Kartellamt ermittelt:Der nächste Schlag gegen die Autoindustrie

Volkswagen - Production

Autoproduktion in Wolfsburg: Auch der VW-Konzern soll sich beim Einkauf von Stahl abgesprochen haben.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Das Bundeskartellamt untersucht, ob sich VW, Daimler und BMW beim Einkauf von Edelstahl abgesprochen haben.

Von Thomas Fromm, Klaus Ott

Es ist nicht so, dass dies gerade beschauliche Zeiten für die deutsche Autoindustrie wären. Da ist die Dieselaffäre beim Volkswagenkonzern, da sind die Diskussionen über zu hohe Abgaswerte in der ganzen Branche, dazu kommt der große technologische Druck der Neuen aus Kalifornien wie Tesla, Google und Apple.

Nun kommt der nächste Schlag für die Branche - diesmal aus einer ganz anderen Richtung: Hersteller wie Daimler, VW, und BMW und der Zulieferer Bosch sollen sich beim Einkauf von Stahl illegal abgesprochen haben; schon Mitte Juni sollen 50 Mitarbeiter des Bundeskartellamts Büros von sechs Unternehmen durchsucht haben. Es geht nach SZ-Informationen um mutmaßliche Absprachen bei Zuschlägen für Nickellegierungen und den Preisen für Schrott. Die Zuschläge veränderten sich teilweise innerhalb weniger Monate ziemlich stark; es handele sich um eine Art Preisausgleich im Rahmen langfristiger Verträge zwischen der Auto- und Stahlindustrie. Die Absprachen sollen bereits in den 90er Jahren stattgefunden haben und dann wieder von 2007 bis 2013. Da die Fälle aus den 90er Jahren verjährt sind, konzentriere sich die Behörde nun auf die Jahre 2007 bis 2013, heißt es. BMW, Daimler und VW bestätigten die Untersuchungen, wollten sich aber wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern. SZ-Informationen zufolge sollen die jetzigen Untersuchungen aus einem früheren Kartellverfahren hervorgegangen sein.

Dieses frühere Verfahren könnte möglicherweise mit dem Schweizer Edelstahl-Produzenten Schmolz+Bickenbach zu tun haben. Hier hatte das Bundeskartellamt im November 2015 eine Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit "dem Verdacht auf wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei der Festlegung von Zuschlägen bei Edelstählen bei verschiedenen Unternehmen der Edelstahlbranche" durchgeführt, teilte die Firma damals mit.

Das EU-Wettbewerbsrecht verbietet Absprachen sowohl unter den Anbietern wie auch unter den Abnehmern von Waren und Dienstleistungen. Es soll so verhindert werden, dass Preise nicht am Markt, sondern durch illegale Absprachen entstehen. Stahl gehört zu den wichtigsten Materialien beim Autobau - je billiger er eingekauft wird, desto besser kann der Autobauer hinterher beim Produktverkauf kalkulieren. Verstöße kann die Kartellbehörde mit Geldstrafen von bis zu zehn Prozent des Unternehmensumsatzes ahnden.

Allein VW hatte im vergangenen Jahr 213 Milliarden Euro umgesetzt. Allerdings wird der Strafrahmen selten ausgenutzt; ausschlaggebend sind am Ende auch die Dauer der Tat und ihr Umfang. Dennoch: Gerade eben erst haben die Wolfsburger wegen der Dieselaffäre einen Vergleich in den USA über 15 Milliarden Dollar abgeschlossen - weitere hohe Strafzahlungen kämen derzeit äußerst ungünstig.

Martin Gramsch, Kartell- und Wettbewerbsrechtler bei der Kanzlei Simmons & Simmons, hält es für "interessant, dass Kartellwächter bislang vor allem untersuchten, ob die Stahlhersteller ihre Macht gegenüber den Kunden ausspielten". Dass sie nun auch die Autoindustrie unter die Lupe nehmen, zeige: "Die Abnehmer haben wegen ihres hohen Einkaufsvolumens eine immer größere Marktmacht." Selbst größere Stahlunternehmen könnten in eine Abhängigkeit geraten, sollten sich Hersteller zu einem Preis-Kartell zusammentun.

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