Kampf um Hochtief:Berlin prüft Übernahmeregeln

Für Hochtief kommt die Hilfe möglicherweise zu spät. Dennoch: Die Regierung erwägt, Firmen vor ausländischen Investoren besser zu schützen - und knöpft sich das Übernahmerecht vor.

Sibylle Haas und Thomas Öchsner

Die geplante Übernahme des Essener Bauunternehmens Hochtief durch den größten Baukonzern Spaniens ACS hat die Koalition in Berlin stärker alarmiert als bisher bekannt. "Die Bundesregierung wird prüfen, ob und inwieweit im Lichte der aktuellen Ereignisse im Übernahmerecht weitere Pflichten eingeführt werden", sagte ein Regierungsvertreter. Dabei könne sich Deutschland auch an Regeln in anderen europäischen Staaten orientieren.

Betriebsversammlung bei Hochtief

Die Hochtief-Mitarbeiter bangen um die Zukunft: Können sich die Spanier mit ihrem Übernahmewunsch durchsetzen? 

(Foto: dpa)

Ein Hochtief-Sprecher sagte: "Wir begrüßen eine Angleichung an internationale Standards". Es könne nicht sein, dass sich ein hoch verschuldetes Unternehmen wie ACS auf Kosten eines gesunden wie Hochtief sanieren könne. Vorstand und Arbeitnehmer des Essener Baukonzerns haben sich in den vergangenen Tagen vehement gegen eine Übernahme durch die Spanier gewehrt. Der Vorstandsvorsitzende Herbert Lütkestratkötter war zweimal zu Gesprächen bei Merkels Wirtschaftsberater Jens Weidmann im Kanzleramt. Auch Betriebsratschef Siegfried Müller forderte die Politik auf, einzugreifen. ACS nutze eine Gesetzeslücke im Übernahmerecht.

ACS, mit derzeit knapp 30 Prozent größer Einzelaktionär des Essener Baukonzerns, will die Mehrheit von Hochtief übernehmen und den restlichen Anteilseignern acht eigene für fünf Hochtief-Aktien anbieten. Dies entspricht dem gesetzlichen Mindestpreis. Um auf Abwehrmaßnahmen von Hochtief reagieren zu können, plant ACS eine Kapitalerhöhung um bis zu sechs Milliarden Euro.

In Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Österreich und Irland sind die Vorschriften bei Firmenübernahmen viel strenger als in Deutschland. Dort sind Beteiligungen zwischen 30 und 50 Prozent an einem Unternehmen nur dann erlaubt, wenn der Investor die Anteile nur langsam aufkauft, etwa zwei Prozent binnen zwölf Monaten. Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bewertet eine Verschärfung des deutschen Übernahmerechts positiv. Bisher würden Aktionäre in Deutschland unterschiedlich behandelt. Die Strategie von ACS sei es, das Angebot an die Aktionäre so unattraktiv wie möglich zu gestalten, damit es keiner annehme und der spanische Konzern die für eine Übernahme nötigen Aktien dann billig über die Börse kaufen könne.

Der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor erklärt, die Regierungschefin sei daran interessiert, dass Hochtief seine industriellen Strukturen und seinen Sitz in Essen behalte. Davor hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel Merkel aufgefordert, mehr gegen eine mögliche Zerschlagung des Konzerns zu tun. Das Land Nordrhein-Westfalen denkt daran, eine Initiative zugunsten von Hochtief in den Bundesrat einzubringen.

Wiesehügel wirft Merkel Untätigkeit vor

Der Hauptverband der Bauindustrie drängt darauf, Schutzlücken im Gesetz zu schließen. Neue schärfere Regeln sind aber umstritten. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatte gesagt, "ein aktives Eingreifen der Politik" sei "ordnungspolitisch nicht angezeigt". Skeptisch äußerten sich auch mehrere CDU-Wirtschaftsexperten. Der frühere Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold, sagte: Selbst "wenn es an unsere Kronjuwelen geht, können wir keine Sonderregeln schaffen. Sonst ermuntern wir andere, das Gleiche zu tun." Der Wirtschaftsrechtler Uwe Schneider sagte indes: "Fälle wie Hochtief werden wir in Zukunft häufiger erleben, wenn der Gesetzgeber nichts tut."

Der Vorsitzender der Gewerkschaft IG BAU, Klaus Wiesehügel, warf Bundeskanzlerin Merkel Untätigkeit vor. "Die Kanzlerin hat viel zu lange tatenlos zugesehen. Jetzt muss sie den Essenern bei ihrem Abwehrkampf schnell helfen", sagte er. Der Baukonzern Bilfinger Berger würde sich einer Hilfe für Hochtief nicht verschließen und könnte sich einen Einstieg mit anderen vorstellen. Als weißer Ritter sehe sich Bilfinger aber nicht, sagte Bilfinger-Chef Herbert Bodner. Alleine könne und werde der Konzern keine Sperrminorität übernehmen.

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