Kerkorian vs. DaimlerChrysler:Halbzeit in Delaware

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Eindeutiger Höhepunkt war der Auftritt des US-Milliardärs Kerkorian, der harte Vorwürfe gegen "Dschurgen Schrimp" erhob. Äußerungen des ehemaligen DaimlerChrysler-Bosses Eaton könnten jedoch für eine überraschende Wendung sorgen.

Am Ende lachte Richter Joseph Farnan, Jr., und verabschiedete sich ins Wochenende. Vier Tage lang hatte der 58-Jährige den Prozess zwischen dem Investor Kirk Kerkorian und dem Autokonzern DaimlerChrysler mit teilnahmsloser Miene verfolgt.

Nur zwei Mal stellte er den Zeugen Fragen, und Anwälte und Zuschauer beugten sich gespannt nach vorn, um ihn besser verstehen zu können.

Der Bundesrichter am Bezirksgericht in Wilmington (US-Bundesstaat Delaware) muss allein entscheiden, ob der Zusammenschluss zwischen Daimler-Benz und Chrysler 1998 eine Fusion oder eine Übernahme war.

Aufmüpfiger Kerkorian

Halbzeit in einem der ungewöhnlichsten Prozesse der Wirtschaftsgeschichte. Eindeutiger Höhepunkt war der Auftritt Kerkorians, des 86-jährigen Milliardärs aus Las Vegas. Die bohrenden Fragen von DaimlerChrysler-Anwalt Jonathan Lerner, den er mit Vornamen anredete, wehrte Kerkorian aufmüpfig ab: "Reden Sie nicht noch lauter. Okay?"

Dass er es als einst größter Chrysler-Aktionär mit Details des Zusammenschlusses der beiden Autokonzerne nicht so genau nahm, gestand Kerkorian gern ein: Er hatte Wichtigeres zu tun. Trotzdem verklagt der frühere Boxer DaimlerChrysler auf Schadenersatz in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar - die in den USA zulässigen Strafgebühren nicht eingerechnet. Einen außergerichtlichen Vergleich lehnt er ab.

"Dschurgen Schrimp" als Bösewicht

Jürgen Schrempp (59) - im Gericht meist als "Dschurgen Schrimp" unaugesprochen - ist der Bösewicht in der Geschichte, die die Anwälte von Kerkorians Investment-Gesellschaft Tracinda dem Gericht erzählten.

Sein Interview mit der britischen Wirtschaftszeitung Financial Times im Oktober 2000 und die Ablösung von Chrysler-Chef Jim Holden durch den Deutschen Dieter Zetsche wenige Wochen später sollen belegen, dass Schrempp als Vorstandschef der Stuttgarter Daimler-Benz AG von Anfang an die Übernahme von Chrysler im Sinn hatte, sie jedoch zur Beruhigung der Amerikaner als "Fusion unter Gleichen" tarnte.

Deutsche und Amerikaner, Amerikaner und Deutsche - in der Argumentation der Tracinda-Anwälte gibt es kaum eine andere Kategorie, die die Machtverhältnisse in einem international ausgerichteten Konzern beschreiben könnte. Ein Schaubild mit den Symbolen der Nationalflaggen links neben dem Zeugenstand verdeutlicht, dass von ursprünglich acht Amerikanern im Vorstand des neuen Unternehmens vom nächsten Jahr an nur noch einer übrig bleibt.

Schrempp als Zeuge

Wie es dazu kam und was er mit seinen umstrittenen Äußerungen gegenüber der Financial Times gemeint hat, wird Schrempp in der kommenden Woche dem Gericht selbst erläutern. Zusammen mit Bob Eaton hatte der Top-Manager zunächst das Führungsduo von DaimlerChrysler gebildet. Doch Eaton, Kerkorians einziger Kontakt zu dem Unternehmen, ging im März 2000 in den Ruhestand.

Vor Gericht verwechselte er mehrfach die Namen früherer Sparten des DaimlerChrysler-Konzerns. Schrempp ist seither die alleinige Nummer eins und kann nach Einschätzung von Beobachtern mit einer Verlängerung seines Vertrages auch über das Jahr 2005 hinaus rechnen.

Entspannung

Entspannt zurückgelehnt auf der Publikumsbank des Gerichtssaals saß Vincent Cappucci. Bei einem Vergleich von DaimlerChrysler mit Kleinaktionären, die aus dem gleichen Grund wie Kerkorian klagten, erstritt der New Yorker Anwalt im Sommer 300 Millionen Dollar - das Unternehmen wollte einen Geschworenen-Prozess unbedingt vermeiden.

Fast 70 Millionen Dollar davon können Cappucci und seine Kollegen wohl selbst einstreichen.

Der Prozess könnte jedoch durchaus noch eine positive Wendung für DaimlerChrysler nehmen. "Ich halte es für wahrscheinlich, dass Chrysler bankrott wäre, wenn es diese Fusion nicht gegeben hätte.", wie der frühere DaimlerChrysler-Co-Vorstandschef Bob Eaton über die Bedeutung des Zusammenschlusses mit Daimler-Benz für Chrysler sagt.

Sollte sich dies als richtig herausstellen, wären Kerkorians Anschuldigungen gegen den Konzern und "Dschurgen Schrimp" nicht haltbar.

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