Kaupthing-Pleite:Karlheinz, der Superheld

Ein deutscher Kunde der Pleite-Bank Kaupthing fordert in Reykjavik öffentlich sein Geld zurück. Inzwischen kennt ihn auf der Insel fast jeder.

Hannah Wilhelm

Karlheinz Bellmann nennt sich "lavcadio". Das klingt ein bisschen wie der Name eines Superhelden, und ein Held ist Bellmann auch gerade - zumindest für all die deutschen Sparer, die ihr Geld bei der isländischen Kaupthing Bank liegen haben. Seit fünf Wochen kommen sie nicht an ihr Geld, die Konten sind gesperrt, die Zukunft ist unklar. Sie sind hilflos, verlassen und scharen sich im Internet zusammen auf Foren wie http://kaupthingedge.foren-city.de.

Kaupthing-Pleite: 30.800 deutsche Kaupthing-Kunden bangen immer noch um ihr Geld.

30.800 deutsche Kaupthing-Kunden bangen immer noch um ihr Geld.

(Foto: Foto: Reuters)

Karlheinz Bellmann wollte nicht mehr hilflos sein. Also packte er am letzten Mittwoch seine Sachen, den feinen grauen Anzug, Hemden, die dunkelrote Krawatte mit den weißen Punkten, und flog in die isländische Hauptstadt Reykjavik.

Er will wissen, wo sein Geld ist, sucht Informationen aus erster Hand. Und er will aufmerksam machen auf die 30.800 deutschen Anleger, die wie er um ihr Geld bangen. 308 Millionen Euro haben sie investiert, sie haben sich verlassen auf das Versprechen, dass die isländische Einlagensicherung im Fall einer Insolvenz mit 20.887 Euro pro Kunde einspringt.

Ein Gesicht zur Krise

Doch als am 9. Oktober die Konten gesperrt und eine Insolvenz der Kaupthing Bank wahrscheinlich wurde, da kam schnell Unsicherheit auf, ob das alles so klappt mit der Entschädigung der deutschen Kunden. Denn die isländische Einlagensicherung ist klamm, hat kaum genug Geld, um die isländischen Kunden zu entschädigen, geschweigedenn die deutschen. Das will Karlheinz Bellmann nun den Isländern erzählen, denn er sei ja "nicht zum Kaffee trinken und Fisch essen hier".

Erzählen darf er, die isländischen Medien hören ihm begierig zu. Endlich gibt es ein Gesicht zur Krise. Und was für eins! Auf Karlheinz Bellmanns Stirn prangt eine eindrucksvolle Falte, sein Blick ist ernst, besorgt. 110.000 Euro lagen auf seinem Konto bei der Kaupthing Bank. Das ist alles, was er hat, sagt er der isländischen Journalistin in flüssigem Englisch ins Mikrophon. Er schlägt die Augen zu Boden, schüttelt den Kopf. Er sieht vertrauenswürdig aus, der graue Anzug und die rote Krawatte tun das ihre. Er ist das Gesicht zur Krise, und die isländischen Kameras halten drauf.

Elf Jahre lang hat der Mann aus der kleinen hessischen Stadt Dieburg Geld zurückgelegt für seine vier Kinder. Seine Eltern haben ein bisschen dazugegeben, die Großeltern auch. Erst kürzlich, am 24. September, hat er das ganze Geld auf ein Konto bei der deutschen Niederlassung der Kaupthing Bank überwiesen. Das Institut hatte in Deutschland massiv mit attraktiven Zinssätzen für Tages- und Festgeld um Kunden geworben. So hat sich Bellmann wie viele andere überzeugen lassen. Jetzt sei er hier, um Informationen zu bekommen, sagt er in das schwarze Mikrophon, und plötzlich wird seine Stimme lauter, fordernder.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Isländer Karlheinz Bellmann begegnen.

Karlheinz, der Superheld

Die geschädigten Sparer in Deutschland hält er online in Forumsbeiträgen auf dem Laufenden: "guten morgen deutschland, guten morgen island. island - wir sind da!", meldete er sich in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag. Im Flugzeug habe er schon zwei Isländerinnen getroffen, die auch Geld verloren. Die hätten aber immerhin 80 Prozent zurückbekommen. "Besser als nichts", kommentiert Bellmann.

Seit drei Tagen ist er nun in Island unterwegs, eilt von Termin zu Termin. Er nimmt an einer Menschenkette vor dem isländischen Parlament teil; er überreicht persönlich seinen Antrag auf eine Entschädigungszahlung bei dem Einlagensicherungsfonds ein; er trifft sich mit verantwortlichen Mitarbeitern in der Zentrale der Kaupthing Bank.

"Ich brauche Antworten"

Die Journalisten lieben ihn, sie begleiten ihn, wohin er auch geht. Der Hesse ist in den Hauptnachrichtensendungen zu sehen, er ist jetzt prominent. Das ist nicht weiter schwer in einem so kleinen Land, das mit gut 300.000 gerade mal halb so viele Einwohner hat wie Frankfurt am Main. Auf der Straße sprechen ihn mittlerweile Menschen an, schreibt Karlheinz Bellmann in seinen Internet-Beiträgen. Ob er der berühmte Deutsche sei, wollen sie wissen, und sie entschuldigen sich bei ihm, eine Schande sei es für Island, wie man mit den armen Deutschen umgehe. Eine Familie habe ihn sogar zum Essen eingeladen.

Während Karlheinz Bellmann durch die isländische Hauptstadt tourt, tut sich anscheinend etwas für ihn und die anderen Geschädigten: Am Donnerstagabend teilt die Bank Kaupthing mit, sie stehe kurz davor, die Einlagen deutscher Kunden zurückzahlen zu können. Die Bank habe in den vergangenen Wochen an einer Übereinkunft mit der deutschen Regierung über die Rückzahlung gearbeitet und hoffe nun, dass diese in den nächsten Tagen oder Wochen vorgenommen werden könne.

Dieser neuen Meldung trauen die Geschädigten in den Diskussionsforen noch nicht recht. Den Mann, der ihnen in Island ein Gesicht gegeben hat, feiern sie dafür umso überschwänglicher. "danke, lavcadio, danke, danke !!", schreibt einer, andere loben: "Ich bin zutiefst beeindruckt - erstklassige Leistung" und "Meine Hochachtung!!!". Nun fangen sie sogar an, Geld zu sammeln, für ihn, der für sie nach Island gereist ist. Denn Karlheinz Bellmann will noch eine Weile dort bleiben. Einem isländischen Internetdienst sagte er: "Ich brauche Antworten. Ich will sie nicht nur, ich brauche sie. Und ich werde nicht abreisen, bevor ich diese Antworten bekommen habe."

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