Kampf um den Euro:Chinesische Versuchung

Retten die Chinesen den Euro? Seit Monaten wird darüber spekuliert, dass Peking mit seinen enormen Devisenreserven Europa helfen könnte. Der Plan ist bestechend, aber auch gefährlich.

Catherine Hoffmann

Seit Monaten schon wird spekuliert: Retten die Chinesen den Euro? Ein bisschen wenigstens? EU-Diplomaten zufolge könnte Europa die kapitalstarke Volksrepublik bald um Beistand bitten. Peking solle Europa aus der Schuldenkrise helfen und mit Geld aus seinem reichen Devisenschatz den Rettungsfonds EFSF aufstocken, so die Idee.

Derzeit werden zwei Varianten diskutiert, wie der Fonds von 440 Milliarden auf eine Größe von mehr als einer Billion Euro "gehebelt" werden könnte. Eine davon ist eine Versicherungslösung: Dabei sollen Investoren zum Kauf von Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder ermutigt werden, indem der Fonds im Notfall einen Teil des Verlustes übernimmt. Bei der zweiten Option kommt China ins Spiel: Neben dem EFSF soll ein Sondertopf eingerichtet werden, in den Länder einzahlen, die nicht Mitglied der Währungsunion sind - wie eben die Volksrepublik. Beide Modelle könnten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zufolge auch kombiniert werden.

Der Plan ist bestechend: Euro-Mitglieder wie Griechenland, die am Rande der Pleite stehen, aber auch Portugal, Irland, Italien und Spanien brauchen dringend Geld; die Chinesen haben es im Überfluss. Mit 2,4 Billionen Euro verfügt die Volksrepublik über die größten Devisenreserven der Welt. Angelegt ist das Geld vor allem in US-Staatsanleihen. Doch China versucht seit Jahren, die Abhängigkeit vom Dollar zu reduzieren.

Beharrliches Schweigen

Volkswirte schätzen, das der kommunistische Staat inzwischen rund ein Viertel seiner Reserven in Euro-Papiere investiert hat, vorzugsweise in relativ sichere deutsche Staatsanleihen. Zudem tut sich die politische Führung in Peking seit Sommer 2010 auch als Retter finanzschwacher Euro-Staaten hervor. Zuerst versprachen die Chinesen Hilfe für Griechenland, dann für die Portugiesen und Spanier. Angeblich war auch Italien mit China im Gespräch. Finanzminister Giulio Tremonti bestritt dies jedoch. Er habe sich zwar im September mit dem Vorsitzenden des mächtigen Staatsfonds China Investment Corporation, Lou Jiwei, getroffen. Bei den Gesprächen mit dem Investor aus Fernost sei es aber lediglich um industrielle Beteiligungen gegangen, nicht etwa um den Kauf einer großen Zahl von Staatsanleihen.

Wie viel Geld denn nun exakt von China nach Europa geflossen ist, lässt sich nicht genau bestimmen; die chinesische Seite schweigt beharrlich, wenn es um Zahlen geht - und die europäischen Länder wissen oft nicht so recht, wer ihre Schuldtitel kauft.

Es besteht aber kein Zweifel, dass China großes Interesse daran hat, Europa zu unterstützen. Allein schon deshalb, weil die Europäische Union der wichtigste Handelspartner der fernöstlichen Exportnation ist. Die 27 EU-Länder kauften im vergangenen Jahr chinesische Waren im Wert von 282 Milliarden Euro, beinahe 20 Prozent mehr als 2009. Unter einem Einbruch der europäischen Nachfrage würden also viele chinesischen Unternehmen leiden. Ein Kollaps des Euro wäre ein Albtraum für Peking, allein schon weil ein bedeutender Markt zusammenbräche und chinesische Elektronik und Textilien für etliche Euro-Länder plötzlich unerschwinglich würden.

Sollte Ministerpräsident Wen Jiabao also sein Versprechen aus dem Sommer wahr machen ("Wenn Europa Schwierigkeiten hat, strecken wir die helfende Hand aus"), hat das seinen Preis: Als Gegenleistung für Hilfen fordert Jiabao, dass die Europäer China endlich als Marktwirtschaft anerkennen. Mit dem begehrten Status würden Handelsschranken gegenüber chinesischen Produkten fallen. Wichtiger noch: Der Deal würde die Rolle Pekings als politische und wirtschaftliche Großmacht festigen. Skeptiker warnen bereits davor, die Hilfe anzunehmen - und sich so abhängig vom Reich der Mitte zu machen.

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