Kehrtwende in der Griechenlandhilfe:EZB sagt Athen Unterstützung zu

Lange sah es so aus, als sperre sich die Europäische Zentralbank gegen weitere Hilfen für Griechenland - jetzt scheint der Druck zu groß geworden zu sein: Die EZB erklärte, auf Milliardengewinne aus Griechenland-Anleihen verzichten zu wollen. Für den klammen Staat ein wichtiger Schritt aus der Schuldenkrise - sofern der Plan der Notenbanker aufgeht.

Helga Einecke und Alexander Hagelüken

Manchmal braucht es im Nebel der Rätselsätze und Halbdementi den einen klaren Satz, den die Öffentlichkeit verstehen kann. Gerade in der endlosen Euro-Krise, die das Publikum mit jeder Woche mehr verwirrt. Der belgische Notenbankchef Luc Coene sprach diesen Satz nun aus: "Wir haben uns geeinigt, keinen Gewinn aufgrund von Transaktionen mit Griechenland zu machen", sagte Coene, als er in Brüssel seinen Jahresbericht vorstellte.

Euro-Zeichen und Notrufsäule

Die Europäische Zentralbank erklärte sich bereit, auf Milliardengewinne aus Griechenland-Anleihen zu verzichten.

(Foto: dpa)

Was der 64-Jährige da fallenließ, war bisher noch von kaum einem Notenbanker so klar zu hören: Die Europäische Zentralbank (EZB) steht bereit, dem klammen Euro-Land im Süden mit vielen Milliarden zu helfen - es kommt nur noch auf die Details an.

Coenes Aussage bringt Klarheit in all die Worthülsen zahlreicher Notenbanker, die man bisher so verstehen musste, als sperre sich die EZB gegen eine Hilfe. Sie sperrt sich offenbar aber inzwischen nur gegen bestimmte Formen der Hilfe.

Nimmt man Coenes Wortmeldung mit Äußerungen von EZB-Präsident Mario Draghi und dem deutschen EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen zusammen, ergibt sich klar, wie alles laufen könnte. Um Griechenland zu stabilisieren, hat die Zentralbank seit Mai 2010 Staatsanleihen im Volumen von schätzungsweise 50 bis 55 Milliarden Euro gekauft - wegen der Athener Malaise zu Kursen von weit unter 100 Prozent. Wer die Papiere bis zur Fälligkeit behält, bekommt dafür von Griechenland aber 100 Prozent zurück, falls das Land nicht pleitegeht.

Die EZB macht mit ihren Athen-Anleihen in ihren Büchern jedes Quartal automatisch Gewinn, weil die Papiere in Erwartung der Fälligkeit immer etwas mehr wert werden. Insider schätzen die möglichen Buchgewinne auf zehn bis 15 Milliarden Euro - viel Geld für die finanzschwache Regierung in Athen.

EZB unter Druck

Die EZB hat Griechenland und anderen Euro-Staaten durch den Ankauf von Anleihen schon massiv geholfen (siehe Grafik). Trotzdem stehen die Notenbanker seit Monaten unter Druck, Athen zusätzlich zu helfen - durch den Verzicht auf ihre möglichen Gewinne. Nun ist eine Mehrheit von ihnen dazu bereit.

Funktionieren kann es so: Fallen aus den griechischen Papieren Gewinne an, erklärt Zentralbanker Asmussen, schüttet sie die EZB gemäß ihrer Satzung an die nationalen Notenbanken aus. Von dort geht das Geld weiter an die Regierungen. Es sei dann die Sache der Staaten, diese Beträge zur Finanzierung des Griechenland-Programms einzusetzen, erklärt Asmussen. Und der Belgier Coene ergänzt: "Wenn der Gewinn verteilt wird, soll jede Regierung selbst entscheiden, was davon für Griechenland ist."

Ein Plan mit vielen Haken

Der Haken an der Sache ist nur, dass Gewinne erst dann endgültig anfallen, wenn die EZB die Anleihen verkauft oder wenn sie fällig werden. Wie sollen die Griechen also an das Geld kommen? Nach den strengen Regeln der Buchhaltung der Notenbanken dürfen Buchgewinne nicht vorab ausgeschüttet werden. Bundesbankpräsident Jens Weidmann lehnt die Verteilung von Buchgewinnen denn auch deutlich ab: "Für Ausschüttungen hypothetischer Gewinne gibt es keine Grundlage", sagte er jetzt in einem Interview. Letztlich stünden die Steuerzahler für die Notenbankbilanz gerade. Diese dürften das ihnen anvertraute Vermögen nicht verschenken.

Das bedeutet, dass die Griechen einige Jahre auf das Geld beziehungsweise die Reduzierung ihrer immensen Schulden warten müssen. Oder die Euro-Regierungen finden einen Weg, diese Gewinne in irgendeiner Form frühzeitig zu realisieren.

Ein Mittel dafür wäre, dass der Rettungsfonds EFSF den Notenbanken die Griechenland-Anleihen zum aktuell niedrigen Kurs abkauft. Die Differenz zum Fälligkeitskurs von 100 Prozent könnte den Griechen zugutekommen - bei Absenkung ihres Schuldenstands. Eine solche Lösung wurde von den Euro-Regierungen erwogen, wird aber derzeit offenbar nicht intensiv betrieben. Eine Bereitschaft zum EFSF-Aufkauf sei nicht zu erkennen, sagt Weidmann.

Für die Zentralbank würde es richtig schwierig, wenn sie nicht nur auf Gewinne verzichten sollte, sondern sogar am Schuldenerlass für den maroden Euro-Staat teilnehmen sollte. Denn der Verzicht auf Forderungen gegenüber einem Staat ist eine monetäre Staatsfinanzierung, die den Notenbanken nicht erlaubt ist.

Prekär wäre auch ein erzwungener Schuldenerlass durch die privaten Gläubiger Griechenlands, bei dem die EZB nicht mitmacht. In diesem Fall könnte sie von Banken oder Hedgefonds verklagt werden - nach Einschätzung von Fachleuten mit guten Aussichten auf Erfolg gegen die Zentralbank.

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