Kein Bedienzuschlag bei der Bahn:Mehdorns neues Waterloo

Der Bedienzuschlag bei der Bahn wird schon vor der Einführung kassiert. Bahnchef Hartmut Mehdorn blamiert sich - mal wieder.

Melanie Ahlemeier

Bahnchef Hartmut Mehdorn spricht gerne von seinem großen Vorbild Napoleon. Der kleine Franzose habe nicht nur im Rechts- und Gesundheitssystem Bahnbrechendes geleistet, sondern sei "auch ein begnadeter General" gewesen.

Mehdorn, ddp

Bahn-Chef Hartmut Mehdorn ist mit der Einführung des Bedienzuschlags gescheitert.

(Foto: Foto: ddp)

Mehdorn ist der General der Bahn. Und zu den Aufgaben eines Generals gehört, regelmäßig Dienstanweisungen an die Untergebenen auszugeben. So wie jetzt mit dem geplanten Bedienzuschlag der Bahn. 2,50 Euro - so die Idee des Managers - sollten all jene Bahnkunden pro Ticket zahlen, das am Schalter gekauft wird. Macht für Hin- und Rückfahrt zusammen fünf Euro extra. Die Servicegebühr sollte der Bahn ordentlich Cash in die Kasse spülen - neben der geplanten Ticketpreiserhöhung von knapp vier Prozent. Denn der für Oktober angestrebte Bahn-Börsengang wird nicht billig. Seit mehr als zwei Jahren bereitet Mehdorn dieses Werk vor - mit Vehemenz und Hartnäckigkeit, manchmal auch mit Verbissenheit. Soweit passt das zu einem General.

Doch nur zwei Wochen nach der Ankündigung des Bedienzuschlags ist das Projekt schon wieder tot. Nicht nur Verbraucherschützer und Gewerkschafter, auch die Regierung hat Druck auf Mehdorn gemacht. Und das war gut so.

Nicht die erste Blamage

Am Freitagmorgen nun hat sich Mehdorn diesem Druck gebeugt. Wie sehr die Hütte bei der Bahn brennt, zeigt auf imposante Weise die entsprechende Pressemitteilung der Deutschen Bahn. "Die DB hat am heutigen Freitag entschieden, keinen Zuschlag für den personenbedienten Verkauf einzuführen" steht da als alleiniger Satz unter der Überschrift "DB führt keinen Bedienzuschlag ein" und neben der Ortskennung Berlin plus Datum 12. September 2008. Kein Versuch der Begründung, kein Ansatz einer Erklärung. Dieser eine Satz zeigt vor allem, dass der "Napoleon der Bahn" einmal mehr an seiner eigenen Kommunikation gescheitert ist. Kein erfahrener Manager führt nur wenige Wochen vor einem geplanten Börsengang seines Unternehmens öffentlich eine Strafgebühr für die Kunden ein - in diesem Fall den sogenannten Bedienzuschlag. Jeder kann erahnen, dass es um eine verkappte Preiserhöhung geht, für die nur ein schönerer Titel gefunden werden musste.

Kanzlerin Angela Merkel hat den Bahnchef ins Gebet genommen und sich für den Verzicht auf den Bedienzuschlag beim Kauf von Fernzugtickets, Sparpreis- und Auslandsfahrkarten am Schalter ausgesprochen. "Sie lässt nicht viel Luft in diesen Gesprächen, ist manchmal auch spürbar misstrauisch und hinterfragt sehr genau", hat Hartmut Mehdorn vor rund einem Jahr in einem Gespräch mit dem Publizisten Hugo Müller-Vogg über die Kanzlerin gesagt. So dürfte es auch jetzt in dem Telefonat mit dem Bundeskanzleramt gewesen sein. Denn noch hat der Bund das Sagen bei der Bahn.

Abstimmung mit den Füßen

Der Bahnchef - studierter Maschinenbauer, Ex-Airbusmanager und Ex-Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Druckmaschinen - hat sich mit seiner Preispolitik schon mehrfach blamiert. Am schlimmsten fiel Mehdorn mit der Preisreform im Dezember 2002 auf die Nase. Damals verordnete er der Nation das Preissystem "Plan&Spar", das außer den Bahn-Strategen - die daran fünf Jahre geabeitet hatten - niemand verstand. Im Grunde sollten sich Bahnfahrer verhalten wie Flugzeugpassagiere - weit im voraus buchen und gegebenenfalls hohe Stornogebühren zahlen. Weil Mehdorn auch noch kurzerhand die BahnCard 50 abschaffen ließ, reagierten die Kunden mit den Füßen: Die Fahrgastzahlen brachen ein, das neue Preissystem war grandios gescheitert. Nur ein paar Monate später musste der Bahnchef die BahnCard 50 wieder einführen und das Preissystem radikal vereinfachen. Die japanische Verbeugung bei schwerem Amtsmissbrauch zeigte Mehdorn aber auch da nicht. Nach dieser 180-Grad-Drehung sagte er nur: "Wir haben verstanden."

Verstanden hat der General Mehdorn offenbar auch jetzt. Wenn auch erst nach dem Eingreifen Merkels und der entsprechenden Krisensitzung des Bahn-Vorstandes. Er ist eben ein selbsternannter General, der seinem großen Vorbild Napoleon nacheifert. Nur dumm, dass ihm dabei zu häufig ein Waterloo widerfährt.

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