Kartellverdacht:Besuch am Montagmorgen

In der vergangenen Woche wurden bei BMW Unterlagen geprüft, an diesem Montag auch bei Daimler und VW: Die EU-Kommission weitet ihre Kartell-Prüfungen bei deutschen Autoherstellern jetzt aus.

Von Thomas Fromm

Die Prüfer der EU-Kommission kamen am Montag in der Früh, und sie wurden von Vertretern der deutschen Wettbewerbsbehörden begleitet. Wie es aus Industriekreisen heißt, war man dort längst auf diesen Besuch vorbereitet.

Nach Untersuchungen bei BMW wegen eines möglichen Autokartells in der vergangenen Woche war es nur noch eine Frage der Zeit, wann Ermittler der EU-Kommission damit beginnen würden, auch in Büros von Daimler sowie Volkswagen und der Konzerntochter Audi nach Belegen für mögliche Verstöße zu suchen. Beide Hersteller sprachen am Montag von "angekündigten Nachprüfungen" in ihrem Hause.

Bei den Vorwürfen geht es um die Frage, ob sich VW mit seinen Töchtern Audi und Porsche sowie Daimler und BMW über Jahre hin in geheimen Runden abgesprochen haben. Das angebliche Kartell, über das erstmals in diesem Sommer berichtet wurde, soll seit den 90er Jahren aktiv gewesen sein. Wäre dies so gewesen, dann wären sich die Autos der Rivalen in all den Jahren ähnlicher gewesen, als man dachte. Solche Absprachen wären vor allem zu Lasten der Kunden gegangen.

Noch aber ist nicht belegt, ob die Konzerne tatsächlich ein verbotenes Kartell gebildet oder ob sie lediglich in der Grauzone gearbeitet haben. So ist derzeit auch noch offen, ob die Kommission nach ihren Voruntersuchungen auch ein formelles Verfahren einleiten wird.

Für Daimler und VW zahlt es sich aus, zeitig mit den Behörden kooperiert zu haben

Das Verfahren der Prüfer ist immer dasselbe: Sie kommen, sichten und prüfen Unterlagen, und was ihnen wichtig erscheint, wird kopiert und mitgenommen. Und doch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen den Prüfungen bei Daimler und VW und der bei BMW in der vergangenen Woche: Bei BMW tauchten die Prüfer unangemeldet auf; bei den anderen beiden meldeten sie sich vorher an. Ein kleines, aber wichtiges Detail: VW und Daimler hatten schon vorher einen Antrag auf Kronzeugenschaft gestellt - sie waren also schon mit den Behörden im Gespräch. So wussten sie nicht nur, dass die Prüfer kommen und wann. Sie wussten wohl auch, nach was die Behörden suchten und konnten das Material im Vorfeld heraussuchen. BMW dagegen wurde von den Kronzeugenanträgen seiner Gesprächspartner überrascht - und wurde also ohne vorherige Ansage kontrolliert.

Man kann es so sehen: Für Daimler und VW zahlt es sich schon jetzt aus, zeitig mit den Behörden kooperiert zu haben. Man kann es aber auch anders sehen: BMW fühlt sich von seinen Kollegen überrumpelt - noch während man in Kooperationsgesprächen saß, erstatteten die Hausjuristen der anderen schon Rapport bei den Behörden. Wer als Kronzeuge auftritt, darf im Falle eines Prozesses und einer Verurteilung mit einer geringeren bis gar keiner Kartellstrafe rechnen.

Für BMW-Chef Harald Krüger bedeutet das: Seine Kollegen - VW-Chef Matthias Müller und Daimler-Boss Dieter Zetsche - haben sich durch ihre Kronzeugenbereitschaft in eine bessere Position gebracht. Denn schon allein wegen des Kronzeugenantrags ist man schon seit längerer Zeit mit den Behörden in Kontakt - und weiß also, wann welche Besuchstermine anstehen. Entsprechend groß ist der Unmut derzeit in München über das einseitige Vorpreschen der Kollegen. Von BMW-Chef Krüger weiß man, dass er an bestehenden Kooperationen wie etwa den gemeinsamen Bau einer Ladeinfrastruktur für Elektroautos trotz der jetzigen Lage festhalten wird. Von neuen Auto-Kooperationen aber wird man fürs Erste absehen. "Wir waren irritiert", sagt BMW-Einkaufsvorstand Markus Duesmann. Das ist wahrscheinlich weit untertrieben.

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