Kinderarmut:Ein Gehalt reicht für Familien einfach nicht

Kind beim Sommerfest der Kinderhilfsorganisation Arche in Berlin

Die Bertelsmann-Stiftung forderte mehr Hilfe für Frauen am Arbeitsmarkt sowie Reformen der staatlichen Zahlungen für Kinder.

(Foto: dpa)
  • Das Ein-Verdiener-Modell reicht einer Studie zufolge oft nicht zur Sicherung des Familienunterhaltes aus.
  • Wenn Mütter in Paarfamilien über einen längeren Zeitraum keinen Job haben, steigt demnach das Armutsrisiko der Kinder.

Geht die Mutter nicht arbeiten, wächst für ihre Kinder das Risiko, von Armut betroffen zu sein - und zwar bei Alleinerziehenden ebenso wie in Paarfamilien mit einem bereits vorhandenen Verdiener. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung (hier als PDF). Armut bedeutet dabei, dass eine Familie mit weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens auskommen muss oder Hartz IV bezieht.

Die Bertelsmann-Stiftung fordert deshalb mehr Hilfe für Frauen am Arbeitsmarkt sowie Reformen der staatlichen Zahlungen für Kinder. Demnach wachsen in Familien mit einem Elternteil beinahe alle Kinder (96 Prozent) in dauerhaften oder wiederkehrenden Armutslagen auf, wenn die Mutter nicht arbeitet. Bei einer stabilen Teilzeitbeschäftigung der Mutter sinkt der Anteil dagegen auf 20 Prozent, wobei weitere 40 Prozent der Kinder weiterhin zumindest zeitweise Armutserfahrungen erleben. Arbeitet die Mutter über einen längeren Zeitraum Vollzeit, würden nur 16 Prozent der Kinder zeitweise mit Armut konfrontiert. In den meisten Fällen gelinge es aber, diese Erfahrung nicht dauerhaft werden zu lassen.

Auch in Paarfamilien steigt das Armutsrisiko für Kinder der Studie zufolge deutlich, wenn Mütter ihre Arbeit verlieren oder aufgeben. Sind diese über einen längeren Zeitraum hinweg nicht erwerbstätig, erleben 32 Prozent der Kinder dauerhaft oder wiederkehrend Armutslagen, 30 Prozent kurzzeitig. Arbeiten die Mütter dagegen in Voll- oder Teilzeit oder haben einen Minijob, sind nahezu alle finanziell abgesichert. "Kinderarmut hängt maßgeblich an der Erwerbstätigkeit von Frauen", erklärte Stiftungsvorstand Jörg Dräger.

Staatliche Leistungen in einem Teilhabegeld bündeln

"Müttern muss es erleichtert werden, arbeiten zu gehen", forderte er. Zugleich müsse das Unterstützungs- und Hilfesystem für Kinder es auffangen können, wenn die Mütter wegen der Familiensituation nicht erwerbstätig sein können. Kinder bräuchten auch "gemeinsame Zeit und Betreuung".

Die Stiftung macht sich unter anderem dafür stark, alle staatlichen Leistungen für Kinder in einem sogenannte Teilhabegeld zu bündeln und dieses in der Höhe stärker auf die Einkommenssituation der Eltern auszurichten. Wohlhabendere Familien sollten dann weniger bekommen, während ärmere besonders profitieren. "Das vorhandene Geld muss dort ankommen, wo es am meisten gebraucht wird", sagte Dräger.

Das IAB ist das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Definitionen von Armutslagen, wie in dieser Studie, sind allerdings umstritten. Die Bertelsmann-Stiftung verteidigte sie: "Armut bedeutet in Deutschland in der Regel nicht, obdachlos oder hungrig zu sein." Sie äußere sich aber "in materiellen Entbehrungen" und vor allem "Einschränkungen in der sozialen und kulturellen Teilhabe". Arme Kinder seien deutlich benachteiligt.

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