Karmann baut keine Fahrzeuge mehr:Verdeck zu

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Ein "lupenreines Zulieferunternehmen" mit Spezialisierung auf Cabrio-Dachsysteme möchte das Osnabrücker Traditionsunternehmen Karmann werden - und keine Autos mehr bauen. 1725 Arbeitsplätze sollen wegfallen.

Das Osnabrücker Traditionsunternehmen Karmann wird sich aller Voraussicht nach aus dem Fahrzeugbau zurückziehen und bis zu 1725 weitere Stellen streichen. Aus der Produktion von Nischenfahrzeugen - dem bisher wichtigsten und bekanntesten Geschäftsfeld - werde das Unternehmen einen "geordneten Rückzug" einleiten, teilte der Cabrio-Hersteller und Autozulieferer am Donnerstag in Osnabrück mit.

"Geordneter Rückzug" aus dem wichtigsten und bekanntesten Geschäftsfeld: Karmann will keine Fahrzeuge mehr bauen. (Foto: Foto: dpa)

Bereits vor einem Jahr hatte Karmann die Streichung von 1770 Stellen eingeleitet, schon zuvor hatte es mehrere Entlassungswellen in unterschiedlichen Geschäftsbereichen gegeben.

Auftragsflaute

Grund für die beiden jüngsten Personalabbau-Schübe sind die Schwierigkeiten, Folgeaufträge für die bislang in Osnabrück und Rheine gebauten Mercedes Benz CLK und Audi A4 Cabriolet zu bekommen. Spätestens im August kommenden Jahres läuft die Produktion des CLK in Osnabrück aus. Bereits im Frühjahr 2009 endet die Fertigung des Audi Cabrios in Rheine. Die Sozialplanverhandlungen begannen am Donnerstag.

Karmann erwirtschaftete noch im Jahr 2007 mit knapp 7000 Mitarbeitern weltweit einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro. Künftig werden nach Planungen des Unternehmens rund zwei Drittel des Umsatzes und der Belegschaft weggebrochen sein. Karmann plant den Angaben zufolge mit einem Umsatz von nur noch 500 Millionen Euro und einem Kern von 2400 Mitarbeitern weltweit.

Das Unternehmen werde sich aber weiter für Folgeaufträge einsetzen, hieß es. Gleichwohl müsse aus arbeitsrechtlichen Gründen bereits jetzt mit den Sozialplanverhandlungen begonnen werden, damit spätestens im Januar die Kündigungen ausgesprochen werden können. Sollte es einen Neuauftrag geben, sollen die Entlassungen zurückgenommen werden.

Wachstum durch neues Geschäftsmodell

Karmann solle künftig zu einem "lupenreinen Zulieferunternehmen" werden, hieß es. Schwerpunkt sollen die Bereiche Cabrio-Dachsysteme und Fahrzeugentwicklung werden. Die technische Entwicklung solle um 300 Mitarbeiter - das sind rund 40 Prozent - aufgestockt werden. Unter anderem solle der Bereich Kleinserienbau ausgebaut werden. Kleinserien sind Fahrzeugserien mit weniger als 1000 Exemplaren pro Jahr. Hier sieht das Unternehmen Chancen bei der Entwicklung und Fertigung von Elektrofahrzeugen.

Nach Ansicht von Peter Harbig, dem Sprecher der Geschäftsführung, biete das neue Geschäftsmodell eine Basis, "von der aus weiteres Wachstum möglich ist". Das Knowhow Karmanns sei allseits höchst anerkannt. "Das ist der Dreh- und Angelpunkt, der Karmann nachhaltig zukunftsfähig macht", betonte Harbig.

Unklar ist die Zukunft der "Metal Unit" mit den Bereichen Werkzeugbau, Produktionssysteme, Presswerk, Module und Ersatzteile, für die Karmann einen Partner oder einen Kaufinteressenten sucht. Sollte sich ein Investor finden, seien 700 Jobs gesichert. Ohne neuen Geldgeber oder Käufer würde Karmann nur 250 Mitarbeiter in einer deutlich reduzierten Abteilung weiterbeschäftigen.

Unterstützung von Gewerkschaft und Politik

Der Osnabrücker IG-Metall-Bevollmächtigte Hartmut Riemann sprach von einer "Katastrophe". Die Stimmung bei der Betriebsversammlung habe zwischen "Enttäuschung und Wut" geschwankt. Neben der Chance, einen neuen Fahrzeugauftrag zu bekommen, sehe er in einem möglichen Verkauf des Unternehmens Rettungschancen für die Arbeitsplätze. Die Gesellschafter hätten bei der Betriebsversammlung am Donnerstag nochmals betont, dass nach Kaufinteressenten gesucht werde. "Falls es zu einem Verkauf kommt, sollte die Frage der Arbeitsplätze im Vordergrund stehen, nicht die nach einem möglichst hohen Verkaufspreis", sagte Riemann.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat den von Entlassung bedrohten Mitarbeitern Unterstützung zugesagt. "Jetzt geht es vor allem darum, sich um die von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer zu kümmern", sagte Wulff. "Dabei wird die Landesregierung weiter aktive Hilfe leisten." Die Perspektiven seien gut, "weil die Region Osnabrück-Emsland in Teilen Richtung Vollbeschäftigung unterwegs ist", fügte Wulff hinzu. Stadt und Land würden weiter für den Komplettfahrzeugbau bei Karmann kämpfen.

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