Kartellrecht soll reformiert werden:Soziale Machtwirtschaft

Wettbewerb belebt das Geschäft? Von wegen! An Tankstellen wird derzeit offenbar, wie wenig interessiert viele Anbieter an einem Preiskampf sind, Sprit ist so teuer wie noch nie. Die Regierung reformiert nun endlich das deutsche Wettbewerbsrecht, das illegale Preisabsprachen verhindern soll. Doch die Bundesregierung geht nur halbherzig gegen große Konzerne vor.

Markus Balser

Einmal Volltanken - wer derzeit an deutschen Zapfsäulen stoppt, ist schnell 90 Euro los. Mit 1,70 Euro pro Liter ist Sprit so teuer wie noch nie. Dabei sind die Ölpreise auf dem Weltmarkt weit von den Höchstständen entfernt. Wettbewerb belebt das Geschäft - bei Aral, Shell und Co. aber gilt: von wegen! Mal wieder können sich Verbraucher in Deutschland davon überzeugen, dass dieses simple Gesetz der Marktwirtschaft offenbar leicht auszuhebeln ist. Vor allem dann, wenn Märkte von mehreren großen Konzernen dominiert werden.

Denn dann ist die Versuchung besonders groß, gegen Kartellverbote zu verstoßen. An Tankstellen wird in diesen Tagen jedenfalls offenbar, wie wenig Interesse große Anbieter daran haben, der Konkurrenz mit niedrigeren Kampfpreisen Kunden abzujagen. Beginnt der Preiskampf, setzt eine Spirale nach unten ein. Die Gewinne würden schmelzen - bei allen.

Eigentlich soll das deutsche Wettbewerbsrecht den Missbrauch solcher Marktmacht verhindern. Doch die bekannt gewordenen Fälle sind eine lange Liste der Peinlichkeiten für den Gesetzgeber und die deutsche Wirtschaft. Allein in den vergangenen beiden Jahren verhängte das Bundeskartellamt wegen illegaler Preisabsprachen Strafen in einer Gesamthöhe von 500 Millionen Euro.

Den Schaden hat in jedem Fall der Verbraucher. Den Einzelnen treffen die illegalen Deals einflussreicher Unternehmen zwar oft nur im Cent-Bereich. Die Aufregung ist deshalb selten so groß wie beim Thema Benzin. Und das Entdeckungsrisiko für kriminelle Unternehmen ist bislang überschaubar: Klagen lohnen sich für den Einzelnen ohnehin nicht, wenn etwa Mehl für ein paar Cent zu viel im Supermarktregal steht. Gleichzeitig sind Preisabsprachen für Firmen eine Goldgrube. Meist geht es um Massenware. Millionenfach verkauft summieren sich die Kleinbeträge. Das fügt Volkswirtschaften erheblichen Schaden zu.

Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett nach langen Debatten endlich eine Reform des Kartellrechts. Die Ziele von Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) klingen gut: Mit der Reform wolle die Regierung die Missbrauchsaufsicht stärken und Verbrauchern mehr Rechte gegen wettbewerbswidriges Handeln von Firmen einräumen. Erstmals sollen auch Krankenkassen dem Kartellrecht unterliegen. Und freie Tankstellen sollen von Preisnachteilen bei der Belieferung durch die Mineralölkonzerne geschützt werden. "Ein wesentlicher Baustein am Fundament der Sozialen Marktwirtschaft", so lobt Rösler selbst seinen Vorschlag.

Röslers Plan droht, zum Papiertiger zu werden

Nötig wäre ein solch hartes Durchgreifen. Doch Röslers Plan droht in zentralen Punkten zum Papiertiger zu werden. Denn er selbst hat die Pläne seines Amtsvorgängers Rainer Brüderle abgeschwächt. Brüderle wollte mit harter Hand gegen zu große Marktmacht vorgehen. Ersten Entwürfen für die Gesetzesnovelle zufolge hätte das Kartellamt Unternehmen in diesem Fall zur Verkleinerung zwingen können, auch ohne ihnen illegale Praktiken nachzuweisen. So hatte es auch die Monopolkommission gefordert. Vor allem Energiekonzerne, aber auch Banken hätten so ins Visier der Bonner Behörde und der Politik geraten können. Die Industrie lief Sturm.

Mit Erfolg. Das Instrument der Entflechtung soll es nun zwar geben, aber in äußerst sanfter Form: Der Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung ist Voraussetzung dafür, dass das Amt Unternehmen zerschlagen kann. Doch Untersuchungen der Kartellbehörden haben gezeigt, wie schwer Kartellverstöße auszumachen sind. Die Behörde stellte fest, dass die Großen der Branche es nicht mal nötig haben, sich abzusprechen, weil sie sich aufeinander eingespielt haben, wie ein Tanzkreis. Die Politik vergibt damit die Chance, das 50 Jahre alte Gesetz endlich richtig schlagkräftig zu machen.

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