Ehepaar soll mit Hilfe von drei Vertrauten einen Millionenbetrag von München über die Schweiz nach Leipzig verschoben haben, zu Lasten der Gläubiger. "Wir prüfen den Geldfluss", sagt Christian Schmidt-Sommerfeld, Leiter der Münchner Staatsanwaltschaft. Er bestätigt das Ermittlungsverfahren gegen die fünf Personen wegen Untreue.

350.000 Euro

Es geht etwa um den Transfer von 350.000 Euro auf ein Konto von Doris Kölmel "zur Bildung von Eigenkapital" und als Hilfe für ein Darlehen der Sparkasse Leipzig - das kommunale Kreditinstitut spielt eine zentrale Rolle im zweiten Berufsleben des Filmhändlers.

Das erste endete 2001 mit 300 Millionen Euro Schulden. Die vielen Kinowelt-Kleinaktionäre verloren fast alles, was sie investiert hatten, während Vorstandschef Michael Kölmel und sein Bruder Rainer, der auch im Vorstand saß, einen Teil ihrer Aktien offenbar rechtzeitig versilberten.

Schon ein Jahr später fingen die beiden Brüder wieder von vorne an. Für gut 30 Millionen Euro kauften sie dem Insolvenzverwalter die havarierte Kinowelt AG wieder ab und siedelten nun nach Leipzig um. Die dortige Sparkasse gab 17,3 Millionen Euro Kredit. Bei einem Empfang ("Erst Umzug, dann feiern") hieß der Bankchef alle in der neuen Villa willkommen und wünschte Erfolg.

Etwas zu freizügig mit dem hohen Einkommen

Nun könnten die Strafverfolger so richtig lästig werden. Ihrer Ansicht nach ist das Ehepaar Kölmel nach der Kinowelt-Katastrophe etwas zu freizügig mit hohen Eurosummen umgegangen - die nicht ihnen, sondern vielmehr den Gläubigern zugestanden hätten.

Die Spur des Geldes führt erst in die Schweiz und dann in die baden-württembergische Provinz nach Sindelfingen. Dort gibt ein lukratives Multiplex-Großkino (zwei Millionen Besucher in vier Jahren), das wie viele andere Filmtheater einst zum Kinowelt-Konzern gehörte.

Nach dessen Pleite entstand eine Multiplex Sindelfingen GmbH mit Firmensitz in München, die von drei Kölmel-Vertrauten aufgebaut wurde.

Inhaber und Geschäftsführer ist Kölmels langjähriger Manager Wolf-Dietrich von Verschuer. Das neue Geschäft läuft offenbar auch deshalb besonders gut, weil die GmbH für ihr Kino in Sindelfingen dem Vernehmen nach keine Miete zahlt.

Mietbürgschaft

Die betreffende Immobiliengesellschaft stört das aber nicht, sie bucht einfach gut 100.000 Euro pro Monat bei einer Schweizer Großbank ab. Und bei wiederum der ist eine Mietbürgschaft hinterlegt, die von Kölmels Frau Doris stammen soll.

Mehrere Millionen Euro könnten somit dem Zugriff der Gläubiger entzogen worden seien, mutmaßen Insider. Den Vorteil hat die Multiplex Sindelfingen GmbH, bei der Gewinne anfallen. "Aus dieser Firma sind Gelder zum Nachteil der Multiplex GmbH herausgezogen und nach Leipzig sowie zu Gunsten von Frau Kölmel transferiert worden", so Oberstaatsanwalt Schmidt-Sommerfeld. Es handele sich dabei um Mittel, "die eigentlich Gläubigern zustehen".

Offenbar wollen einige Weggefährten der Kölmels nicht mehr mitmachen. In ihrem Umfeld werden Dokumente herumgereicht, die darauf schließen lassen, dass die trickreichen Buchungsvorgänge kein Zufall sind und dass auch von einem weiteren Kino in Hamburg hohe Mittel umgeleitet werden.

Kölmel-Partner Verschuer notierte jedenfalls am 5. März 2002 in einem internen Vermerk, man sei in Sindelfingen und Hamburg mit dem Ziel angetreten, von zwei Bürgschaften des Familienclans in Höhe von zwei Millionen und 2,5 Millionen Euro "möglichst viel zu sichern". Bei der Hamburger Multiplex GmbH ist Verschuer laut Handelsregister Geschäftsführer.

Mietverträge nicht erfüllt

Sein Vermerk führt auch aus, dass die zu Gunsten der Familie Kölmel abgeführten Beträge offenbar "aus den Mitteln nicht gezahlter Mieten" stammten. Im Klartext: Man hatte Mietverträge nicht erfüllt.

Dieses Problem sei in Hamburg durch einen Vergleich gelöst worden, in Sindelfingen greife man auf Bürgschaften zurück, so Verschuer. Außerdem gäbe es in beiden Städten hohe Verbindlichkeiten gegenüber der insolventen Kinowelt-Gruppe - man müsste ihr (also deren Gläubigern) viel Geld zahlen. Das sei nur "ein Beispiel für hohen Klärungsbedarf".

Einem weiteren Vermerk vom 28. Dezember 2002 zu Folge wollte der Familienclan nichts klären, sondern kassieren: Michael Kölmel, ist da notiert, wünsche die Auslösung des Festgeldes in Hamburg (350.000 Euro) und den Transfer auf ein Konto seiner Frau zur Bildung von Eigenkapital und einer "Valutierung" eines Darlehens der Sparkasse Leipzig. Inklusive dieser Summe wären dann, bilanzierte Verschuer, allein aus Hamburg "insgesamt 650.000 Euro innerhalb von zehn Geschäftsmonaten abgezogen worden". Hiermit sei aber "die Leistungsfähigkeit des Hauses überschritten".

Verschuer sagt der SZ zu den Vorwürfen nur, er sehe den Sachverhalt anders als der Staatsanwalt - und warte gelassen auf das Ermittlungsergebnis. Michael Kölmel schweigt: Er ruft nicht zurück.

Was wird nun aus den großen WM-Plänen? Immerhin 27,5 Millionen Euro steuert Kölmels Firma Emka zum Stadionbau bei, Bund und die Stadt finanzieren noch einmal 63,2 Millionen Euro.

Lokalpolitiker fürchten Schlimmes

Einige Leipziger Lokalpolitiker fürchten Schlimmes, denn schließlich musste auch der einst mit den Kölmels eng verbundene Fußballklub VfB Leipzig Insolvenz anmelden - der Oberligist sollte es im schönen neuen Stadion in die erste Bundesliga schaffen.

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