Kaiser's Tengelmann:Danach

Eigentümer Karl-Erivan Haub erklärt, warum er sich von den Supermärkten trennen und unbedingt an Edeka verkaufen wollte. Und der Kartellamts-Chef erläutert, wieso er die Ministererlaubnis für ein gutes politisches Ventil hält.

Von Michael Kläsgen, Bonn/Mülheim

Wer hat denn nun eigentlich bei dem Tengelmann-Deal gewonnen beziehungsweise verloren? Bei den Mitarbeitern ist das keine Frage. Die 15 000 Arbeitsplätze sind gerettet. Aber wie sieht es bei zwei entscheidenden Akteuren aus: beim Präsidenten des Bundeskartellamts und beim Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub? Beide vertraten grundlegend unterschiedliche Positionen. Der eine wollte unbedingt an Edeka verkaufen, der andere genau das verhindern. Die SZ hat im Nachgang mit beiden gesprochen.

Filiale von Kaiser's Tengelmann

Der Schriftzug "Tengelmann" wird in einigen Monaten über den Supermärkten verschwinden.

(Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Betont gelassen

Man könnte meinen, Andreas Mundt müsse es wurmen, dass es jetzt so gekommen ist, wie sein Amt es 2015 untersagt hatte. Die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann geht in einem ersten Schritt an den Branchenprimus Edeka und wird dann teilweise an den zweitgrößten Supermarktbetreiber Rewe weitergereicht. Doch Mundt zeigt sich in seinem Büro am Bonner Rheinufer betont gelassen. Das Amt habe sich schon vorher um die Sorgen der Lieferanten gekümmert und werde das auch weiterhin tun. Durch den Zusammenschluss werde das alles natürlich nicht besser oder einfacher. Schon jetzt dominierten die vier Konzerne Edeka, Lidl/Kaufland, Aldi und Rewe 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland. Aber Mundt entdramatisiert. "Noch ist das Kind nicht in den Brunnen gefallen", sagt er. "Aber wir müssen bei diesem hoch konzentrierten Markt aufpassen, dass es nicht in den Brunnen fällt." Denn eines sei klar: "Nicht nur für die Verbraucher, auch für die Nachfrageseite, also die Beziehung der Händler zu den Herstellern und Lieferanten, bringt der Vorgang Verschlechterungen." Mundt versichert deswegen: "Wir müssen auch in Zukunft dafür sorgen, dass Handelskonzerne keine unbotmäßigen Forderungen gegenüber den Herstellern durchsetzen können." Der Chef der Wettbewerbsbehörde sieht positive Anzeichen.

Bundeskartellamt - Andreas Mundt

"Nicht nur für die Verbraucher, auch für die Nachfrageseite bringt der Vorgang Verschlechterungen", sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts in Bonn.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Vor dem Bundesgerichtshof sei ein Musterverfahren gegen Edeka anhängig. Der Konzern hatte nach der Übernahme der Plus-Märkte 2009 (damals schon von Tengelmann) sogenannte Hochzeitsrabatte von seinen Lieferanten verlangt. Das wird jetzt überprüft. Außerdem verschärfe der Gesetzgeber derzeit die Missbrauchsaufsicht in dem Bereich. "Wir werden die großen Händler also weiter im Blick haben", sagt Mundt.

Ärgert ihn denn nicht, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit einer Ministererlaubnis die Untersagung der Fusion durchkreuzte? Angeblich kein bisschen: "Die Ministererlaubnis ist eine sinnvolle Regelung", sagt Mundt. "Ich denke, wir brauchen für Ausnahmefälle ein politisches Ventil in der Fusionskontrolle. Wenn es das nicht gäbe, läge der politische Druck nicht mehr beim Minister, sondern bei der Wettbewerbsbehörde. Dafür ist das Bundeskartellamt aber nicht gemacht. Wir sind kein politisches Entscheidungsgremium. Insofern finde ich die Arbeitsteilung richtig."

Tengelmann - Jahreszahlen

"Die zweijährige Hängepartie hat dem Unternehmen einen Millionen-Verlust in dreistelliger Höhe beschert", sagt Karl-Erivan Haub, Eigentümer der Unternehmensgruppe Tengelmann.

(Foto: Caroline Seidel/dpa)

Eine Höllenfahrt

Karl-Erivan Haub führt am Sitz seines Unternehmens in Mülheim an der Ruhr durch eine Sammlung Oldtimer. Zu jedem Fahrzeug kann der Tengelmann-Chef eine persönliche Geschichte erzählen. Jedes Auto wurde von einem Familienmitglied gefahren. Viele gehörten seinem Vater Erivan, der die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann groß gemacht hatte.

Ja, natürlich schmerze es ihn, den Firmenerben, dass die Schriftzüge Kaiser's und Tengelmann über den Märkten bald verschwinden werden. Aber warum hat er sich denn überhaupt davon getrennt? Um das zu erklären, holt Haub etwas aus. Mitte der 80er-Jahre sei es zu einem "Bruch" gekommen. Bis dahin hätten Filialbetriebe wie Tengelmann den Lebensmitteleinzelhandel dominiert. Doch dann hätten die Discounter aufgeholt und die Genossenschaften eine Renaissance erlebt. "Wir hätten in den 80er-Jahren damit anfangen sollen, das Geschäftsmodell umzustellen", räumt Haub vor einem kleinen Kreis Journalisten ein. "Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, einen Einkaufsverbund mit einem großen Konzern zu schließen." Er hatte das versucht und sich einen Einkaufsverbund mit Edeka erkämpft. Aber den untersagte das Kartellamt. "Das war der Sargnagel für unsere Supermärkte", resümiert Haub. "Daraufhin wurden die Einkaufskonditionen für uns noch schlechter." Am Ende hatte Kaiser's Tengelmann um bis zu zehn Prozent höhere Einkaufskosten für einzelne Produkte als große Konzerne wie Edeka. "Kaiser's Tengelmann wurde so zu dem kleinsten, aber aufwendigsten Geschäftsfeld in der Unternehmensgruppe. Die anderen Geschäftsfelder hätten irgendwann darunter leiden können."

Und warum versteifte er sich darauf, unbedingt an Edeka zu verkaufen? Kartellamtspräsident Mundt ist sich sicher: Es gab viele Interessenten. "Das haben wir den Unternehmen frühzeitig signalisiert. Auf deren Seite war aber keine Bereitschaft zu ernsthaften Verhandlungen zu erkennen." Haub hingegen versichert: "Es stimmt einfach nicht, dass es viele Kaufinteressenten gab. Vor allem gab es keinen alternativen Gesamterwerber, der kartellrechtlich unbedenklich gewesen wäre." Edeka sei der einzige Interessent gewesen, der sozusagen alles mit Mann und Maus übernehmen wollte. Und genau das wollte Haub, zum einen, um die Arbeitsplätze zu retten. Aber auch, weil er aus eigener Erfahrung wusste, wie teuer die Schließung unverkäuflicher Filialen werden kann. "Ein Einzelverkauf wäre die reinste Rosinenpickerei geworden. Deswegen waren 8000 Arbeitsplätze in Gefahr. Die Abwicklungskosten wären sehr hoch gewesen, noch höher, als der Verkauf es jetzt gewesen ist."

Und zwar? "Die zweijährige Hängepartie hat dem Unternehmen einen Millionen-verlust in dreistelliger Höhe beschert." Anfangs habe er gedacht, der Verkauf sei in vier oder maximal sechs Monaten erledigt. "Aber letztendlich war bis zum Donnerstag vor einer Woche nicht klar, ob der Verkauf noch klappen würde. Es war eine Höllenfahrt für die Mitarbeiter." Ein Trost sei, dass für die Beschäftigten dabei die beste Lösung überhaupt herausgekommen sei.

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