Kaufen oder nicht kaufen:Finanzinvestoren belauern TUI

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Muss der Tourismus-Konzern Angst vor einer Übernahme haben? Denn das angeschlagene Unternehmen ist vom Abstieg aus dem Dax bedroht. Buyout-Fonds halten TUI daher für ein Kaufobjekt. Ob es wirklich dazu kommt, hängt nicht allein von der Entwicklung des Konzerns ab.

Von Martin Hesse

Keine Frage: Sie könnten es. Aber an einen Dax-Konzern haben sich die großen Finanzinvestoren bislang nicht heran gewagt. Heftig wird derzeit über einen Einstieg so genannter Buyout-Fonds beim Touristikkonzern TUI spekuliert.

TUI-Chef Frenzl hat gut Lachen: am Freitag verzeichnete das Touristik-Unternehmen bereits wieder Kursgewinne. (Foto: Foto: AP)

Diese Fonds sammeln Geld bei vermögenden Investoren, Versicherungen, Banken und Pensionsfonds und stecken es in Firmen, die sie umbauen, sanieren oder zerschlagen. Alles mit dem Ziel, sie nach einigen Jahren mit Gewinn wieder zu verkaufen.

Doch wenngleich Buyout-Fonds die Firma TUI nach eigenem Bekunden grundsätzlich als interessantes Kaufobjekt ansehen, ist es unwahrscheinlich, dass Finanzinvestoren in den kommenden Jahren reihenweise Dax-Konzerne wie TUI angreifen. Obwohl sie das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (Mergers& Acquisitions, M&A) in Europa zunehmend dominieren.

Seit Ende 2001 haben Finanzinvestoren in Europa laut einer Studie von JP Morgan Firmenkäufe im Wert von 353Milliarden Dollar getätigt. Das sind 20 Prozent des M&A-Geschäfts. Die Studie zeigt auch, dass die Firmenkäufer immer größere Ziele in Angriff nehmen. Die Zahl der Übernahmen mit einem Volumen von eins bis zehn Milliarden Dollar ist in den vergangenen Jahren ständig gestiegen.

Auch der Kauf eines kleineren Dax-Konzerns wie TUI wäre für eine Gruppe von Investoren zu stemmen. Die großen Buyout-Fonds, auch Jumbo-Fonds genannt, könnten jeweils rund 700 Millionen Euro aufbringen, weitere Milliarden könnten sie über Kredite und Anleihen einsammeln. In Europa gibt es mindestens ein halbes Dutzend solcher Jumbo-Fonds, etwa Permira, CVC, Cinven, Apax oder Carlyle. Hinzu kommen als mögliche Käufer die großen Amerikaner wie KKR und Blackstone.

Doch sind Dax-Konzerne für die Buyout-Fonds überhaupt interessant? Beteiligungsfirmen suchen Unternehmen, die niedrig bewertet sind, stetig freie Mittel erwirtschaften und diversifiziert sind. Tatsächlich aber haben sich viele Börsenwerte von der Baisse noch nicht erholt. Freie Mittel erwirtschaften die Konzerne dagegen wieder häufiger - sie helfen möglichen Käufern, Kredite abzubezahlen, die für die Übernahme aufgenommen werden.

Ebenso wichtig aber ist die Diversifizierung: Vor allem Unternehmen, die verschiedene Geschäfte betreiben, eignen sich dafür, sie umzustrukturieren, Sparten herauszulösen und zu verkaufen. TUI etwa gilt für Käufer in erster Linie wegen der Schifffahrt-Tochter Hapag Lloyd als interessant, nicht wegen des Kerngeschäfts Touristik. Diese Bedingungen erfüllen jedoch nur wenige Dax-Unternehmen. Entweder sind sie schlicht zu groß, wie etwa die Versicherer, die Telekom und Siemens; oder bereits zu stark auf ein Geschäft fokussiert, als dass sich die Strategie völlig umkrempeln ließe - Beispiel BWM.

Es gibt weitere Argumente, die einen Einstieg bei TUI oder anderen unwahrscheinlich machen. Das vielleicht wichtigste: Finanzinvestoren sind bei den meisten Dax-Unternehmen nicht willkommen. TUI-Chef Michael Frenzel etwa hat das signalisiert, auch wenn ihm Spekulationen gelegen kommen dürften, um den Aktienkurs aufzupäppeln.

Eine feindliche Übernahme dieser Größenordnung durch einen Buyout-Fonds ist ohne das Einverständnis von Management und Aufsichtsrat nicht möglich. Erhalten die Firmenkäufer von diesen nicht detaillierte Informationen über das Unternehmen und dessen Schuldenstruktur, lassen sie sich kaum auf ein Abenteuer in Milliardenhöhe ein.

Ein größeres Hindernis sind die Eigentümerstrukturen deutscher Großkonzerne, wo meist Familien, Banken oder strategische Investoren große Anteile besitzen. Diese Protagonisten der Deutschland AG kaufen oder verkaufen ihre Aktien anders als reine Investoren nicht nur nach Rendite-Überlegungen. Erst recht nicht, wenn der Staat seine Hand im Spiel hat.

"Eine WestLB als größter TUI-Anteilseigner würde kaum an einen ausländischen Buyout-Fonds verkaufen", sagt ein Private-Equity-Manager. Ein Buyout-Fonds aber steigt in der Regel nur dann ein, wenn er sicher sein kann, mindestens drei Viertel der Anteile zu kontrollieren. Anders gelagert ist allem Anschein nach der Einstieg des US-Investors Brandes Capital Partners bei Volkswagen. Brandes geht Minderheitsbeteiligungen ein, die in der Regel nicht größer als fünf Prozent sind, und handelt damit eher wie ein gewöhnlicher Investmentfonds.

In Deutschland werden sich die Buyout-Fonds voraussichtlich weiter auf das konzentrieren, was sie bislang gemacht haben: Sie werden Sparten von Konzernen übernehmen, oder Firmen aus der zweiten oder dritten Reihe aufkaufen. Wer weiß: Vielleicht ist auch die vom Abstieg aus dem Dax bedrohte TUI in einigen Monaten ein Unternehmen der zweiten Reihe. Wenn der Preis stimmt, würden dann vielleicht auch TUI-Chef Frenzel und die WestLB schwach.

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