Kampf um mehr Geld:Wenn der Dreck einfach liegen bleibt

Feudel und Besen könnten schon bald ruhen: Die Gebäudereiniger drohen mit einem bundesweiten Arbeitskampf. Es wäre der erste überhaupt.

Sibylle Haas

Susanne Neumann steht hinter dem Rednerpult und hält eine Semmel hoch. "Noch nicht einmal ein trockenes Brötchen können sich viele von uns für die angebotene Lohnerhöhung kaufen", ruft die 50-Jährige auf dem Kongress der Gewerkschaft IG Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) Mitte September.

Wie knauserig die Arbeitgeber seien, habe mancher im Saal erst mit dem Brötchen-Beispiel kapiert, sagt Susanne Neumann. Sie ist Betriebsrätin in einer mittelgroßen Gebäudereinigungsfirma in Nordrhein-Westfalen. Seit 28 Jahren arbeitet sie als Reinigungskraft, seit 20 Jahren ist sie Betriebsrätin. Sie kennt sich aus. Deshalb ist Neumann auch Vorsitzende der Bundesfachgruppe der Gebäudereiniger in der IG BAU.

Der große Tag der Gebäudereiniger

Normalerweise wischt sie Schreibtische, reinigt Teeküchen, Toiletten und saugt Fußböden in Büros. Am Mittwoch aber ist Neumann zuhause in Gelsenkirchen; sie hat sich den Fuß gebrochen und wartet auf einen Kollegen, der sie im Auto zur Zentrale der IG BAU nach Frankfurt bringt. An diesem Donnerstag ist der große Tag der Gebäudereiniger. Dann werden sie darüber abgestimmt haben, ob sie zum ersten Mal in einen bundesweiten Arbeitskampf ziehen und der Dreck in Büros und an Flughäfen, in Schulen und Krankenhäusern für längere Zeit liegen bleibt.

Nach dem "Ja" zum Streik - damit wurde gerechnet - wird sich Susanne Neumann in Frankfurt mit ihren Gewerkschaftskollegen zusammensetzen, um alles Weitere zu besprechen.

Seit Jahresanfang schwelt der Konflikt zwischen der Gewerkschaft und dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks, der die Arbeitgeber vertritt. Es geht um mehr Geld für die Frauen und Männer der Innenreinigung, vor allem in den unteren Lohngruppen. Derzeit liegt der Mindestlohn bei 8,15 Euro in West- und bei 6,58 Euro in Ostdeutschland. Die IG BAU hat den Tarifvertrag gekündigt und fordert 8,7 Prozent mehr Geld.

Arbeitgeber bieten Lohnplus von drei Prozent

"Das ist nicht drin", sagt Johannes Bungart, der Geschäftsführer des Bundesinnungsverbands. "Viele Industriekunden haben Kurzarbeit, und wo nicht gearbeitet wird, wird auch nicht gereinigt", erklärt er. Die Arbeitgeber bieten ein Lohnplus von drei Prozent im Westen und von 3,6 Prozent im Osten an. 860.000 Menschen arbeiten in 30.000 Betrieben der Gebäudereinigung. 2500 Unternehmen sind laut Bungart im Bundesinnungsverband vertreten. Sie erzielten aber 85 Prozent des Marktumsatzes von fast zwölf Milliarden Euro. Dussmann, Piepenbrock und Wisag gehören zu den Großen der Branche.

Viele Putzkräfte sind in Teilzeit tätig

Schon heute ist aber klar, dass der Arbeitskampf nahezu unbemerkt ablaufen wird. Weniger als zehn Prozent aller Beschäftigten der Branche sind Mitglied in der Gewerkschaft, nach Angaben der IG BAU etwa 55.000 Reinigungskräfte. Bereits die Warnstreiks an Flughäfen, in Krankenhäusern und Fabriken blieben daher ohne weitreichende Folgen.

Ein Großteil der Putzleute sind in Teilzeit tätig oder haben Mini-Jobs, viele davon sind Frauen. "Sie brauchen das Geld und waren bisher ruhig, weil sie ihren Job nicht verlieren wollten", sagt Susanne Neumann. Dabei werde die Arbeit immer härter, die Zeitvorgabe zum Putzen immer kürzer. Ende September ist der Tarifvertrag ausgelaufen.

Er gilt für die bisher Beschäftigten weiter, jedoch nicht für Neueinstellungen. Da müssen Firmen lediglich darauf achten, dass die Löhne nicht so stark sinken, dass dies sittenwidrig ist - die Grenze liegt bei einem Minus von 30 Prozent.

Einige Firmen bieten neuen Mitarbeitern bereits Stundenlöhne von sechs Euro an. Andere haben auch schon Änderungsvereinbarungen an die bisher Beschäftigten geschickt, in denen es um eine entsprechende Lohnabsenkung geht. Susanne Neumann sagt: "Seitdem das die Runde macht, sind die Ängstlichsten die ersten, die jetzt anrufen und mir sagen, dass sie streiken werden. Denn zu verlieren haben sie nun nichts mehr."

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