Kaufhof-Chef Mandac im Gespräch:"Für Lebensmittel ist kein Platz"

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Im Gegensatz zu Wettbewerbern wie Horten, Hertie oder Karstadt hat Kaufhof in den vergangenen Jahren allen Stürmen getrotzt. Der Chef der Kette, Lovro Mandac, äußert sich über neue Sortimente und die zu erwartenden Umbrüche in der Branche.

Stefan Weber

Viel hat sich geändert in den deutschen Warenhäusern, seit Lovro Mandac, 61, vor 17 Jahren die Führung von Kaufhof übernommen hat: Hertie und Horten sind ebenso von der Bildfläche verschwunden wie Kaufhalle und Kaufring. Rivale Karstadt versucht nach der Insolvenz gerade einen Neuanfang. Kaufhof hat allen Stürmen getrotzt. Aber jetzt sucht Eigentümer Metro einen Käufer für die Kette. Mandac, Sohn eines kroatischen Einwanderers, ist sicher: Bevor sein Vertrag als Kaufhof-Chef Ende 2013 ausläuft, werden die Karten in der Branche völlig neu gemischt.

Galeria Kaufhof in Chemnitz. Der Chef der Warenhauskette, Lovro Mandac, plädiert für flexiblere Öffnungszeiten. "Die Menschen wollen auch am Sonntag einkaufen. Dann haben sie Zeit, dann können sie die Familie mitnehmen." (Foto: ddp)

SZ: Herr Mandac, wie teuer ist es, ein Warenhaus so zu führen, dass es ständig auf der Höhe der Zeit ist?

Mandac: Warenhäuser müssen fünf Prozent ihres Umsatzes investieren, sonst verlieren sie schnell den Anschluss. Für den Kaufhof heißt das bisher, dass im Durchschnitt jedes Jahr ein dreistelliger Millionenbetrag in die Häuser gesteckt wird. Früher hat man sie gebaut und musste zehn Jahre keine großartigen Veränderungen vornehmen. Heute stellen sich häufig schon nach fünf Jahren neue Herausforderungen.

SZ: Warum ist das so?

Mandac: Die Welt um uns herum dreht sich immer schneller. Auch der Wettbewerb entwickelt stetig neue Konzepte. Darauf müssen wir reagieren.

SZ: Ihr Rivale Karstadt will mit 75 Millionen Euro 27 Häuser verschönern, in denen in den vergangenen Jahren nur das Nötigste investiert wurde. Was kann man mit diesem Budget machen, außer vielleicht neu zu streichen und Rolltreppen auszuwechseln?

Mandac: Sie werden verstehen, dass ich unserem Wettbewerber nicht vorgeben möchte, wie er sein Geld zu investieren hat. Aber neue Rolltreppen sind bei diesem Budget normalerweise nicht drin. Die Treppe an sich ist nicht so teuer, aber das Rein und Raus verschlingt viel Geld. Als wir in unserem Haus am Berliner Alexanderplatz neue Rolltreppen montiert haben, ging das nur mit Hilfe eines Hubschraubers.

SZ: Wenn der Karstadt-Konzern nicht das Budget hat, um seine Häuser wettbewerbsfähig zu machen - kommt er dann bald wieder in Schwierigkeiten?

Mandac: Bitte haben Sie Verständnis, dass ich zu unserem Wettbewerber nichts sagen möchte. Ich halte die Herausforderung jedoch für groß.

SZ: 2011 läuft der Sanierungstarifvertrag bei Karstadt aus. Dann muss das Unternehmen wieder 50 Millionen Euro zusätzlich an Personalkosten verkraften. Ist es möglich, in kurzer Zeit eine solche Summe zu erwirtschaften?

Mandac: Ich kann nicht für Karstadt sprechen. Es wäre aber auch für den Kaufhof eine langfristige Herausforderung, ein solches zusätzliches Ergebnis zu erwirtschaften.

SZ: Karstadt hat wenig Geld, und der Kostendruck wächst. Da dürfte es nicht lange dauern, bis das Thema einer Fusion mit Kaufhof wieder aktuell wird.

Mandac: Die Ankündigung des Eigentümers Nicolas Berggruen, das Unternehmen in drei Bereiche aufzuteilen, hat ja bereits zu Diskussionen geführt, dass es Karstadt langfristig in seiner jetzigen Form vielleicht nicht mehr geben wird. Es wird in der Warenhausbranche eine Konsolidierung geben, davon bin ich fest überzeugt. Und Kaufhof wird daraus gestärkt hervorgehen.

SZ: Ist die Konsolidierung in Deutschland nur ein Zwischenschritt zu größeren europäischen Bündnissen?

Kaufhof-Chef Lovro Mandac: "Wir können bei Technikartikeln zum Beispiel nur schwer gegen Media Markt, Saturn oder andere konkurrieren." (Foto: dpa/dpaweb)

Mandac: Auch grenzüberschreitende Bündnisse halte ich für möglich. Aber viele große europäische Warenhauskonzerne, ob in Spanien, Frankreich oder Italien, sind in Familienbesitz. Und da ist die Bereitschaft für Partnerschaften oft nicht so stark ausgeprägt.

SZ: Müssen zunächst Karstadt und Kaufhof zueinander finden, damit es dann zu einem grenzübergreifenden Verbund kommt? Oder kann es nicht auch sein, dass zunächst einer von beiden den Eigentümer wechselt?

Mandac: Es muss nicht zwingend zunächst eine nationale Lösung geben, damit die Konsolidierung auch grenzüberschreitend in Gang kommt. Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass ein europäischer Mitspieler Karstadt als Ganzes übernimmt.

SZ: Aber für Kaufhof würde sich in Europa ein Interessent finden?

Mandac: Kaufhof ist ein sehr attraktives Unternehmen, das für Investoren generell interessant ist. Das muss nicht zwingend jemand aus Europa sein.

SZ: Ihr Vertrag läuft bis Ende 2013. Werden Sie die großen Veränderungen in der Branche noch im Amt erleben?

Mandac: Ich bin davon überzeugt, dass es bis Ende 2013 Veränderungen in der Warenhaus-Landschaft geben wird. Wie diese aussehen werden, kann ich aber heute noch nicht vorhersehen. Dabei stehen wir ja nicht nur im Wettbewerb mit Karstadt, sondern auch mit vielen internationalen Ketten.

SZ: Ob Real, Media Saturn oder die Cash & Carry-Märkte - kein anderes Unternehmen im Metro-Reich hat im vergangenen Jahr besser verdient als Kaufhof. Trotzdem sucht Metro einen Käufer für die Warenhäuser, weil sie keinen Beitrag zur Internationalisierung leisten. Wie lässt es sich arbeiten, wenn man weiß, dass die Mutter einen loswerden möchte?

Mandac: Wir konzentrieren uns bei der Arbeit auf unser tägliches Geschäft. Für Pläne und Absichten unseres Aktionärs bin ich der falsche Ansprechpartner.

SZ: Der Kaufhof im Besitz eines Finanzinvestors - wie fänden Sie das?

Mandac: Die Frage unserer Eigentümerstruktur beschäftigt mich nicht - ich konzentriere mich auf unser tägliches Geschäft. Kaufhof ist aber so aufgestellt, dass er sich sowohl bei einem Finanzinvestor als auch bei einem strategischen Partner bewähren kann.

SZ: Wie müssen Warenhäuser ihre Sortimente zusammenstellen, um auch in Zukunft Kunden anzulocken? Gehören Lebensmittel noch dazu? Einige Häuser geben gerade diese Abteilung auf.

Mandac: Als ich Ende der achtziger Jahre zum Kaufhof kam, verkauften wir in mehr als 80 Häusern Lebensmittel. Heute gibt es nur noch 28 sogenannte Gourmet-Abteilungen. Das ist oft eine Frage des Platzes. Mit einer Lebensmittelabteilung von 300 Quadratmetern lohnt sich das nicht.

SZ: Was hat außerdem keinen Platz im Warenhaus der Zukunft?

Mandac: Wir können bei Technikartikeln zum Beispiel nur schwer gegen Media Markt, Saturn oder andere konkurrieren. Aber Hausgeräte, Zubehör und Mitnahmeartikel wie Wecker oder Föhne werden wir auch künftig anbieten. Bei allen Sortimentsentscheidungen stellen wir uns die Frage: Was bringt pro Quadratmeter den höchsten Rohertrag? Dann entscheiden wir - und das von Standort zu Standort oft sehr unterschiedlich.

SZ: Was rücken Sie statt Lebensmitteln und Technik in die Regale?

Mandac: Vor allem Mode und Accessoires. Da wollen wir noch mehr bieten als heute. Warenhäuser sind für viele Menschen ein Erlebnisbereich. Sie kommen rein, wollen schauen, fühlen, vergleichen und entscheiden sich erst dann. Deshalb ist die Verweildauer größer geworden. An Samstagen sind die Leute bis zu zwei Stunden in unseren Häusern; wochentags höchstens eine Stunde.

SZ: Im vorigen Jahr hat Kaufhof drei Standorte aufgegeben; in diesem Februar wurde ein Haus in Leipzig geschlossen. Wird es weitere Schließungen geben?

Mandac: Alle Häuser unterliegen einer ständigen Überprüfung, wenn die Mietverträge auslaufen. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Aktuell sind aber keine Schließungen geplant.

SZ: Wann steigt der Kaufhof ins Online-Geschäft ein? Das, was Sie bisher im Internet bieten, ist kaum der Rede wert. Es handelt sich um Aktionsartikel und seit kurzem auch um Spielwaren.

Mandac: Wir bieten schon jetzt 15 000 Artikel in unserem Online-Shop an. Von Herbst an sind wir dann auch mit Textilien online und bieten unseren Kunden ein echtes Multi-Channel-Angebot.

SZ: Das heißt?

Mandac: Die Warenvielfalt in unseren Filialen soll es auch im Online-Shop geben. Und wir wollen beide Vertriebswege vernetzen, so dass die Kunden die Wahl haben: Sie können im Internet bestellen und die Waren nach Hause geliefert bekommen oder in den Warenhäusern abholen. Und sie können online gekaufte Ware vor Ort umtauschen. Das dürfte die üblichen hohen Retouren, die dem Versandhandel im Modebereich Sorgen bereiten, reduzieren - und mehr Leute in die Filialen locken. Das erhöht wiederum die Chance auf zusätzliche Geschäfte.

SZ: Warum bestellen manche Leute zehn Hemden, wenn sie nur eins kaufen wollen, und schicken dann neun ausgepackt zurück?

Mandac: Weil es sie nichts kostet und weil es so einfach ist. Aber wenn sie die nicht gewünschte Ware ordentlich verpackt zurückschicken, ist es ja noch okay. Manche Kunden verhalten sich nicht gerade vorbildlich. Sie schicken getragene oder beschädigte Ware zurück. Die können wir mitunter nur wegschmeißen.

SZ: Dagegen lässt sich nichts machen?

Mandac: Nein, wir sind verpflichtet, die Ware zurückzunehmen. Solche Dinge muss man bei der Kalkulation berücksichtigen.

SZ: Welchen Umsatz strebt Kaufhof im Online-Geschäft an?

Mandac: In den nächsten Jahren streben wir mehr als 100 Millionen Euro an, das sind etwa drei Prozent unseres heutigen Gesamtumsatzes. Weitere, noch ehrgeizigere Ziele stecken wir uns erst einmal nicht. Denn es ist nicht einfach, eine stationäre Organisation wie den Kaufhof auf online umzustellen.

SZ: Seit der Liberalisierung der Öffnungszeiten können die Ladenbetreiber ihre Türen wochentags lange offenhalten. Ihnen reicht das nicht - warum?

Mandac: Die Menschen wollen auch am Sonntag einkaufen. Dann haben sie Zeit, dann können sie die Familie mitnehmen. Als Händler würde ich zwar niemals jeden Sonntag aufsperren. Aber wer will, sollte am ersten Sonntag im Monat sowie an allen vier Adventssonntagen öffnen dürfen. Dafür könnte er beispielsweise am Montag später öffnen oder am Abend früher absperren.

SZ: Ein hübscher Plan. Aber es gab schon viele solcher Ideen, die folgenlos blieben.

Mandac: Bei diesem Thema wünschen wir uns mehr Offenheit bei der Politik und den Arbeitnehmervertretern. Wenn der Laden dann öffnet, wenn die Kunden es wünschen, kommt Geld in die Kasse - und mit diesem Geld werden schließlich auch die Mitarbeiter bezahlt und Arbeitsplätze gesichert.

Interview: Stefan Weber

© SZ vom 26.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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