Kein Geld für den Mittelstand:Furcht vor der Kredit-Fessel

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Erbschaftsteuerreform und Konjunkturflaute treiben Unternehmer um und halten diese vom Investieren ab. Das schlägt sich direkt auf die Kreditanfrage nieder - mit verheerenden Folgen.

Lena Deutsch

Unternehmenspleiten, Umsatzeinbußen und unsichere Finanzierungsmöglichkeiten: Die weltweite Konjunkturflaute hinterlässt ihre Spuren. Deshalb schrecken immer mehr Unternehmen vor einer Kreditaufnahme zurück.

Aufgrund der schlechten Auftragslage und der erschwer- ten Kreditkonditionen schrecken viele Unternehmen vor Investitionen zurück. (Foto: Foto: istockphoto)

Zwar hat sich dem Bundesverband deutscher Banken zufolge die Kreditanfrage bei den Privatbanken in Vergleich zum Vorjahr um fast 14 Prozent gesteigert, doch das sagt nichts über das veränderte Krisenempfinden der Kunden in den vergangenen Wochen aus.

Eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PwC) zeigt, dass im März 2008 die meisten Unternehmer der Finanzkrise noch relativ gelassen entgegensahen. Über die Hälfte aller Unternehmen fühlte sich damals "überhaupt nicht" betroffen. Heute denken das gerade noch 28 Prozent.

Angst vor Investitionen

Auch bei Versicherungsmakler Werner Kirchhoff aus dem mittelfränkischen Heroldsberg gingen die Aufträge quasi über Nacht zurück: "Im August ging ich noch optimistisch in den Urlaub, doch als ich Anfang September wiederkam, war die Lage eine ganz andere." Und der große Einschnitt kommt erst noch: Für 2009 erwartet der Unternehmer Umsatzeinbußen von 20 Prozent. Von seiner geplanten Immobilieninvestition zur Erweiterung der Firma nimmt er deshalb erstmals Abstand. "Eine Gebäudeinvestition ist derzeit ein zu großes Risiko."

Kirchhoff steht mit seiner Entscheidung nicht alleine da: 44 Prozent der Mittelständler wollen angesichts der eingetrübten Geschäftserwartungen ihre geplanten Investitionen vorerst aussetzen. Selbst der Deutschland-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, musste kürzlich zugeben, dass für das laufende vierte Quartal des Jahres 2008 mit einer "unterdurchschnittlichen Entwicklung bei der Kreditnachfrage" im Mittelstand zu rechnen sei - und das trotz eines steigenden Kreditvolumens bis September 2008.

Für Professor Fritz Wickenhäuser, Präsident des Bundes der Selbständigen und Geschäftsmann, zählen neben der wirtschaftlichen Entwicklung und der unsicheren Kundenlage insbesondere die Rahmenbedingungen bei den Banken. Weil die derzeit "alles andere als rosig aussehen", will er seine geplante Hotelvergrößerung erst mal auf Eis legen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso die Kreditkonditionen bei den Banken viele Unternehmer von Investitionen abschrecken.

Härtere Kreditkonditionen

Aufgrund der Regelungen der Erbschaftsteuer investieren viele Unternehmen nur zögerlich. (Foto: Foto: dpa)

Professor Norbert Winkeljohann, Mitglied des PwC-Vorstands und Leiter des Bereichs Mittelstand, bestätigt die Verschlechterung der Kreditkonditionen. "Banken beginnen kleinere Unternehmen mit überschaubarem Finanzbedarf und transparenteren Risiken zu bevorzugen."

Zwar weist der Bundesverband deutscher Banken Vorwürfe einer zögerlichen Kreditvergabe zurück, doch die PwC-Studie zeigt, dass sich bei 35 Prozent der größeren Unternehmen die Finanzierungsbedingungen verschlechtert haben. Selbst bei den kleineren Mittelständlern sind es noch 13 Prozent. Hinzu kommt die Furcht vor einer Kürzung der Kreditlinie. "Ein großes Problem ist auch die Frage der Besicherung und die Rating-Einstufung," sagt Kirchhoff. "Ich kann überhaupt nicht einschätzen, wo wir landen werden." Für viele Unternehmen ist das Grund genug, ihre bisherigen Finanzierungskonzepte gründlich zu überdenken.

Wickenhäuser will sich jedenfalls nicht mehr gänzlich auf die Banken verlassen: "Hat man früher die Kreditfinanzierung noch ganz locker gesehen, so überlegt man sich heute Alternativen." Für eine langfristige Finanzierung brauche man ein gewachsenens Vertrauensverhältnis zu den Banken, dieses sei jedoch in vielen Fällen zur Zeit belastet. Deshalb will der Münchner Hotelbesitzer lieber in einem kleineren Rahmen investieren und auf Eigenkapital zurückgreifen, anstatt zu 100 Prozent von den Banken abhängig zu sein.

"Erhebliche Auslese 2009"

Ein weiteres Investitionshemmnis ist für Wickenhäuser die Erbschaftsteuerreform. Denn die Übergabe an die nächste Generation sei nur dann steuerfrei, wenn die Erben den Betrieb zehn Jahre lang weiterführen und die Arbeitsplätze dort erhalten. Dieses Risiko wollten viele Unternehmen nicht eingehen.

Eine mangelnde Investitionsbereitschaft über einen längeren Zeitraum hätte jedoch verheerende Folgen: "Es besteht die Gefahr, dass der Anschluss verpasst wird und damit das Unternehmen erst recht in einen Insolvenzstrudel gerät", sagt eine Sprecherin des Bundesverbands deutscher Banken. "Das käme einem Domino-Effekt gleich - sobald ein Stein schwankt, fällt die ganz Reihe." Für Kirchhoff ist das kein unwahrscheinliches Szenario: "Spätestens 2009 wird es eine erhebliche Auslese bei den Unternehmern geben und das gilt für viele Branchen."

Für den Unternehmer steht deshalb fest: Er wird erst wieder investieren, wenn die Risiken abschätzbarer sind. "Schließlich darf eine Investition nicht zu Lasten von Arbeitsplätzen gehen." Selbst wenn das heißt, dass die Mitarbeiter bis auf weiteres im Homeoffice arbeiten.

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