Kasino-Metropole:Paradies für Zocker

Auf Macao bauen Investoren Kasinos und Hotels um die Wette, bald könnte die Halbinsel Las Vegas überrundet haben und Welthauptstadt des Glücksspiels werden.

Janis Vougioukas

Das Bauwerk steht direkt am Ufer. Ein goldener Turm. Breite Spiegelfassaden. Vom Dach leuchtet ein roter Schriftzug auf das Meer: Sands. Es dämmert bereits, doch die Schnellboote und Hubschrauber-Shuttles aus Hongkong landen noch immer im Minutenrhythmus am Fährterminal. Viele der Passagiere gehen direkt ins Spielkasino nebenan, als ginge von dem Gebäude mit den roten Leuchtbuchstaben eine geheimnisvolle Sogwirkung aus.

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Der Ableger des Las-Vegas-Riesen "Sands" in Macao.

(Foto: Foto: AP)

Das Sands war vor zwei Jahren das erste amerikanische Riesenkasino, das in Macao eröffnete. 30 000 Menschen standen allein bei der Eröffnungsveranstaltung Schlange, nachdem die Zeitungen berichtet hatten, dass kostenlose Spielchips verteilt würden. Der Andrang geriet außer Kontrolle. Absperrungen wurden umgerissen. Irgendwann mussten die Wachleute aufgeben, obwohl die Meldung mit den Chips nur ein Gerücht war.

Mehr Veränderung als in 450 Jahren Kolonialzeit

Die Ankunft der Luxusspielhöllen hat in der ehemaligen, stets etwas verschlafen wirkenden portugiesischen Kolonialstadt eine neue Zeit eingeläutet. Und die Glücksspieler und Kasinoinvestoren haben die kleine Halbinsel mehr verändert, als die portugiesischen Kolonialherren es in 450 Jahren geschafft haben.

Frank McFadden empfängt Besucher in einem VIP-Salon mit tiefem Teppichboden und Panoramafenster. Diener reichen Getränke. Es riecht nach Zigarrenqualm. McFadden ist ein kräftiger Mann mit Glatze und freundlichem Gesicht.

Er ist der Geschäftsführer des Sands, ein gebürtiger Ire, nicht aus Las Vegas, doch er repräsentiert den Typ der neuen ausländischen Kasinomanager, die in Macao inzwischen an breiter Front die Geschäfte übernommen haben. Er lächelt. "Es hat nur neun Monate gedauert, bis unsere 265-Millionen-Dollar-Investition sich rentiert hatte", sagt McFadden. "Wir sind regelrecht überwältigt worden."

Jeden Monat ein neuer Palast

Viel ist in den letzten zwei Jahren passiert, doch das neue, bunte Macao ist noch lange nicht fertig. Über der Stadt rotieren die Baukräne. Es dröhnen Motoren. Im Februar 2002 endete nach 42 Jahren das Glücksspielmonopol des Multimilliardärs Stanley Ho.

Seitdem eröffnen fast jeden Monat neue, stets überdimensioniert wirkende Vergnügungspaläste. Und die Pläne werden immer phantastischer. Neben dem Fährterminal ist gerade ein 40 Meter hoher, Feuer spuckender Vulkan eingeweiht worden.

Sheldon Adelson, der amerikanische Unternehmer, der auch das Sands besitzt, plant auf dem Cotai-Strip ein ganzes Kasinoviertel mit 60 000 Hotelbetten. Das Haupthaus Venetian soll im Stil des mittelalterlichen Venedigs eingerichtet werden.

"Lasst ihnen den Spaß"

Chinesische Gondoliere werden italienische Lieder singen, Investitionssumme 2,3 Milliarden Dollar. Im Herbst eröffnet das Wynn, ein 20-stöckiges Riesenkasino für eine Milliarde Dollar. Stanley Ho kontert mit neuen Prunkpalästen. 2007 will er das erste Sechs-Sterne-Hotel der Stadt eröffnen.

Bisher sind selbst die astronomischsten Kalkulationen aufgegangen, weil Glücksspiel im riesigen China und im reichen Hongkong nebenan verboten sind. 18,7 Millionen Touristen kamen im vergangenen Jahr, und die Wachstumsrate liegt bei zwölf Prozent.

Paradies für Zocker

Bis Ende des Jahrzehnts, vermuten Glücksspielexperten wie Marc Falcone von der Deutschen Bank, könnte Macaos Kasinoumsatz Las Vegas überholt haben. Dann wäre Macao die Glücksspiel-Hauptstadt der Welt. "Milliarden Menschen wohnen im Umkreis von wenigen Flugstunden", sagt McFadden. "Warum sollte das nicht klappen." Er klingt ziemlich überzeugend.

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Das "Sands" in Macao: 319 Spieltische, 600 Slot Machines, 18 Restaurants auf 100 000 Qaudratmetern.

(Foto: Foto: Reuters)

Wer sich auf die Suche nach der Seele Macaos begibt, trifft früher oder später auf Pater Lancelot. Er war zwölf Jahre alt, als sein Vater ihn von Malakka nach Macao schickte, um ins Priesterseminar einzutreten.

Das war 1935. In den Sechzigern wurde im Obergeschoss des Postamtes am Largo do Senado der erste Radiosender Macaos gegründet, und Lancelot sang jeden Donnerstag live auf Englisch und Portugiesisch. Es hätte ewig so weitergehen können.

Asiatischer Wurmfortsatz Portugals

1974, nach der Nelkenrevolution, hatte Portugal versucht, seinen asiatischen Wurmfortsatz an China zurückzugeben. Doch Peking lehnte ab. Mao brauchte Macao als eine der wenigen Schleusen zur kapitalistischen Außenwelt.

Macao war immer eine Drehscheibe gewesen. 1513 tauchten die portugiesischen Karavellen erstmals im Delta des Perlflusses auf und nutzten die Bucht, um sich von den Taifunen zu erholen. Die Seeleute nannten den Ankerplatz in ihrer Sprache "Macao". Der Hafen wuchs.

Segler aus dem Westen ankerten und tauschten Opium gegen Sklaven und Seidenballen. In der Nacht vergnügten sich die Matrosen mit den Barmädchen in der Rua da Felicidade, die schnell zur berühmtesten Bordellmeile Asiens geworden war. Bergab ging es 1842, als die Engländer Hongkong gründeten. Schiffe und Händler zogen in die britische Kronkolonie. Die Prostituierten blieben.

Kasinoboom und Disneyfizierung

Als die Briten 30 Jahre später in Hongkong das Glücksspiel verboten, entdeckte Macao seine Marktlücke. Niemand wusste damals von der unheimlichen Macht der Karten und Würfel. Spielsucht, Drogenkonsum und Prostitution eroberten die Stadt.

"Das Spielen ist den Menschen ins Blut übergegangen", sagt Lancelot und schiebt seine Hornbrille hoch. Wenn man ihn fragt, ob Glücksspiel nicht eine Sünde ist, dann lacht der Pater laut und herzlich. "Ach, lasst den Menschen doch ihren Spaß", ruft er nur.

Macao akzeptiert den Kasinoboom und die Disneyfizierung der Stadt, weil die 35 Prozent Glücksspielsteuer Macao zu einem nie da gewesenen Reichtum verholfen haben. William Weidner, einer der amerikanischen Casinochefs in Macao, sagte einmal: "Es hat 75 Jahre gedauert, bis Las Vegas eine internationale Destination wurde. Wir wollen das hier in weniger als drei Jahren erreichen." Niemand in Macao hält das für unrealistisch. Und kaum jemand findet die Vorstellung beängstigend.

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