Kaiser's Tengelmann:Ein Graus

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"Nicht nur für die Verbraucher, auch für die Nachfrageseite bringt der Vorgang Verschlechterungen", sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts in Bonn. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Das Kartellamt sitzt bei den Verhandlungen um Kaiser's Tengelmann mit am Tisch - darf aber nicht nach Kriterien des Wettbewerbs entscheiden.

Von Michael Kläsgen, München

Am Mittwoch ist es noch einmal hoch hergegangen in Sachen Kaiser's Tengelmann. Die normalerweise gut informierte Lebensmittelzeitung schickte eine Eilmeldung mit dem Titel "Einigung mit Rewe erzielt" heraus. Das Bundeswirtschaftsministerium dementierte umgehend. Und auch unternehmensnahe "Insider" verneinten. Doch nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist es richtig, dass eine Einigung kurz bevorsteht.

Die Gespräche finden in Hannover, dem Wohnort des Schlichters und Ex-Kanzlers Gerhard Schröder, statt. Mit am Tisch sitzt auch Birgit Krueger, Leiterin der Grundsatzabteilung des Bundeskartellamts. Sie hat allerdings nur beratende Funktion. Ihre Aufgabe ist es nicht, die Einigung, die die Chefs der Unternehmen von Edeka, Tengelmann und Rewe erzielen werden, vor Ort zu prüfen oder zu genehmigen. Ihre Rolle ist vielmehr, den Konzernchefs bei der Aufteilung der noch gut 400 Läden von Kaiser's Tengelmann Hinweise über die kartellrechtliche Machbarkeit des Vorhaben zu geben. Rewe ist bereits Marktführer in München, Edeka in Berlin.

Krueger soll in erster Linie verhindern, dass sich die Wettbewerbssituation durch die Aufteilung noch verschlimmert. Anschließend prüft das Amt. Nach der wiederholt geäußerten Auffassung von Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub könnte das Monate dauern. Tatsache aber ist, dass das Amt wichtige Entscheidungen bereits innerhalb kürzester Zeit oder weniger Tage getroffen hat. Amtschef Andreas Mundt, Mitglied der FDP und damit einer Partei, die derzeit im Land nicht stark repräsentiert ist, dürfte dem Vernehmen nach kein Interesse daran haben, dass die sich seit zwei Jahren ziehende Sache am Ende an ihm hängen bleibt.

Pikant ist dennoch: 2015 untersagte das Kartellamt den Gesamt-Verkauf von Kaiser's Tengelmann an Marktführer Edeka und stand auch einer Gesamt-Übernahme durch Rewe skeptisch gegenüber. Jetzt sitzen nur noch Edeka und Rewe am Verhandlungstisch und teilen sich den Kuchen. Das Kartellamt wird dennoch zustimmen.

Das liegt im Wesentlichen an der Ministererlaubnis, die einen Schutz von 16 000 Arbeitsplätzen für fünf Jahre vorsieht. Über deren Einhaltung wachen im Namen von Minister Sigmar Gabriel die zuständige Juristin im Bundeswirtschaftsministerium, Stephanie Jungheim, und Ministerialrat Armin Jungbluth, der in Hannover mit am Tisch sitzt. Das Pikante in diesem Fall: Jungheim war früher selbst beim Kartellamt, wirkt jetzt aber an einer Einigung mit, die weder dem Wettbewerb noch den Verbrauchern dient. Ein Eingeweihter formuliert es so: "Das Oligopol kauft zu." Dem Kartellamt zufolge sind 85 Prozent des deutschen Lebensmittelmarktes in der Hand der vier Konzerne Edeka, Lidl (Kaufland), Aldi und Rewe.

Manche sagen, es ergebe sich jetzt eine perverse Situation: Juristisch sauber vollzogen werden kann die Aufteilung der Märkte nur, wenn Edeka zunächst alles übernimmt und kurz darauf die vereinbarten Läden an Rewe weitergibt. Kartellrechtlich ist das ein Graus, weil hier die Großen gemeinsame Sache machen, aber das Amt wäre dennoch aus dem Schneider: Es genehmigt am Ende ja nur, dass der Marktführer Standorte an einen Schwächeren abtritt. Das muss doch gut für den Wettbewerb sein. Oder?

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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