Kapitalflucht aus Griechenland:Die Drachme kann kommen

Erst in die Bank, dann in die Wahlkabine: Je näher die Abstimmung am Sonntag rückt, desto mehr Geld ziehen Anleger von griechischen Banken ab. Jeden Tag fließen Hunderte Millionen Euro aus dem Land ab - auch nach Deutschland. Dort rüsten sich die Banken für den Ernstfall und planen schon für die Zeit nach dem möglichen Euro-Austritt.

Täglich werden mittlerweile 500 bis 800 Millionen Euro abgezogen, sagen Insider - jeden Tag: Bargeldabhebungen, Online-Abbuchungen und Umschichtungen in deutsche oder amerikanische Geldmarktfonds. Die großen Banken in Griechenland erleben derzeit einen massiven Abfluss von Kapital. Und je näher die Parlamentswahl an diesem Sonntag rückt, desto größer wird der Sturm auf die Banken.

Zu unsicher ist die politische Lage derzeit in Griechenland. Zu ungewiss ist, ob eine neue, möglicherweise linksgerichtete Regierung, das Sparpaket mit der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds aufkündigen könnte.

Die Angst, dass Griechenland aus dem Euroraum ausscheren muss, ist groß. Auch Unternehmen fürchten, dass der Wert ihrer Einlagen rapide sinken wird, wenn erst die schwache Drachme wiedereingeführt wird.

Manche Banken bereiten sich bereits auf Notszenarien vor: Filialen, die geschlossen bleiben, damit kein Kunde mehr sein Konto leerräumen kann. Geldautomaten, die abgeschaltet sind oder nur noch minimale Mengen Bargeld auswerfen.

Eurogruppe erwägt Lockerungen beim Sparprogramm

Offiziell heißt es sowohl in Brüssel als auch in Berlin, dass man weiter davon ausgehe, dass Griechenland zu seinen Zusagen mit der Troika stehe. Doch inzwischen gibt es vonseiten der Eurogruppe erste Signale, dass man bereit ist, über Lockerungen des Sparprogramms zu verhandeln.

Nach SZ-Informationen haben sowohl Währungskommissar Olli Rehn als auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker angedeutet, dass man mit einer neu gebildeten griechischen Regierung über Details reden könne - nicht aber über die grundsätzliche Ausrichtung des Programms.

Von einem Bankensturm könne keine Rede sein, heißt es bisher aus griechischen Bankenkreisen. Die derzeitigen Geldabflüsse seien beherrschbar. Unterdessen rüsten sich die deutschen Banken vor der entscheidenden Griechenland-Wahl bereits für den Ernstfall. Sollten die Sparreform- und Euro-Gegner am Sonntagabend in dem Krisenstaat die Oberhand gewinnen, dann "glühen in den Frankfurter Bankentürmen die Telefondrähte", sagte ein Manager eines großen deutschen Geldhauses voraus. Dann werde voraussichtlich jedes Institut rasch Notfallpläne besprechen.

Hektisches Konferieren am Sonntagabend

Wie reagiert man, wenn die Märkte am Montag einbrechen? Welche Anlageempfehlungen gibt es für die Kunden? Welche Kosten drohen im Zahlungsverkehr, wenn in Griechenland die Drachme wieder eingeführt wird? Mit solchen Fragen müssen sich die Banken dann beschäftigen.

Am offensten hat sich bislang Hypovereinbank-Chef Theodor Weimer zum Stand der Vorbereitungen geäußert: "Wir haben heute in der Vorstandssitzung beschlossen, dass wir uns am Sonntag treffen für den Fall der Fälle", sagte er. Schließlich wolle man nicht der Letzte sein, der noch Euro in das Land überweist, betonte der Chef der Tochter der italienischen Bank Unicredit.

Aus dem Umfeld der Deutschen Bank und der Commerzbank war zu hören, dass keine Telefonkonferenzen für Sonntagabend geplant seien - auch für den Fall, dass die Euro-Gegner die Parlamentswahlen gewinnen. Denn vermutlich stehe erst in den Tagen danach genau fest, wie sich die politische Lage entwickele, sagte ein Bankmanager. Die Commerzbank betonte, dass sie bereits seit langem alle möglichen Entwicklungen in Griechenland durchgespielt habe. "Unsere Aktionäre, unsere Kunden und die Aufsichtsbehörden erwarten, dass sich die Bank sorgfältig und rechtzeitig auf alle Eventualitäten und Szenarien vorbereitet", sagte ein Sprecher.

Wie nervös die Finanzbranche vor dem wichtigen Wochenende ist, zeigen auch die mahnenden Worte des neuen Deutsche-Bank-Ko-Chefs Anshu Jain in Richtung Griechenland: "Es steht viel auf dem Spiel", sagte Jain und sprach von potenziell weitreichenden und langfristigen Folgen für Europa - und für die ganze Welt.

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