Kalifornien:Einladung zum Raubzug

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Selbst Hollywood steht zum Weed? Der berühmte Schriftzug in Los Angeles wurde kurzzeitig zum Statement.

(Foto: Damian Dovarganes/AP)

Das Geschäft mit Marihuana boomt dort. Meist wird bar bezahlt - die rechtliche Lage ist unklar. Wie soll ein Markt funktionieren, dessen Produkt auf Bundesebene illegal ist?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt eine Geschichte, die erzählen Kunden in den Marihuana-Läden Kaliforniens immer wieder und mit stets neuen gruseligen Details. Sie soll den Kollegen als Warnung dienen und gleichzeitig Aufforderung an die Gesetzgeber des Bundesstaates sein, ein gewaltiges Problem endlich zu lösen. Diese Geschichte geht so: Im Oktober 2012 soll der Besitzer eines Geschäfts in die kalifornische Wüste verschleppt worden sein, weil Verbrecher vermuteten, dass er dort die Einnahmen vergraben habe. Weil er nicht reden wollte, sollen sie den Mann ermordet haben.

Der Grund dafür, warum der Unternehmer angeblich über so viel Bargeld verfügte, ist eine Unstimmigkeit zwischen Kalifornien und den Bundesbehörden. In dem Bundesstaat ist Marihuana seit 20 Jahren als Arzneimittel erlaubt und seit der Wahl im November auch zum Genuss freigegeben. Auf Bundesebene allerdings ist Marihuana verboten, es wird in der gleichen Kategorie wie LSD, Heroin und Ecstasy geführt. Marihuana ist ein Beispiel, wie kompliziert es wird, wenn sich Gesetze auf Bundes- und Staatsebene widersprechen. Kalifornien strebt den Status eines "Sanctuary State" an, um eine gewisse Unabhängigkeit zu erlangen. Die örtlichen Behörden müssten dann Bundesbeamte bei Drogenrazzien nicht mehr unbedingt unterstützen.

Alle zahlen mit Kreditkarte, und diese wachsende Branche basiert auf Bargeld

Wegen dieser Unsicherheit, ob Cannabis nun Droge, Genussmittel oder Medizin ist, verweigern die meisten Banken den Marihuana-Apotheken das Führen von Geschäftskonten, weil sie fürchten, dass sie bei kriminellen Geschäften zur Verantwortung gezogen werden könnten. Zudem verursacht die aktuelle Gesetzgebung zusätzlichen bürokratischen Aufwand, sie erfordert peniblere Dokumentation sämtlicher Kontobewegungen. Die Inhaber der Apotheken müssen ihre Geschäfte deshalb fast ausschließlich in bar abwickeln und haben am Ende eines Geschäftstages oftmals sechsstellige Summen in den Kassen. Der Finanzminister Kaliforniens, John Chiang, sagt: "Es ist ein Problem, das wir dringend lösen müssen. Da liegt unglaublich viel Bargeld rum. Das ist eine Einladung zum Raubüberfall. Diesem Problem müssen wir schnell und praktisch begegnen."

Im vergangenen Jahr lag der landesweite Umsatz mit legalem Marihuana einer Studie des Marktforschungsinstituts Arcview zufolge bei 6,7 Milliarden Dollar, der auf dem Schwarzmarkt belief sich auf 49,4 Milliarden. Das Institut schätzt, dass sich aufgrund der fortschreitenden Legalisierung die legalen Einkünfte in den USA in den kommenden drei Jahren auf mehr als 20 Milliarden Dollar erhöhen dürften. Mittlerweile ist Cannabis in der Hauptstadt Washington und in 29 Bundesstaaten als Medizin zugelassen, in acht davon sogar als Genussmittel.

Bleibt die Frage: Wie soll ein Markt funktionieren, dessen Produkt auf Bundesebene illegal ist? "Die ganze Welt basiert auf Bezahlung mit Bargeld oder Kreditkarte", sagt Chiang: "Es gibt nun eine stetig wachsende Milliardenbranche, die ausschließlich auf Bargeld basiert - das kann nicht funktionieren." Er hat Anfang des Jahres die Cannabis Banking Working Group gegründet, in der Vertreter der Cannabis-Industrie, der Polizei, des Finanzministeriums, der Banken und Regulierungsbehörden nach einer gemeinsamen Lösung suchen sollen. Es passierte bislang, was bei solchen bürokratischen Workshops häufig passiert: nicht besonders viel.

Eine Lösung für das Bezahlproblem der Branche will Dennis Rodman kennen. Der einstige Profisportler und Hobby-Spinner hat das mit dem Basketball weitgehend bleiben lassen und widmet sich der Professionalisierung seines Hobbys. Er war vor Kurzem mal wieder in Nordkorea bei Kim Jong-un, auf sämtlichen Fotos trug Rodman T-Shirts mit der Aufschrift Potcoin. Das Unternehmen hatte die Reise gesponsert.

Potcoin ist eine Kryptowährung, ähnlich wie die weitaus bekannteren Bitcoins. Dieses digitale Geld wird durch hochkomplexe Rechenverfahren an Computern generiert und ist bei chinesischen Anlegern extrem beliebt, um Geld außer Landes zu schaffen und die strengen Kapitalkontrollen zu umgehen. Allerdings wird die Cyberwährung auch zur Bezahlung krimineller Dienstleistungen und von Lösegeldern sowie für den Drogenhandel genutzt.

Potcoin ist nun also eine Kryptowährung für die Cannabisbranche, die bereits seit einigen Monaten verzweifelt um Aufmerksamkeit wirbt. Wer sich allerdings intensiver damit beschäftigt, erfährt, dass dieses Alleinstellungsmerkmal doch arg konstruiert ist. Es ist in etwa so, als würde ein Klamotten-Hersteller behaupten, dass ein normales T-Shirt ganz besonders zum Basketballspielen geeignet sei. Ein Bitcoin kostet derzeit etwa 2600 Dollar. Der Wert eines Potcoins stieg während Rodmans Nordkorea-Reise innerhalb eines Tages um 70 Prozent auf 17 Cent, mittlerweile ist der Wert aber wieder unter zehn Cent gefallen.

Die Einführung bundesstaatlicher Banken scheint derzeit ebenso unrealistisch wie die Legalisierung von Marihuana auf Bundesebene. "Kalifornien ist bereit, den Vorreiter zu geben und eine Lösung zu finden, die bundesweit anwendbar sein kann", sagt Chiang, ohne allerdings zu definieren, wie so eine Lösung aussehen könnte.

Was der Finanzminister weiß: Wer seine Einkünfte in Plastiktüten verpackt und in der Wüste vergräbt, der fährt auf dem Weg dorthin nicht unbedingt beim Finanzamt vorbei und bezahlt seine Steuern. Chiang will bis spätestens Ende des Jahres eine praktikable Lösung für Banken und Ladenbesitzer präsentieren; es geht für Kalifornien schließlich um Steuereinnahmen in Höhe von knapp einer Milliarde Dollar pro Jahr.

Chiang will im kommenden Jahr zum Gouverneur gewählt werden, da würde im Wahlkampf die Geschichte nicht schaden, wie er mit einer grandiosen Idee die klammen Kassen gefüllt hat. So eine Geschichte hören die Kalifornier lieber als eine vom Raubüberfall.

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