Kasino-Projekt "Euro-Vegas" bei Madrid:US-Milliardär baut Las Vegas in der spanischen Wüste nach

Crash? Welcher Crash? In Spanien werden Prestigeobjekte gebaut, als habe es in dem Land nie eine Immobilienblase gegeben. Madrid hat den Zuschlag für Euro-Vegas bekommen, eine gewaltige Kasino-Landschaft, die der US-Milliardär Sheldon Adelson in die Landschaft stellen will. Barcelona zieht nach.

Sebastian Schoepp

Es soll das Paradies der Spieler und Spielsüchtigen werden: sechs große Kasinos mit mehr als tausend Roulette-Tischen und 16.000 Spielautomaten, zwölf Resorts und Hotels mit 36.000 Zimmern, dazu natürlich Golfplätze, Einkaufszentren, Restaurants, ein Theater und ein Stadion. Auf einer Fläche, die knapp doppelt so groß ist wie Gibraltar.

Spanien, Proteste gegen das Bauprojekt Euro-Vegas bei Madrid

Proteste gegen das Bauprojekt "Euro-Vegas" in Madrid: US-Milliardär Sheldon Adelson investiert in der spanischen Einöde.

(Foto: AFP)

"Euro-Vegas" heißt das Projekt, mit dem der amerikanische Milliardär Sheldon Adelson Las Vegas in der spanischen Einöde neu erstehen lassen will. Die Kosten werden auf eine Summe zwischen 17 und 27 Milliarden Euro geschätzt. Er verspricht bis zu 250.000 Arbeitsplätze, ein gewichtiges Argument in einem Land mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit, weshalb sich Lokalpolitiker um das Projekt reißen. Nun hat die Region Madrid den Zuschlag bekommen. Mit dem Bau soll so bald wie möglich begonnen werden, 2016 sollen die ersten Zocker einfliegen, man rechnet vor allem mit Gästen aus Russland, China, Indien und den Golfstaaten.

Die Regionalpräsidentin von Madrid, Esperanza Aguirre, eine der schillernderen Figuren im Club der spanischen Provinzfürsten, jubilierte: Euro-Vegas sei "eine wichtige Investition in Zeiten der Krise". Auch von der Zentralregierung kam Lob: Euro-Vegas sei ein positives Signal für die spanische Wirtschaft und ein Zeichen dafür, dass das Vertrauen zurückkehre, sagte Wirtschafts-Staatssekretär Jaime García-Legaz.

Fabrik der Spielsüchtigen

Kritiker hingegen sind eher der Meinung, Euro-Vegas zeige, dass Spanien nichts aus der Spekulations-Krise gelernt habe. Das Projekt beute Ressourcen aus, um eine Fabrik der Spielsüchtigen zu schaffen, schäumte der Generalsekretär der Linkspartei, Cayo Lara. Die den oppositionellen Sozialisten nahestehende Zeitung El País schrieb: Mit Euro-Vegas setze Spanien seine Würde aufs Spiel.

In der Tat ähneln die Bedingungen, zu denen Sheldon Adelson Euro-Vegas bauen will, denen in einer Bananenrepublik: Gewerkschaften haben darin nichts zu suchen, er bekommt Sonderkonditionen bei den Steuern, die Arbeitsverträge müssen nicht spanischen Gesetzen genügen, und sogar das mühsam erkämpfte Rauchverbot wird gelockert, weil vor allem Chinesen gerne am einarmigen Banditen qualmen.

Doch seit Spanien in den wirtschaftlichen Kollaps taumelt, kommt vielen Politikern alles zupass, was irgendwie Erholung verspricht. Megabauvorhaben haben daher weiterhin Konjunktur - obwohl es genau solche Projekte waren, die Spanien in die Krise führten. Bei Alicante steht bereits das Pleiteprojekt Terra Mitica, ein riesiger Vergnügungspark und Korruptionssumpf, der die Bank Caja Mediterranea mit in den Abgrund riss.

Barcelona gibt nicht klein bei

Auch das im Bieterkampf um Euro-Vegas unterlegene Barcelona will nicht klein bei geben und setzt auf Großmannssucht. Dort sind nun gleich sechs neue Vergnügungsparks geplant, die unter anderem das Kreuzfahrtpublikum anlocken sollen. Der größte, Barcelona World, soll gleich neben einem bereits bestehenden Budenzauber in die Höhe wachsen, bei Port Aventura in Salou, wo ein katalanisches Fischerdorf aus der Retorte mit einem Westerndorf, Achterbahnen und einem künstlichen Maya-Tempel um Besucher buhlen. Barcelona World soll nun noch eins draufsetzen.

Kataloniens Arbeitsminister Francesc Xavier-Mena posaunte, das sei eines der größten touristischen Projekte Südeuropas, das Katalonien zu einer der wichtigsten Destinationen der Welt machen werde. Es ist der altbekannte großsprecherische Duktus spanischer Provinzpolitiker, die die Regionen des Landes in die Pleite geführt haben.

"Wir sind jetzt echt eine Bananenrepublik"

Während Barcelona World wenigstens zum großen Teil von Privatinvestoren bezahlt werden soll, wird die öffentliche Hand bei Euro-Vegas tief in die - eigentlich leeren - Taschen greifen müssen, denn es müssen gewaltige Erschließungen getätigt werden, um die Kasinolandschaft mit Verkehrsanbindung, Kanalisation und Wasser zu versorgen - keine leichte Aufgabe im staubtrockenen Umland von Madrid, wo das Grundwasser seit Jahren für Swimmingpools und die Bewässerung von Golfplätzen abgesaugt wird. Die genauen Konditionen wurden hinter verschlossenen Türen ausgehandelt.

Die Begeisterung der konservativen Volkspartei (PP) von Esperanza Aguirre bestätigt die These des Journalisten und Schriftstellers Enric Juliana, der schreibt, zum Löschen habe Spanien die Brandstifter gewählt, nämlich die Volkspartei, die den fatalen Immobilienboom in ihrer Regierungszeit von 1996 bis 2004 durch eine ultraliberale Bodenpolitik erst ausgelöst hatte.

Nun macht die PP genau in diesem Stil weiter. Sie setzt auf Megabauprojekte anstatt in Spanien die dringend benötigte und von Europa geforderte Produktivität zu erhöhen, kritisierte die spanische Linkspartei. An Bildung, Erziehung, Wissenschaft und Gesundheit werde gespart, doch einem umstrittenen US-Milliardär würden alle Türen geöffnet. Sheldon Adelson ist laut Forbes der zwölftreichste Mann der Welt, ein Kasino-Mogul und einer der wichtigsten Wahlkampfspender für George W. Bush und den gescheiterten republikanischen Kandidaten Newt Gingrich.

"Madrid nicht in einen Puff verwandeln"

In Spanien sind es vor allem kleine Bürgergruppen, die gegen Euro-Vegas Front machen. Die Nachbarschaftsverbände von Madrid und Barcelona schrieben, Spanien brauche Qualitätsarbeitsplätze und keine "Maquiladora" nach südamerikanischem Vorbild. Maquiladoras sind Fertigungsstätten, in denen Billiglohnarbeiter für Großkonzerne schuften.

Die Verbände befürchten in Euro-Vegas Geldwäsche, organisierte Kriminalität, riesigen Energieverbrauch und eine Zerstörung des urbanen Gleichgewichts. Ein Leserbriefschreiber in El País bemerkt dazu: "Mir fällt das Gesicht runter vor Scham, wir sind jetzt echt eine Bananenrepublik." Auch Ex-Regierungschef Felipe González hat sich eingeschaltet: "Man darf Madrid nicht in einen Puff verwandeln", sagte er. "Wollen wir eine Erholung der Wirtschaft oder Operationen dieser Art? Wir müssen die Selbstachtung wahren."

Euro-Vegas ist kein Einzelfall. Landesweit werden munter Prestigeprojekte weitergeplant. Dazu gehört eine der größten Brücken Europas in Cádiz, die nach Meinung von Bürgerinitiativen nichts bringt außer mehr Verkehr in der Altstadt. In Mallorca soll eine Hotelanlage mit 1200 Betten am letzten unbebauten Strand in Es Trenc gebaut werden. Und der Chef von Banco Santander, Emilio Botín, will zur Mehrung seines Ruhms in seiner Heimatstadt Santander ein Kulturzentrum bauen, das, so die Planer, die "Physiognomie der Stadt nachhaltig verändern" werde.

Doch es gibt kein wirkliches Konzept, was darin dereinst stattfinden soll - ein Manko, das viele spanische Großprojekte der vergangenen Jahre gemeinsam haben. Was in Euro-Vegas passieren soll, ist hingegen jedem klar: Dort sollen Rubel und Yen rollen.

Linktipp: Die Facebook-Seite von "Eurovegas" sammelt (positive) Eindrücke zu dem gigantischen Projekt. Die katalanischen Gegner versammeln sich auf der Seite "Aturem Euro-Vegas!" (Stoppt Euro-Vegas!).

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