Kinderhilfe Afghanistan:"Wir machen halt nicht die Fehler der Amis"

Reden wir über Geld, Reinhard Erös

Der ehemalige Militärarzt Reinhard Erös gründete die Kinderhilfe Afghanistan.

(Foto: privat)

Reinhard Erös, Gründer der Kinderhilfe Afghanistan, über staatliches Fördergeld, das er lieber nicht annimmt - und warum er seine Geschäfte am Hindukusch nur in bar abwickelt.

Von Thomas Öchsner

Reinhard Erös war 35 Jahre lang Bundeswehr-Arzt. Jetzt sitzt er in seinem holzverkleideten Wohnzimmer in Mintraching bei Regensburg, steckt sich eine Zigarre an und erzählt von Afghanistan, dem Land, wo er schon dutzende Male war. Einst hat er dort während des sowjetisch-afghanischen Kriegs im Paschtunen-Gebiet im Osten als Arzt gearbeitet. Erös war der einzige Mediziner, der den Menschen dort in den Bergen über Jahre - häufig unter Lebensgefahr - geholfen hat.

Jetzt ist der Oberstarzt, der vorzeitig in den Ruhestand ging, weil er mit dem Krieg der USA in Afghanistan nichts zu tun haben wollte, dort so etwas wie eine Lokalgröße. 1998 hat er die Kinderhilfe Afghanistan gegründet, die er und seine Frau Annette, unterstützt von ihren Kindern, ehrenamtlich führen. Der Verein, der in eine Stiftung überführt wurde, ist mittlerweile zur größten privaten Hilfsorganisation am Hindukusch geworden. 30 Haupt-, Ober- und Berufsschulen für 60 000 Schüler hat die Kinderhilfe dort unter anderem gebaut.

"Normale Banken sind für Afghanen westliche Verbrechereinrichtungen"

Unterrichtet wird dort immer noch. Das liege auch daran, dass "wir nur dort tätig sind, wo uns die Leute wollen. Deshalb werden unsere Schulen anders als amerikanische Einrichtungen in der gleichen Provinz nicht abgefackelt und auch nicht bedroht. Wir machen halt nicht die Fehler der Amis", sagt Erös. Die Projekte des Hilfswerks seien "Einrichtungen von Afghanen für Afghanen. Sie bauen die Schulen ja auch selbst, und nicht - wie bei den US-gebauten Schulen - ausländische Baufirmen."

Erös hat noch nie einen Cent staatlicher Förderung angenommen. Wer öffentliches Geld akzeptiere, müsse den Transfer über Bankkonten laufen lassen. Hätte die Kinderhilfe ein Konto in Kabul, würde das auch der Bankdirektor wissen, und dann wollten viele mitkassieren. "Normale Banken sind für Afghanen westliche Verbrechereinrichtungen, in denen das Geld verschwindet", sagt Erös. Er wickelt seine Geschäfte lieber in bar ab. Er tauscht mitgebrachte Euro in afghanisches Geld beim Geldwechsler, der in dem Land seit Jahrhunderten als ehrenwerte Person gilt. "Das ist eine Vertrauenssache, dafür brauche ich nicht einmal eine Quittung", sagt er.

Im Interview erzählt Erös, warum die Korruption in Afghanistan blüht, er aber noch nie Schmiergeld bezahlt hat, weshalb der Westen viele Milliarden am Hindukusch verschwendet hat und warum auf den Feldern so viel Schlafmohn angebaut wird.

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